Fünf Jahre nach der turbulenten Abkehr der Schweiz von der Euro-Anbindung regt sich zunehmend Widerstand gegen die von den Währungshütern stattdessen ausgerufene ultra-lockere Geldpolitik. Seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 15. Januar 2015 die zuvor mehrere Jahre durchgesetzte Euro-Kursuntergrenze von 1,20 Franken abrupt kippte, setzt die Notenbank auf rekordtiefe Negativzinsen von minus 0,75 Prozent und Interventionen am Devisenmarkt, um die Landeswährung zu schwächen. Denn ein starker Franken - bei Investoren als "sicherer Hafen" in unsicheren Zeiten beliebt - schmälert die Konkurrenzfähigkeit der exportorientierten Schweizer Industrie am Weltmarkt und macht die Alpenrepublik für Touristen teuer. Obwohl das Vorgehen der SNB den Franken seither geschwächt hat - aktuell kostet
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Fünf Jahre nach der turbulenten Abkehr der Schweiz von der Euro-Anbindung regt sich zunehmend Widerstand gegen die von den Währungshütern stattdessen ausgerufene ultra-lockere Geldpolitik. Seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 15. Januar 2015 die zuvor mehrere Jahre durchgesetzte Euro-Kursuntergrenze von 1,20 Franken abrupt kippte, setzt die Notenbank auf rekordtiefe Negativzinsen von minus 0,75 Prozent und Interventionen am Devisenmarkt, um die Landeswährung zu schwächen. Denn ein starker Franken - bei Investoren als "sicherer Hafen" in unsicheren Zeiten beliebt - schmälert die Konkurrenzfähigkeit der exportorientierten Schweizer Industrie am Weltmarkt und macht die Alpenrepublik für Touristen teuer.
Obwohl das Vorgehen der SNB den Franken seither geschwächt hat - aktuell kostet ein Euro 1,0748 Franken -, stossen insbesondere die Negativzinsen immer stärker auf Kritik. Sie machen Versicherungen und Pensionskassen zu schaffen, die versprochene Anlagerenditen nur noch schwer erwirtschaften können, schmälern die Zinsmargen der Banken und könnten zu einer Überhitzung am Immobilienmarkt führen. Und so sieht sich die Zentralbank mit dem Widerstand einer ungewöhnlichen Allianz aus linken und rechten Politikern sowie der Finanzindustrie konfrontiert. Zudem droht eine Volksabstimmung darüber, was mit den Milliardengewinnen der SNB geschehen soll.
"Die Kosten überwiegen den Nutzen", sagte Martin Hess, Chefökonom der Schweizerischen Bankiervereinigung. "Das heisst nicht, dass ein schneller Ausstieg der beste Weg wäre, aber wir müssen uns überlegen, wie wir lieber früher als später aussteigen können." Auch der Schweizerische Versicherungsverband fordert von der SNB einen Kurswechsel. "Die Politik der SNB wird sich negativ auf das Rentensystem und die Rentner auswirken", sagte Verbands-Sprecherin Sabine Alder. "Sie könnte auch zur Destabilisierung der Volkswirtschaft beitragen." Ähnlich sieht das Alfred Heer, Abgeordneter der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Er sieht in Negativzinsen eine Enteignung von Sparern und Pensionskassen: "Sie sind eine Perversion des Systems."
Vor allem Banken treibt die Gebühr von 0,75 Prozent, die sie ab einem gewissen Freibetrag für bei der Notenbank geparktes Geld zahlen müssen, auf die Barrikaden. Seit 2015 haben die Institute nach Schätzungen der Grossbank Credit Suisse dafür 8,6 Milliarden Franken aufgewendet und dieses Jahr dürfte es nochmals eine Milliarde sein. "Der Wettbewerb ist hoch, die Margen werden immer kleiner", sagte Andreas Gerber, Leiter des Schweiz-Geschäfts der Credit Suisse für kleine und mittlere Unternehmen. "Für jede zusätzliche Liquidität müssen wir mit den negativen Zinsen bei der SNB bezahlen. Bargeld hat keinen Wert mehr." Den Erzrivalen UBS plagen ähnliche Sorgen. "Es wird für die Banken zunehmend unmöglich, die wirtschaftlichen Folgen von negativen Zinsen mit alternativen Massnahmen zu kompensieren", erklärte Thomas Schulz, Finanzchef der Schweizer UBS-Tochter.
SNB-Gewinn für die Altersvorsorge
Gewerkschaften fordern inzwischen einen Teil der SNB-Gewinne für das staatliche Pensionssystem ein. "Angesichts der Art dieser Gewinne, die mit negativen Zinssätzen verbunden sind, die den Renten schaden, wäre es logisch, einen Teil davon in das öffentliche Rentensystem umzuverteilen", sagte Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) und Parlamentarier der Sozialdemokraten (SP). SVP-Nationalrat Heer hat im Parlament einen entsprechenden Vorstoss eingebracht. Sollte das Ansinnen scheitern, zeigen sich sowohl SGB als auch Heer bereit, das Thema den Stimmberechtigten in einer Volksabstimmung vorzulegen. "Wenn wir einen Teil der Gewinne der SNB einbringen, erspart uns dies, das Defizit durch höhere Umsatz- und Lohnsteuern zu decken", sagte Heer. "Wir wollen nur einen Anteil an dem Kuchen, den die SNB gebacken hat."
Die SNB hat vergangene Woche für 2019 einen Gewinn von 49 Milliarden Franken angekündigt - den zweithöchsten ihrer Geschichte - und Bund und Kantonen über die ohnehin geplante Überweisung von zwei Milliarden Franken hinaus zusätzliches Geld in Aussicht gestellt. Zudem sind bereits seit September weniger Einlagen vom Strafzins betroffen. "Der Druck auf die SNB steigt", sagte Adriel Jost, Ökonom bei der Unternehmensberatung Wellershoff & Partners. "Zentralbanken sollten unabhängig sein, aber sie können die Sorgen der Bevölkerung nicht ignorieren."
Die SNB lehnte eine Stellungnahme zu ihrer künftigen Politik ab. Grössere Änderungen werden allerdings nicht so bald erwartet. Notenbankchef Thomas Jordan zufolge sind die Negativzinsen unerlässlich, um den Franken zu schwächen, die Wirtschaft zu schützen und eine Deflation zu vermeiden. Swissmem, der Dachverband der Schweizer Industrie, hat sich hinter die SNB gestellt. Die Branche hätte ohne die Massnahmen mehr gelitten, erklärte der Verband.
(Reuters)