Photo: Wikimedia Commons (CC 0) Europäisches Blockdenken gegenüber den Vereinigten Staaten ist geschichtsvergessen und zugleich realpolitisch fatal. Anstatt den Westen zu spalten, müssen wir angesichts der Bedrohung durch den Neoimperialismus Chinas und Russlands noch viel stärker zusammenstehen. Als Bettvorleger des Kaisers von China Präsident Macrons Auftritt in Peking vergangene Woche kann nicht anders denn als grotesk und zynisch bezeichnet werden: Liebedienerisch schmeichelte er sich bei seinem Gastgeber ein und ließ in einem auf Twitter verbreiteten Video die enge französisch-chinesischer Freundschaft feiern. Zur Erinnerung: In China werden gravierendste Menschenrechtsverletzungen begangen, das Land hält maximal mögliche Nähe zu Russland und Xi Jinping hat sich wie ein guter Diktator
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Europäisches Blockdenken gegenüber den Vereinigten Staaten ist geschichtsvergessen und zugleich realpolitisch fatal. Anstatt den Westen zu spalten, müssen wir angesichts der Bedrohung durch den Neoimperialismus Chinas und Russlands noch viel stärker zusammenstehen.
Als Bettvorleger des Kaisers von China
Präsident Macrons Auftritt in Peking vergangene Woche kann nicht anders denn als grotesk und zynisch bezeichnet werden: Liebedienerisch schmeichelte er sich bei seinem Gastgeber ein und ließ in einem auf Twitter verbreiteten Video die enge französisch-chinesischer Freundschaft feiern. Zur Erinnerung: In China werden gravierendste Menschenrechtsverletzungen begangen, das Land hält maximal mögliche Nähe zu Russland und Xi Jinping hat sich wie ein guter Diktator gerade die Verfassung ändern lassen, um länger im Amt zu bleiben. Während der französische Präsident sich gekonnt dem Kaiser von China als Bettvorleger zu Füßen warf, teilte er kräftig aus gegen die USA, deren Vasall Europa nicht werden dürfe. Womöglich wollte er sich damit in die notorisch antiamerikanische Tradition Charles de Gaulles stellen und mit einer nur aus Dekorationsgründen europäisch verbrämten „Grandeur de la France“ von seinen Problemen an der Rentenfront ablenken.
Aber diese Abgrenzungspolitik ist brandgefährlich. Jedes Mal, wenn sich Europäer (in der Regel Franzosen und Deutsche, ab und zu Italiener und Spanier – bezeichnenderweise so gut wie nie Osteuropäer mit der Ausnahme Viktor Orbans) von den Vereinigten Staaten distanzieren, steigt die Laune in Peking, Moskau, Teheran und anderen Terrorhauptstädten. Anders als im Wunschdenken mancher Europäer ist aus deren Sicht der Westen nämlich ein Block. Ein feindlicher Block, den es zu zerschmettern gilt. Provokanterweise auch noch ein Block, der den Oppositionellen im eigenen Land als Bezugspunkt dient. Ein zerfallender und zweifelnder, misstrauischer und missgünstiger Westen stärkt dagegen ihre äußere und innere Machtentfaltung. Darum kommen ihnen die Trumps, Orbans und Macrons gerade recht.
Antiamerikanismus in der Tradition des Nationalismus
Auf dem Beharren darauf, dass sich Europa von den USA unabhängig machen müsse, liegt ein finsterer Schatten: Es schöpft aus dem gleichen unheilvollen Saatgut, das vor 200 Jahren bei der Etablierung des Nationalismus gedient hat. Ob sich der kollektive Deutsche vor 150 Jahren gegenüber „dem Franzosen“ absetzte oder der kollektive Europäer heute gegenüber „dem Ami“: Der Unterschied besteht vor allem darin, dass man sich dabei nicht mehr auf das Gift des Völker- oder Rassenhasses bezieht, sondern mit wabernden Insinuationen nur kulturelle Unterschiede bemüht. Europa müsse sich als „dritter Pol“ etablieren, und zwar „zwischen [!] China und Amerika“, andernfalls „verschwindet es aus der Weltgeschichte“, meint Macron. Die Sorge gilt also weder dem Wohlergehen der Bevölkerung noch der Verteidigung westlicher Werte, sondern dem Platz in der Weltgeschichte. Ja, genau das treibt auch Xi und Putin um. Und für diese Idee sind schon immer Millionen von Menschen in Elend, Not, Unterdrückung und Tod getrieben worden.
Es darf nicht um Nationen gegen Nationen, Kulturräume gegen Kulturräume, Kontinente gegen Kontinente gehen. Der einzige relevante Gegensatz ist Freiheit gegen Tyrranei. Kaum einer hat das so deutlich herausgestellt wie der amerikanische Senator John McCain (1936-2018), einer der hellsichtigsten Politiker im Blick auf die Veränderungen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Auf atemberaubende Weise prognostizierte er bei einer Rede am 1. Mai 2007 in Stanford die (Rück-)Entwicklung Chinas zu einer imperialistischen und militaristischen Führerdiktatur. Und zu Russland bemerkte er prophetisch:
„Heute erscheint Russland immer mehr wie eine Autokratie aus dem 19. Jahrhundert, gekennzeichnet durch abnehmende politische Freiheiten, undurchsichtige Intrigen und mysteriöse Attentate. … Heute manipuliert ein autoritäreres Moskau Europas Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, um Schweigen und Gehorsam zu erzwingen und einen Keil zwischen Europa und die Vereinigten Staaten zu treiben. Die russische Regierung ist sogar noch brutaler gegenüber den jungen Demokratien an seiner Peripherie und droht ihnen mit Handelsembargos und Schlimmerem, wenn sie sich dem Westen zu sehr annähern. Sie unterstützt separatistische Bewegungen in Georgien und Moldawien und hat sich offen in die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine eingemischt. Und sie liefert Waffen an den Iran, Syrien und indirekt an die Hisbollah.“
Zum Zeitpunkt dieser Rede war Xi Jinping übrigens gerade frisch als Parteisekretär nach Shanghai versetzt worden. Und Putin hatte gerade erste Stacheln ausgefahren mit seiner Münchner Rede, was gerade die deutsche Öffentlichkeit geflissentlich ignorierte. McCains Worte verdeutlichen: schon damals haben es Leute kommen sehen. Die, die nicht weggesehen haben. Und sie haben darüber gesprochen, auch wenn sie sich dann des Säbelrasselns und der Kriegstreiberei beschuldigen lassen mussten.
Wir brauchen eine weltweite Werte-NATO
McCains Schlussfolgerung aus seiner scharfsinnigen Analyse war, dass man eine weltweite „League of Democracies“ formen müsse; ein Projekt, dessen Bedeutung für das Überleben der Ideale und Werte des Westens uns jetzt endlich dämmert. Viele wertvolle Jahre sind ins Land gegangen, weil Europäer und Amerikaner ihren neonationalistischen Träumen hinterherliefen, weil Rubel und Renminbi über alle Warnungen hinwegrollten, und nicht zuletzt, weil uns im Westen der Glaube an die eigenen Wertegrundlagen abhandengekommen war. Wir haben kostbare Zeit verschwendet, in der wir die Bande der Demokratien untereinander hätten stärken können und Wackelkandidaten aus Asien, Afrika und Lateinamerika an uns hätten binden können.
Freiheit, Offene Gesellschaft, Marktwirtschaft und Rechtsstaat sind auch deswegen konstant gefährdet, weil der Westen sich nicht einig ist. Die Sollbruchstelle, die vor allem bei Deutschland und Frankreich liegt, ist der Antiamerikanismus. Dabei verdanken wir Europäer die Befreiung vom Nazi-Joch, den Schutz vor Sowjetunion und Russland und viel unseres Wohlstands und unserer Technik dem Land, das im Grunde die letzte und jüngste Blüte abendländischer Zivilisation ist. Im Angesicht einer vielschichtigen existenziellen Bedrohung dieser Zivilisation muss die Antwort absolut eindeutig ausfallen: Bei der Verteidigung der Freiheit passt kein Blatt zwischen Europa, die USA und andere Staaten, die unsere Werte teilen von Costa Rica bis Südkorea, von Israel bis Neuseeland, von Chile bis Taiwan. In den Worten John McCains:
„Unsere Partner müssen auch gute Verbündete sein. Sie müssen den Willen und die Fähigkeit haben, für die gemeinsame Verteidigung von Freiheit, Demokratie und wirtschaftlichem Wohlstand zu handeln. Sie müssen das nötige Geld ausgeben, um effektive Streitkräfte aufzubauen, die an der Seite der unseren trainieren und kämpfen können. Sie müssen uns helfen, den Bedürftigen Hilfe zu leisten und eine gute Regierungsführung in fragilen Staaten zu fördern. Sie müssen sich den Bedrohungen in unserer Welt stellen und dürfen sich nicht ihrer globalen Verantwortung entziehen. Und sie müssen dem sinnlosen Antiamerikanismus ein Ende setzen, der heute den internationalen Diskurs belastet. Kein Bündnis kann funktionieren, wenn nicht alle seine Mitglieder ein Grundvertrauen ineinander haben und einen gleichen Teil der Verantwortung für die Schaffung eines auf Freiheit basierenden Friedens übernehmen.“