Wer über Wettbewerb schreibt, scheint irgendwie aus der Zeit gefallen. Wettbewerb klingt so hart und ungerecht. Manche verlieren im Wettbewerb und bleiben auf der Strecke. Wieder andere sind überaus erfolgreich und sammeln Reichtümer ungeahnter Ausmaße an. Deshalb wird dem Wettbewerb oft auch ein Adjektiv vorangestellt. Er dürfe nicht „ruinös“, müsse „gerecht“ und „fair“ sein. Dafür müsse der Staat sorgen, wird vielfach verlangt. Wenn jemand sogar dem politischen Wettbewerb das Wort redet und den zwischenstaatlichen Wettbewerb nicht geißelt, sondern gutheißt, dann ist das bestimmt einer dieser Manchesterliberalen – ein Ewiggestriger. Denn so einer redet bestimmt Steueroasen und Sozialdumping das Wort. Kurzum: die soziale Kälte sprießt
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Wer über Wettbewerb schreibt, scheint irgendwie aus der Zeit gefallen. Wettbewerb klingt so hart und ungerecht. Manche verlieren im Wettbewerb und bleiben auf der Strecke. Wieder andere sind überaus erfolgreich und sammeln Reichtümer ungeahnter Ausmaße an. Deshalb wird dem Wettbewerb oft auch ein Adjektiv vorangestellt. Er dürfe nicht „ruinös“, müsse „gerecht“ und „fair“ sein. Dafür müsse der Staat sorgen, wird vielfach verlangt. Wenn jemand sogar dem politischen Wettbewerb das Wort redet und den zwischenstaatlichen Wettbewerb nicht geißelt, sondern gutheißt, dann ist das bestimmt einer dieser Manchesterliberalen – ein Ewiggestriger. Denn so einer redet bestimmt Steueroasen und Sozialdumping das Wort. Kurzum: die soziale Kälte sprießt so einem aus allen Adern.
Roland Vaubel würde dies wahrscheinlich als Ehrenbeschreibung für sich gelten lassen. Er ist zwar kein Ewiggestriger. Aber sicherlich ein klassischer Liberaler, der seinen gut begründeten Überzeugungen auch dann noch folgt, wenn die allgemeine Stimmung gegen seine Thesen gerichtet ist.
Jetzt hat dieser Roland Vaubel, inzwischen emeritierte Professor für Volkswirtschaft in Mannheim, das Buch „Zwischenstaatlicher politischer Wettbewerb“ vorgelegt, dass das Wettbewerbsprinzip auf vielerlei politische Felder überträgt. In 17 Aufsätzen setzt er sich damit auseinander. Er beschäftigt sich historisch, ideengeschichtlich, theoretisch und anhand konkreter Beispiele mit dem politischen Wettbewerb – insbesondere in Europa. Schon zu Beginn beschreibt er den politischen Wettbewerb als das Erfolgsgeheimnis der Demokratie. Sie eröffnet den Bürgern Wahlmöglichkeiten. Ohne Alternativen gäbe es keine politische Partizipation. Je lebhafter der Wettbewerb zwischen den Politikern, desto stärker sei ihr Anreiz, sich an den Wünschen der Bürger zu orientieren.
Vaubel ist ein Anhänger von Friedrich August von Hayek, der den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren bezeichnet hat, und ihn sogar auf das Geldwesen übertragen wollte. Der Währungswettbewerb schütze die Bürger vor hoher Inflation, denn durch Wettbewerb könnten die Geldnutzer in stabilere Währungen abwandern. Historisch ist dies durchaus belegt. Fürsten und Könige wurden im Mittelalter durch den Geldwettbewerb in Europa in ihrer Manipulation des Gold- und Silbergehalts ihrer Münzen gehemmt, da Kaufleute in ganz Europa möglichst gutes Geld vorhalten wollten. Der Systemwettbewerb in Europa zwischen Staat und Kirche hat historisch zu einer Machtbalance geführt, die die Freiheit des Einzelnen gestärkt hat. Vaubel erinnert daran, dass zum Ende des Mittelalters der Orient und China ökonomisch auf Augenhöhe mit Europa waren. Der anschließende Rückfall dieser Regionen begründet er mit dem mangelnden Wettbewerb und dem Zentralismus dieser Regionen. Entscheidungen werden mal richtig und mal falsch getroffen. In einem zentralistisch organisierten Staat treffen falsche Entscheidungen der Politik dann aber viel mehr. Ein permanent Entdeckungsverfahren kann daher nicht stattfinden.
Anschaulich ist Vaubels Beispiel der europäischen Musik als Ausdruck des Wettbewerbs. Wie konnte die europäische Musik des Barock, der Klassik und der Romantik diesen Siegeszug auf der ganzen Welt erreichen? Auch hier bemüht Vaubel das Wettbewerbsprinzip. Im kleinräumigen Europa konnten die Herrscher ihre Untertanen nicht beliebig ausbeuten und unterdrücken. Kaufleute, religiöse Minderheiten und eben auch Musiker und Komponisten konnten sich ihren Staat und ihren Wohnort aussuchen. Je kleiner der Staat, je mehr Staaten es gab, desto geringer waren die Ausweichkosten. Die wichtigsten Förderer in der Zeit des Barock waren die Fürstenhöfe und Kirchen. Sie konkurrierten um die besten Musiker und Komponisten ihrer Zeit. Zu Zeiten des Barock sind gerade in den besonders dezentral organisierten Ländern Italien und Deutschland die größten Komponisten hervorgegangen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg existierten in Deutschland 300 eigenständige Fürstenhöfe. Dieser Umstand ermöglichte auch einen Innovationsschub. Die Fürsten des Barock waren für neue Stilentwicklungen offen, sie profilierten sich sogar damit. Der kritische Vergleich und der Entdeckungsmechanismus führten zu einem dynamischen Wettbewerb, und zu einer Verbreitung in die bürgerlichen Kreise hinein. All das hatte auch eine erhebliche ökonomische Bedeutung.
Roland Vaubel ist ein tolles Buch gelungen, das gerade dem liberal gesinnten Nachwuchs wärmstens empfohlen ist. Glauben doch viele, selbst unter Liberalen, dass Kleinstaaterei der Inbegriff des Rückschritts sei. Dies ist jedoch eine polemische Umdeutung des Begriffs. Eigentlich war dies eine entscheidende Grundlage für Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Demokratie in unserem Land.