Adrian Daniel, Portfoliomanager des MainFirst Absolute Return Multi AssetWas sind aus Ihrer Sicht die Treiber für die digitale Transformation?Adrian Daniel: Eine wesentliche Voraussetzung für die digitale Transformation liegt in der Densität der Nachfrage sowie im Vorhandensein einer Telematik-Infrastruktur. Folglich entwickelt sich der Fortschritt in Regionen mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einem kostengünstigen sowie schnellen Internetzugang besser als in Regionen in denen die Bedingungen schlechter sind. Der Ausbau der Glasfasernetze als auch der 5G-Infrastruktur erfährt bei Politikern bei ersteren eine grössere Priorisierung und wird mit staatlichen Mitteln vorangetrieben. Dies schafft einen weiteren Treiber für die Digitalisierung und eröffnet zusätzliche
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Adrian Daniel, Portfoliomanager des MainFirst Absolute Return Multi Asset
Was sind aus Ihrer Sicht die Treiber für die digitale Transformation?
Adrian Daniel: Eine wesentliche Voraussetzung für die digitale Transformation liegt in der Densität der Nachfrage sowie im Vorhandensein einer Telematik-Infrastruktur. Folglich entwickelt sich der Fortschritt in Regionen mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einem kostengünstigen sowie schnellen Internetzugang besser als in Regionen in denen die Bedingungen schlechter sind. Der Ausbau der Glasfasernetze als auch der 5G-Infrastruktur erfährt bei Politikern bei ersteren eine grössere Priorisierung und wird mit staatlichen Mitteln vorangetrieben. Dies schafft einen weiteren Treiber für die Digitalisierung und eröffnet zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten.
Hat die Corona-Pandemie auch einen Einfluss?
Ja, Corona-bedingte Lockdowns haben in der jüngsten Vergangenheit einige Dienstleistungs- sowie Gütermärkte unter dem Aspekt der digitalen Transformation von der Nachfrageseite spürbar beschleunigt. Diverse Unternehmen sprechen sogar aufgrund der Lockdowns von einem entscheidenden "Inflection Point" hin zur Marktreife. Nun gilt es, den Fokus zu schärfen und zu schauen, welche Bereiche überproportionales Potential bieten.
Wie verändert die Digitalisierung die Gütermärkte?
Der Konsumgüterverkehr unterliegt einem massiven Wandel. Stationäre Einzelhändler stehen unter Druck und erleben Umsatzverluste, da Einkäufe auf Online-Marktplätzen oftmals günstiger sind. Zudem bietet der Onlinehandel für Endkunden zusätzlichen Komfort in Form von Lieferungen bis an die Haustür oder 24/7 Öffnungszeiten, welches beides von Verbrauchern zunehmend seit der Corona-Pandemie geschätzt wird. Im Gegenzug dazu wird das Online-Einkaufserlebnis durch den fehlenden haptischen Kontakt zum Produkt oder die manchmal mühselige eigenverantwortliche Abwicklung von Retoursendungen getrübt.
Was sind die Folgen?
Es gibt im B2C-Güterverkehr im Grad der Onlinepenetration starke Unterschiede je nach Produktkategorie. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Onlineverkaufs wird durch die Versandkosten bestimmt. Nicht ohne Grund hat Amazon vor nahezu zwei Dekaden mit dem Versand von Büchern, also einen Artikel, welcher für die Logistik optimale Voraussetzungen mitbringt, gestartet. Die Verpackung ist simpel, die Versandkosten sind gering und der Liefertermin zeitlich unkritisch. Dies gilt auch für Produkte der Unterhaltungselektronik, welche zwischenzeitig den grössten Onlineanteil nach Produktgruppen aufweisen.
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit im Vertrieb der Produkte?
Mit der Weiterentwicklung der Logistikketten und dem Lockdown-bedingten Nachfrageschub für zeitkritischere Artikel wie z.B. Lebensmittel oder Medikamente sind in vielen Ballungsgebieten Lieferungen innerhalb weniger Stunden möglich. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass die Skaleneffekte bei diversen Online-Anbietern dieser Produkte nun operativ zur Profitabilität führen. Typischerweise findet ab diesem Punkt eine dynamische Verdrängung etablierter Strukturen durch die neuartigen Geschäftsmodelle statt. Hierfür gibt es diverse Beispiele aus der Vergangenheit, was wiederum im Nachgang als disruptive Technologien bezeichnet wird. Die Anfänge in der Entwicklung von Elektrizität, des Automobils oder der Halbleitertechnologie zeigen, wie sich Wachstumsraten ab einem bestimmten Punkt beschleunigen, was wiederum im Nachgang als Disruption bezeichnet wird.
Wir können also bereits von einer disruptiven Entwicklung sprechen?
Ja, im Zuge der Disruption erweitert sich das Spektrum an Geschäftsmodellen im Online-Direktvertrieb, welche eine dynamische Wachstumsphase durchleben. Beispielsweise sind Online-Absätze im Bereich von Sportartikeln, Kosmetika oder rezeptfreier Arzneimittel in den vergangenen Quartalen bis zu 50 Prozent gewachsen. Im Bereich von Lebensmitteln sind, ausgehend von einer niedrigen Basis, sogar dreistellige Zuwächse berichtet worden. Da Entwicklungen zumeist linear prognostiziert werden, dürfte der Verlauf eher einer S-Kurve gleichen und somit künftig für weitere Wachstumsüberraschungen sorgen. Hieraus dürfte für Investoren weiteres Potential erwachsen.
Was bedeutet diese Disruption für den herkömmlichen Dienstleistungsbereich?
Bekanntermassen findet die Adaption der Digitalisierung auf den unterschiedlichsten Ebenen und in den unterschiedlichsten Sektoren statt. Im Bereich der Dienstleistungen ist der Fokus auf Digitalisierung aktuell in der Kundenkommunikation oder beim Vertriebsansatz besonders ausgeprägt. Dies fördert die Effizienz, ist jedoch qualitativ oftmals nicht mit einer persönlichen Kundenansprache vergleichbar. Trotzdem setzten sich virtuelle Kundenkontakte, ob in der Finanzdienstleistungsindustrie oder im Reisegewerbe, durch. Aufgrund der ständigen Optimierung der digitalen Angebote und einem sich einstellenden Gewöhnungseffekt auf Kundenseite, bewegen sind Vertriebsformate in diesen Branchen weg von stationären Filialen. Im Gesundheitswesen zeigt sich sogar noch eine dynamischere Transformation. Gesundheitssysteme dürften im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung von einer Kostensenkung im Bereich der Arztbehandlungen profitieren und für agile Unternehmen in der Gesundheitsindustrie eröffnen sich neuartige Wachstumsfelder.
Auch infolge der Pandemie?
Ja, getrieben durch die Pandemie zeigen sich die Regulierungsstellen offen für virtuelle Arztbesuche und digitale Krankenakten. Daher erfindet sich die Wertschöpfungskette um medizinische Beratung und Betreuung gerade neu. Telemedizin-Plattformen wie die von DocMorris oder spezialisierte Geschäftsmodelle wie beispielsweise SmileDirectClub, wenden sich dank der Digitalisierung direkt an Patienten, und dass ohne die Notwendigkeit lästiger Wartezeiten in einer Arztpraxis. Das verschafft Kostenvorteile, gepaart mit zusätzlichem Komfort.
Kostenvorteile dürften auch bei Krankenkassen willkommen sein.
Seitens der Krankenkassen wird diese Entwicklung zwar nicht forciert, dürfte jedoch grundsätzlich begrüsst werden. Eine Reduzierung der Kostenquoten scheint durch Beispiele aus Nordamerika, wo Krankenkassen mit Unternehmen wie Amwell oder Teladoc Health zusammenarbeiten, in greifbarer Nähe. Eine grössere Menge an verwertbaren Krankendaten sehen medizinische Fachleute zudem vorteilhaft für eine zielgerichtetere Behandlung.
Wo sehen Sie weitere Vorteile im Gesundheitssektor?
Auch in der Abwicklung von Dienstleistungen sind erhebliche Effizienzvorteile im Hinblick auf die digitale Transformation realisierbar. Ein Beispiel dafür bietet die verpflichtende Einführung des sogenannten E-Rezepts in Deutschland ab 2022 und wird bereits von Krankenkassen in Pilotprojekten getestet. Im Fall von Anbietern effizienter Abwicklungslösung von Rechnungen wird das Potential ebenfalls offenkundig. Anbieter wie Bill.com oder Unifiedpost warten entsprechend mit hohen Wachstumsraten auf.
Wo eingekauft wird, muss auch bezahlt werden. Im Zahlungsverkehr findet doch ganz allgemein auch ein rasanter Wandel statt.
Ja, gesellschaftlich zeigt sich die digitale Marschrichtung überaus deutlich bei digitalen Zahlungslösungen. Paypal hat für das Jahr 2021 ein Ziel von 50 Millionen neuer Kundenkonten gesetzt, welche aus zweierlei Sicht begünstigt wird. Zum einen der wachsende Trend im Onlinehandel und zum zweiten die Affinität jüngerer Konsumenten für E-Payment-Lösungen. Eine kürzliche Umfrage in den USA unter 7000 Teenagern belegt dies sehr eindrucksvoll, da bereits rund 25 Prozent der Befragten eine Zahlung mittels Paypal begleichen würden.
Was bedeutet die digitale Transformation nun für Investoren?
Die digitale Transformation hat im Jahr 2020 eine signifikante Beschleunigung erfahren. Die Ausweitung der Anwendungsfelder eröffnet für Investoren eine Fülle von Anlagefeldern mit aussichtreichen Wachstumsperspektiven. In manchen Märkten ist die Dynamik der Veränderung derart stark, dass die bestehenden Strukturen für existierende Geschäftsmodelle aus Anlegersicht überdacht werden müssen. Aufgrund der Skaleneffekte der digitalen Welt zeigt sich an den Börsen ein überdurchschnittlicher Erfolg bei Unternehmen, welche die Möglichkeit mit erhöhten Investitionen für sich zu nutzen wussten. Angelehnt an das "Flywheel-Modell" von Amazon sollte somit der Fokus auf Märkte mit einem beschleunigten organischen Umsatzwachstum gelegt werden, um die Marktposition für die Zukunft zu festigen.
Zur Person
Seit 2012 gehört Adrian Daniel zum MainFirst Investmentteam. Er ist der hauptverantwortliche Portfoliomanager des MainFirst Absolute Return Multi Asset und betreut institutionelle Anleger mit absoluten Ertragszielen. Die strategische Asset-Allokation, die Beurteilung von Rohstoffen und die Aktienselektion gehören dabei zu seinen schwerpunktmässigen Aufgaben innerhalb des Teams.
Die Pandemie hat ja einschneidende Veränderungen in der Gesellschaft bewirkt oder mindestens beschleunigt. Was empfehlen Sie mit Blick darauf den Anlegern?
Gesellschaftlich durchleben wir derzeit einen strukturellen Umbruch. Sofern wir im Nachgang zur Lockdown-Erfahrung, eine digitale Welt aus Home-Office, Home-Schooling, Essenlieferung und Tele-Medizin konsequent nutzen, wird ein Leben ohne Teilnahme am sozialen Leben ausserhalb der eigenen vier Wände möglich. Auch wenn man diese Perspektive nicht für erstrebenswert erachtet, herrscht ein globaler Wettbewerb um diese Kunden im sogenannten Couch-Commerce. Aus Anlegersicht erscheint damit eine globale Perspektive mit einem aktiven Anlageansatz erforderlich.
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