In der Stichwahl der Konservativen um den Parteivorsitz setzte sich die schillernde Galionsfigur der Austrittsbefürworter haushoch gegen Aussenminister Jeremy Hunt durch. Morgen (Mittwoch) steht die Ernennung zum Premierminister an. Der 55-jährige Ex-Aussenminister folgt auf die glücklose Regierungschefin Theresa May, die im Unterhaus keine Mehrheit für den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag zustande brachte. Johnson will anders als May notfalls ohne Austrittsvertrag raus aus der EU: "Wir werden den Brexit am 31. Oktober hinbekommen", betonte der Wahlsieger, den US-Präsident Donald Trump umgehend als "grossartig" lobte. Mit Johnson erhöht sich laut Finanzmarktexperten wie der Rating-Agentur Moody's und der US-Investmentbank Goldman Sachs das Risiko, dass London ungeregelt aus der
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In der Stichwahl der Konservativen um den Parteivorsitz setzte sich die schillernde Galionsfigur der Austrittsbefürworter haushoch gegen Aussenminister Jeremy Hunt durch. Morgen (Mittwoch) steht die Ernennung zum Premierminister an. Der 55-jährige Ex-Aussenminister folgt auf die glücklose Regierungschefin Theresa May, die im Unterhaus keine Mehrheit für den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag zustande brachte. Johnson will anders als May notfalls ohne Austrittsvertrag raus aus der EU: "Wir werden den Brexit am 31. Oktober hinbekommen", betonte der Wahlsieger, den US-Präsident Donald Trump umgehend als "grossartig" lobte.
Mit Johnson erhöht sich laut Finanzmarktexperten wie der Rating-Agentur Moody's und der US-Investmentbank Goldman Sachs das Risiko, dass London ungeregelt aus der EU ausschert - eine Sorge, die auch die deutsche Wirtschaft umtreibt. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, sieht noch Chancen, die negativen Folgen des Brexit für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals zu begrenzen. "Daher ist es wichtig, dass die EU-27 keine Neuverhandlung des mühsam ausgehandelten Ausstiegsabkommens zugestehen."
Johnson will Freihandelsabkommen
Johnson schwebt ein Freihandelsabkommen mit der EU vor, obwohl beispielsweise die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf der Ausstiegsvereinbarung beharrt. Sie brachte ebenso wie die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die auf "eine gute Arbeitsbeziehung" zu Johnson hofft, eine Verlängerung der Brexit-Frist ins Spiel. Damit könnte die EU Zeit gewinnen, noch eine Einigung mit Grossbritannien zu finden. Diese Idee findet auch der deutsche Aussenhandelspräsident Holger Bingmann erwägenswert: "Man sollte sich in Brüssel darauf verständigen, dass eine Fristverlängerung unter den richtigen Voraussetzungen möglich bleibt, sofern damit ein ungeordneter Austritt abzuwenden ist." Ein abruptes Ausscheiden werde "in allen Bereichen Chaos verursachen", warnt er. Die europäische Wirtschaft hofft laut dem Hauptgeschäftsführer des deutschen Maschinenbauverbands VDMA, Thilo Brodtmann, dass sich Johnsons Politik von seiner bisherigen Rhetorik unterscheide: "Unternehmen sollten sich aber weiterhin auf einen harten Brexit Ende Oktober vorbereiten."
Bislang gilt der 31. Oktober als das späteste Datum für eine Trennung Grossbritanniens von der EU. Sollten sich Brüssel und London nicht einig werden, droht ein ungeregelter EU-Ausstieg - mit allen Konsequenzen. Der britische Rechnungshof warnt vor einer Rezession und einem Milliardenloch im Staatshaushalt im Falle eines harten Brexit. Felix Dane, Leiter des Londoner Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, glaubt, dass Johnsons Brexit-Pläne nicht in Stein gemeisselt sind: "Boris Johnson steht nur für sich selbst. Auch wenn er den harten Brexit propagiert, ist er der einzige Politiker in Grossbritannien, der eine 180-Grad-Wende machen kann und sein Ansehen und seine Anhänger nicht verliert."
Commerzbank-Ökonom Peter Dixon verweist zudem darauf, dass das Parlament weiter gegen einen harten Brexit sei: Deshalb sei es eher unwahrscheinlich, dass sich der neue Premier gegen das Unterhaus stellen werde: "Schliesslich dürfte Boris Johnson seinen neuen Posten kurz nach Erreichen seines Karriereziels kaum direkt wieder riskieren wollen."
Schillernde Figur
Johnson machte in der Vergangenheit des öfteren durch polarisierende Äusserungen auf sich aufmerksam. Sein Einsatz für den Ausstieg Grossbritanniens aus der EU galt als entscheidend für den Erfolg der Brexit-Kampagne im Jahr 2016. Dabei brachte er vor, sein Land zahle wöchentlich 350 Millionen Pfund an die EU. An Johnson scheiden sich die Geister - auch in der eigenen Partei. Mehrere Kabinettsmitglieder haben ihren Rückzug angekündigt - so Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke. Beide wollen nicht Teil eines Kabinetts von Johnson sein. Mit Alan Duncan, einem Staatssekretär im Aussenministerium, kündigte jüngst ein weiterer hochrangiger Politiker seinen Abschied an. Er titulierte den im Volksmund "BoJo" genannten Konservativen einst als "Zirkusnummer".
Der charismatische Politiker mit dem gestutzen Blondschopf war im Juni in die Schlagzeilen geraten, als er in seiner Wohnung in Südlondon Besuch von der Polizei bekam. Auslöser war offenbar eine lautstarke Auseinandersetzung mit seiner Freundin Carrie Symonds, die Nachbarn Medienberichten zufolge gehört haben. Nach Polizei-Angaben war der Anrufer "um das Wohl einer Nachbarin besorgt".
Johnson übernimmt den Posten des Regierungschefs in der Downing Street Nummer 10 in aussenpolitisch unsicheren Zeiten: Nach der Festsetzung eines britischen Tankers durch den Iran will die Regierung in London die für die globalen Erdöltransporte wichtige Strasse von Hormus zusammen mit anderen europäischen Staaten schützen. Aussenminister Hunt warf der Regierung in Teheran staatliche Piraterie vor, hielt aber Abstand zum harten US-Kurs, den Trump gegenüber dem Iran eingeschlagen hat. Fraglich ist nun, wie Johnson sich verhält, dem mehr Nähe zu Trump nachgesagt wird. In seiner Zeit als Aussenminister war Johnson mit Äusserungen über den Iran bei Premierministerin May angeeckt: 2016 hatte er bei einem Auftritt in Rom gesagt, Saudi-Arabien und Iran verhielten sich im Nahen Osten wie "Puppenspieler". Trump, der Mays Brexit-Kurs wiederholt kritisiert hatte, gratulierte Johnson umgehend. "Er wird grossartig sein", twitterte der US-Präsident.
(Reuters)