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Verlorene Dekade

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In dieser Woche wird fast schon traumatisiert auf die Zeit vor 10 Jahren geblickt. Am 15. September 2008 meldete die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. Das Ereignis war das Armageddon der bis dahin geltenden Doktrin, die da lautete: die individuellen Risiken müssen möglichst breit verteilt werden, dann können systemische Krisen nicht stattfinden. Die „Verpackungsindustrie“ perfektionierte dieses Modell, indem sie schlechte mit vermeintlich guten Risiken in neue Finanzprodukte verpackte. So konnten auch schlechte Risiken an den Mann gebracht werden. Die Produkte waren am Ende so kompliziert, dass deren Inhalt nur noch von wenigen verstanden wurde. Die damalige KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier sagte zur Schieflage der

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Frank Schäffler considers the following as important: , ,

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Verlorene Dekade

In dieser Woche wird fast schon traumatisiert auf die Zeit vor 10 Jahren geblickt. Am 15. September 2008 meldete die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. Das Ereignis war das Armageddon der bis dahin geltenden Doktrin, die da lautete: die individuellen Risiken müssen möglichst breit verteilt werden, dann können systemische Krisen nicht stattfinden. Die „Verpackungsindustrie“ perfektionierte dieses Modell, indem sie schlechte mit vermeintlich guten Risiken in neue Finanzprodukte verpackte. So konnten auch schlechte Risiken an den Mann gebracht werden. Die Produkte waren am Ende so kompliziert, dass deren Inhalt nur noch von wenigen verstanden wurde. Die damalige KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier sagte zur Schieflage der staatseigenen Industriekreditbank (IKB) und ihres Geschäftsgebarens 2007: „Hunderte von Verträgen, jeweils 400 Seiten lang, für jedes einzelne der höchst fragwürdigen Kreditprodukte, mit denen sich die IKB verspekuliert hatte. Jeder Vertrag versehen mit Fußnoten, die auf den hinteren Seiten die wahren Risiken im Verborgenen halten.“ Das verstehe sie alles nicht. Ihre mangelnde Durchdringung kostete sie wenig später ihr Amt.

Gestern hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem EU-Parlament die Wirtschafts- und Finanzkrise für weitgehend überwunden erklärt. Man sollte Junckers Worte sehr ernst nehmen, denn sein berühmtestes Zitat lautet ja bekanntlich: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ Es scheint also ernst zu stehen um die Europäische Union.

Die Investitionen in Europa seien vor allem dank seines Juncker-Fonds wieder gestiegen. Bald würden 400 Milliarden Euro öffentliches und privates Kapital für Investitionen bereitstehen. Sehr viel Eigenlob schwingt dabei mit. Eigentlich macht der Juncker-Fonds das, was die Verpackungsindustrie damals auch gemacht hat. Er investiert in Bereiche, in die Investoren alleine nie investieren würden. Junckers Fonds übernimmt das erste Ausfallrisiko, um privaten Investoren das Risiko des Scheiterns abzunehmen. Der einzige Unterschied zu der Zeit vor 10 Jahren ist, dass damals die Risiken hinterher verstaatlicht wurden, während sie heute sofort vom Steuerzahler übernommen werden.

Letztlich redet Juncker die Situation schön. Nicht sein Juncker-Fonds sorgt für Wachstum in Europa, sondern das billige Geld der Notenbanken, insbesondere der EZB. Zwar wächst die Wirtschaft in der EU seit 21 Quartalen, wie Juncker ebenfalls stolz betont, aber die Verschuldung wächst viel dynamischer. Die Euro-Zone ist inzwischen mit 87 Prozent zur Wirtschaftsleistung verschuldet. Spanien mit 98 Prozent, Frankreich mit 97 Prozent und Italien mit 132 Prozent. Auf das Platzen der Blasen an den Finanzmärkten 2008 wurde mit neuen Schulden reagiert. In den letzten 10 Jahren ist die weltweite Verschuldung aller Marktakteure um 39 Prozent auf 247 Billionen Dollar gestiegen. Das sind 318 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Insbesondere die Verschuldung im staatliche Sektor ist enorm angestiegen (+81 Prozent), aber auch der Unternehmenssektor (+60 Prozent) ist besonders betroffen. Steigende Verschuldung geht einher mit einer steigenden Kreditvergabe der Banken und damit einer Ausweitung der Geldmenge. Dieses Geld sucht seine Anlagemöglichkeiten.

Die Erkenntnis, nicht erst seit der jüngsten Finanzkrise, ist, dass dieses Geld in Vermögensgüter wie Unternehmenswerte und Immobilien fließt. Deren Preise steigen durch das Überangebot an billigem Geld. Wenn Immobilienpreise steigen, dann steigen meist auch deren Mieten. Sozialdemokraten glauben in diesem Szenario, man müsse dann einfach einen Mietenstopp verhängen. Wenn der Gesetzgeber Mieterhöhungen verbietet, dann sei das Problem gelöst. Jetzt müsse nur noch der öffentliche Wohnungsbau gefördert werden, dann würde sich der Markt schon wieder entspannen. Tatsächlich haben diese Zentralplaner die Zusammenhänge nicht durchdrungen. Mieten bleiben nur dann bezahlbar, wenn neue Angebote entstehen. Weniger Bauvorschriften und mehr privater Wohnungsbau lassen bezahlbare Mieten entstehen.

Eigentlich hat die Bankenrettung 2007/2008 (IKB, Hypo Real Estate, Landesbanken) mittelbar die Mieterhöhungen in den Ballungszentren in Deutschland mitverursacht. Der Sozialdemokrat Peer Steinbrück war damals Bundesfinanzminister und trat gemeinsam mit Angela Merkel vor die Kameras, um die milliardenschweren Bankenrettungen zu begründen. Seitdem existiert auch die unorthodoxe Geldpolitik der Notenbanken, insbesondere der EZB. Der Zins ist seitdem manipuliert. Der bald scheidende EZB-Präsident Mario Draghi trägt dafür maßgeblich die Verantwortung. Er raubt Europa die Zukunft. Schon deshalb ist es grob fahrlässig, wenn jetzt die Bundeskanzlerin die Nachfolgefrage Draghis einfach laufen lässt und sich das deutsche Interesse auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker konzentriert. Bei allem Respekt: Was ist der Juncker-Fonds von fast 400 Milliarden Euro gegen das Aufkaufprogramm von bald 2.500 Milliarden Euro durch die EZB. Bestenfalls hat der Juncker-Plan keinen Schaden angerichtet. Das kann man von Draghis Aufkaufprogramm nicht sagen. Es hat unser Wirtschaftssystem abhängig gemacht vom billigen Zins. Wie Drogenabhängige wollen alle Regierungen, Unternehmen und Konsumenten diesen immer weiter für ihre Investitionen, ihren Konsum und ihren Müßiggang behalten. Daraus droht nicht nur eine verlorene Dekade, sondern weitere.

Erstmals veröffentlicht  auf Tichys Einblick.

Frank Schäffler
1997 bis 2010 selbstständiger Berater für die Marschollek, Lautenschläger und Partner AG (MLP), Wiesloch Seit 1987 engagiert in der Lokal- und Landespolitik in Nordrhein-Westfalen als Mitglied der FDP 2005 – 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestages Schäffler ist sehr verbunden mit dem freiheitlichen Denken in der Schweiz und ist daher in economicblogs.ch

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