Photo: Duncan Adler from Unsplash (CC 0) Von Joost Haddinga, Transatlantic Tax Fellow bei Prometheus und der Tax Foundation von Februar bis Mai 2023. Er studiert Economics an der Tilburg University und schreibt seine Bachelorarbeit zu Optimal Taxation vor dem Hintergrund kultureller Einflüsse. Der Staat braucht Geld. Anders kann man keinen Sozialstaat finanzieren, anders können weder Schulen gebaut noch Polizisten bezahlt werden. Im Hinblick auf die Staatsfinanzierung stellt sich dem Ökonomen die Frage: Wie sorgt man dafür, dass dieser Prozess so effizient und effektiv wie möglich abläuft, sodass Steueraufkommen im gewünschten Maße generiert wird, aber dies so effizient und fair wie möglich geschieht? Und schon findet man sich in der mikroökonomischen Modellwelt wieder, in Nutzenfunktionen
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Von Joost Haddinga, Transatlantic Tax Fellow bei Prometheus und der Tax Foundation von Februar bis Mai 2023. Er studiert Economics an der Tilburg University und schreibt seine Bachelorarbeit zu Optimal Taxation vor dem Hintergrund kultureller Einflüsse.
Der Staat braucht Geld. Anders kann man keinen Sozialstaat finanzieren, anders können weder Schulen gebaut noch Polizisten bezahlt werden. Im Hinblick auf die Staatsfinanzierung stellt sich dem Ökonomen die Frage: Wie sorgt man dafür, dass dieser Prozess so effizient und effektiv wie möglich abläuft, sodass Steueraufkommen im gewünschten Maße generiert wird, aber dies so effizient und fair wie möglich geschieht? Und schon findet man sich in der mikroökonomischen Modellwelt wieder, in Nutzenfunktionen und vereinfachenden Annahmen, die diesen Versuch abzubilden versuchen. Was auf dem Papier dann mit umfangreicher mathematischer Kenntnis und unter vielen vereinfachenden Annahmen relativ leicht scheint, ist in der Realität jedoch sogar für Experten deutlich schwerer zu lösen. Vor allem zwei Aspekte spielen eine große Rolle, nämlich kulturelle Voraussetzungen und Informationszugang.
Kulturelle Voraussetzungen
Kultur, also die Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen, ist von Land zu Land unterschiedlich. Andere Länder, andere Sitten. Daher auch: andere Länder, andere Steuersysteme – und andere Bedürfnisse. Wo in dem einen Land der Individualismus hoch hängt oder in dem anderen Land die Rolle von Hierarchie stark ausgeprägt ist, sind andere Länder mehr von Kommunitarismus oder Risikoaversion geprägt. Die Ökonomien verschiedener Länder funktionieren also unterschiedlich – schon in verwandten kulturellen Kontexten: Während in Deutschland mehr auf langfristige und kollektive Lohnstabilität, Kooperation und sichere Arbeitsbedingungen gesetzt wird, stehen im angelsächsischen Raum Wettbewerb, Arbeitsmarktflexibilität und Disruption im Vordergrund. Diese andere Art des Umgangs führt zwangsläufig zu einer anderen Ausprägung des Sozialstaats und des Steuersystems. Hinzu kommt, dass die Definition von Gesellschaftsnutzen und die darin enthaltenen Parameter sich zwischen Ländern unterscheiden. Wo in dem einem Land die individuelle Nutzenmaximierung im Vordergrund steht, fokussieren sich andere Länder mehr auf gleiche Chancen, während wiederum andere Länder stärker auf Gleichheit oder den Kampf gegen den Klimawandel setzen – selbst um den Preis eines geringeren persönlichen Nutzens. Da die optimale Steuertheorie jedoch von einer individualistischen Nutzenmaximierung ausgeht, werden solche Aspekte oder andersartige Beurteilungen gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt in Optimierungsthematiken oft außer Acht gelassen.
Informationszugang
Der zweite Punkt im Hinblick auf die Schwierigkeiten, ein optimales Steuersystem zu gestalten, ist Information. Optimale Steuertheorie als normativer Ansatz für Politiker wird dadurch beschränkt, dass nicht alle Informationen greifbar sind. Diese Greifbarkeit wäre notwendig, um ein Optimum zu definieren und zu wissen, welche Faktoren wirklich für die Bevölkerung relevant sind im Hinblick auf Wohlstandsverteilung, die Ziele der Gesellschaft und die Verteilung von Gütern. Umfragen hierzu sind nur teilweise hilfreich, da Menschen Anreize haben, nicht die Wahrheit zu sagen: Sie haben damit die Möglichkeit, ihre wahren Präferenzen so umzuformulieren, dass sie ihnen zum maximalen Vorteil gereichen, ohne das Optimum für die Gesellschaft darzustellen. Beispielsweise im Fall der Steuerprogression: Obwohl Umverteilung eventuell gerecht wäre, würden sich disproportional wenige Reiche dafür aussprechen und so das Maß der Steuerprogression geringer als optimal ausfallen. Solange aber Informationen über die Präferenzen der Gesamtgesellschaft im Hinblick auf Armut und Chancengerechtigkeit, Selbstverantwortung und Sozialstaat nicht vollständig – oder zumindest gesamtgesellschaftlich repräsentativ – abgebildet werden können, kann auch eine Nutzenmaximierung nicht formulieren. Man muss weiter im Trüben fischen, und nur durch Zufall erfasst man vielleicht das Optimum. Eine zielgerichtete Annäherung an ein bestimmtes Optimum ist nicht möglich auf diese Weise. Da der Staat niemals im Vollbesitz aller relevanten Informationen sein kann, ist es nicht möglich ein Optimum vorzudefinieren. Dies formulierte Hayek in seiner Kritik am zentral geplanten Staat. Wissen ist auf alle Wirtschaftssubjekte verteilt und nur ihr Zusammenspiel kann eine effiziente Ordnung gewährleisten, Politiker können diese nicht mit Zwang herbeischaffen. Selbst mit Big Data bleibt es schwer, bestimmte Präferenzen zu erfassen und vollständig abzubilden. Daher ist es schwierig zu bestimmen, wie ein optimales Steuersystem aussehen soll.
Vereinfachung wäre die beste Optimierung
Die Schwierigkeiten in der Bestimmung eines steuerlichen Optimums für eine Gesellschaft führt letztendlich zu der folgenden Frage: Welche greifbaren Mittel sind verfügbar, so gut wie möglich Aufschluss über die Funktionsweise und Bedürfnisse einer Volkswirtschaft und Gesellschaft zu erhalten, nach denen das Steuersystem strukturiert werden kann? Diese Mittel können von Studien zu den primär gelebten kulturellen Werten über internationale Abkommen und Verhandlungen bis zu großflächigen Dialogen und Befragungen der Gesamtbevölkerung reichen. Die international akzeptierten Prinzipien guter Besteuerung sind Transparenz, Einfachheit, Effizienz und Stabilität. Sich an Effizienz oder sogar Fairness aufzuhalten, ist in diesem Spektrum das komplizierteste Vorgehen. Der Weg hin zu einem optimalen Steuersystem beginnt bei der Akzeptanz und dem Verständnis von Steuern und der Bereitstellung von Angeboten durch den Staat an sich. Gerade in Deutschland können wir an dieser Stelle noch viel lernen. Bevor man sich in komplexe Optimierungsthematiken versteigt, sollte man am einfachsten Punkt beginnen: dem Abbau von Komplexität und Wirrwarr im eigenen Steuersystem. Denn dann zahlen die Leute bereitwilliger und der Staat hat weniger Probleme, das für die öffentliche Wohlfahrt Bedachte einzusammeln.