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Steroide für den Staat

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Bild: mederndepe from Flickr (CC BY-SA 2.0) Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre. Die Maßnahmen gegen Covid-19 können unterschiedlich motiviert sein. Zum einen kann das legitime Ziel der Eindämmung des Virus verfolgt werden. Die Pandemie kann aber auch als Vorwand dienen, repressive Maßnahmen dauerhaft zu verankern. Das Corona-Virus hat Regierungen weltweit zur Einführung weitreichender Eindämmungsmaßnahmen veranlasst. Die Maßnahmen schränken persönliche Freiheiten zum Teil massiv ein. Betroffen sind Grundrechte wie die Bewegungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit. Viele Menschen erachten diese Einschränkungen angesichts der vom Virus ausgehenden

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Bild: mederndepe from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre.

Die Maßnahmen gegen Covid-19 können unterschiedlich motiviert sein. Zum einen kann das legitime Ziel der Eindämmung des Virus verfolgt werden. Die Pandemie kann aber auch als Vorwand dienen, repressive Maßnahmen dauerhaft zu verankern.

Das Corona-Virus hat Regierungen weltweit zur Einführung weitreichender Eindämmungsmaßnahmen veranlasst. Die Maßnahmen schränken persönliche Freiheiten zum Teil massiv ein. Betroffen sind Grundrechte wie die Bewegungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit. Viele Menschen erachten diese Einschränkungen angesichts der vom Virus ausgehenden Gefahr für geboten. Dennoch besteht die Gefahr, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen nicht wieder zurückgenommen werden, sobald die Pandemie überstanden ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte mit dem Verweis darauf, sie sei „ein freiheitsliebender Mensch“, dass alle Maßnahmen wieder aufgehoben würden. Auch angesichts der in Deutschland herrschenden Rechtsstaatlichkeit ist ihre Versicherung glaubwürdig. In einigen anderen Ländern gibt es mehr Grund zur Sorge um Freiheitsrechte.

Internationale Reaktion auf Corona

Weltweit haben Regierungen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie getroffen. Die Intensität der Maßnahmen unterscheidet sich allerdings. Wissenschaftler der Oxford Universität haben Daten zur Strenge der Corona-Maßnahmen verschiedener Länder zusammengetragen und in einem Index zusammengefasst. In den Index fließt ein, ob Schulen, Arbeitsstätten und der öffentliche Nahverkehr geschlossen werden, Veranstaltungen untersagt werden, Reisebeschränkungen im In- und ins Ausland bestehen oder ob öffentliche Informationskampagnen durchgeführt werden.

Für die erste Aprilhälfte 2020 ergibt sich folgendes Bild: Die strengsten Maßnahmen sind in Bermuda, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kroatien, Indien, Israel, Sri Lanka, Madagaskar, Mauritius, Neuseeland, Ruanda, Serbien, Slowenien, Syrien, Vietnam und Südafrika zu finden. Deutschland liegt auf Platz 109 von 150 Ländern – einen Platz hinter den Vereinigten Staaten. Die Länder mit den am wenigsten schwerwiegenden Maßnahmen in der ersten Aprilhälfte waren Nicaragua, Burundi, Taiwan, Sambia, Schweden, Tansania, Malawi und China.

Steroide für den Staat

Ein Blick auf die zeitliche Abfolge der getroffenen Maßnahmen zeigt, dass sie bis Ende Februar im Weltdurchschnitt moderat waren. Im März wurden die Maßnahmen allerdings deutlich verschärft. Diesem Trend ist Deutschland gefolgt.

Steroide für den Staat

Rechtsstaatlichkeit und Corona Maßnahmen

Die Maßnahmen gegen Covid-19 können unterschiedlich motiviert sein. Zum einen kann das legitime Ziel der Eindämmung des Virus verfolgt werden. Die Pandemie kann aber auch als Vorwand dienen, repressive Maßnahmen dauerhaft zu verankern.

Ob die Maßnahmen zurückgenommen werden, wenn sie epidemiologisch nicht mehr angezeigt sind, hängt möglicherweise davon ab, wie effektiv die Macht der Exekutive beschränkt ist. In Ländern mit schwach ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit könnten die Regierenden die Krisenmaßnahmen für ihre Zwecke missbrauchen. Anlass zur Sorge geben deshalb Länder, die zum einen eine schwach ausgeprägte Machtbeschränkung ihrer Regierung aufweisen und zum anderen besonders restriktive Maßnahmen in Reaktion auf die Corona-Pandemie getroffen haben.

Einen Einblick in die de facto Machtbeschränkung von Regierungen gibt der jüngst veröffentlichte Rule of Law Index des Worldjusticeprojects. In diesem wird basierend auf Umfragen ermittelt, wie gut Regierungshandeln de facto eingehegt ist, nicht de jure. Der Index erfasst 128 Länder. Spitzenreiter in der Kategorie „Machtbeschränkung der Regierung“ sind Norwegen und Dänemark. Venezuela und Nicaragua belegen die letzten Plätze. Deutschland liegt auf Platz 6 von 128 Ländern. Staaten mit wenig ausgeprägter Rechtssicherheit sind im Index vermutlich unterrepräsentiert. So sind einige afrikanische Länder und die der arabischen Halbinsel nicht berücksichtigt.

Steroide für den Staat

Venezuela, die Türkei und Ägypten gehören zu den Ländern mit besonders strengen Maßnahmen und besonders schwacher Machtbeschränkung der Regierung. Die Sorge liegt nahe, dass in diesen Ländern der Umgang mit der Pandemie zu einer langfristigen Beschneidung der Freiheitsrechte führt.

Katastrophen und Freiheit

Empirische Ergebnisse zum Effekt von Freiheitsbeschränkungen im Zuge von Epidemien auf die Ausgestaltung der Freiheitsrechte in der langen Frist liegen nicht vor und können der Erwartungsbildung in der aktuellen Situation somit nicht dienen. Eine Untersuchung Hamburger Forscher aus dem Jahr 2017 liefert allerdings ermutigende Ergebnisse basierend auf Untersuchungen anderer Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben oder Stürme. Sie finden keine Hinweise auf dauerhafte Einschränkungen von Menschenrechten und politischen Rechten im Nachgang solcher Ereignisse. Es bestehen der Untersuchung zufolge diesbezüglich auch keine Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern, auch nicht zwischen autokratischen und demokratischen Ländern.

In einem weiteren Papier finden der Hamburger Ökonom Stefan Voigt und sein dänischer Kollegen Christian Bjørnskov, beide IREF Fellows, dass die Ausrufung des Notstands in Folge einer Naturkatastrophe nicht dazu beiträgt, die Zahl der Verstorbenen zu verringern. Vielmehr scheinen Regierungen ihre zusätzlichen Befugnisse zu nutzen, um sich selbst besser zu stellen, wie die beiden Autoren in einem aktuellen Beitrag basierend auf ihrem Papier erläutern. In ihrer Untersuchung berücksichtigen Bjørnskov und Voigt die Schwere einer Katastrophe. Daher: Bei gleicher Schwere der Katastrophe verschlimmert die Ausrufung des Notstandes die Situation und es sind mehr Opfer zu beklagen. Dass inzwischen fast 100 Länder angesichts der Corona-Krise den Notstand erklärt haben, stimmt vor diesem Hintergrund sorgenvoll.

Bedrohliche Kombination: harsche Maßnahmen, lasche Machtkontrolle

Bezüglich der langfristigen Folgen der Einschränkung von Freiheitsrechten in Reaktion auf Epidemien liegen keine empirischen Ergebnisse vor. Eine Entwarnung bezüglich der Befürchtung, freiheitseinschränkende Maßnahmen könnten dauerhaft in Kraft bleiben, kann also nicht gegeben werden. Angesichts der im internationalen Vergleich durchschnittlich strengen Maßnahmen in Reaktion auf die Epidemie in Deutschland und eine relativ effektive Machtbeschränkung der Bundesregierung ist für Deutschland in dieser Frage Optimismus angezeigt. Für Menschen in anderen Ländern wie Venezuela, der Türkei oder Ägypten ist die Perspektive dagegen weniger optimistisch. Die Kombination harscher Maßnahmen gegen Corona und laxer Regierungskontrolle könnte zu einer stärkeren Einschränkung von Freiheitsrechten führen, auch nach Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderungen.

Erstmals erschienen bei IREF.

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