Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus. Bis 2020 sollte in Deutschland der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 40 % gegenüber 1990 sinken, so der 2007 beschlossene Plan von Kanzlerin Merkel. Nachdem sich in den letzten Jahren abzeichnete, dass dieses Ziel deutlich verfehlt wird, erklärte die neue schwarz-rote Bundesregierung den Klimaplan Anfang des Jahres für gescheitert. Umweltpolitiker und Interessengruppen schlagen Alarm. Vielleicht sei das ursprüngliche Einsparungsziel tatsächlich nicht mehr zu halten, aber das könne nur
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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.
Bis 2020 sollte in Deutschland der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 40 % gegenüber 1990 sinken, so der 2007 beschlossene Plan von Kanzlerin Merkel. Nachdem sich in den letzten Jahren abzeichnete, dass dieses Ziel deutlich verfehlt wird, erklärte die neue schwarz-rote Bundesregierung den Klimaplan Anfang des Jahres für gescheitert.
Umweltpolitiker und Interessengruppen schlagen Alarm. Vielleicht sei das ursprüngliche Einsparungsziel tatsächlich nicht mehr zu halten, aber das könne nur bedeuten, dass künftig noch mehr Anstrengungen für den Klimaschutz zu unternehmen seien – durch neue Subventionen, einen schnelleren Kohleausstieg und gesetzliche Anreize zur Emissionsminderung.
Ein naheliegender Alternativvorschlag findet in der Diskussion dagegen wenig Gehör: Über das EU-weite Emissionshandelssystem ETS kann die Bundesregierung Verschmutzungsrechte erwerben. Lässt sie diese ungenutzt, trägt sie effektiv zum Klimaschutz bei, da die Gesamtmenge der Verschmutzungsrechte limitiert ist.
Deutschlands Emissionsziele
Es gibt drei wesentliche staatliche Mechanismen zur Emissionsreduzierung:
(1) Über das Emissionshandelssystem ETS wird der Ausstoß klimaschädlicher Gase in rund 45 % der EU-weiten Emissionsquellen reguliert. In jeder mehrjährigen Handelsperiode stellt die EU eine fixe Menge an zum Ausstoß klimaschädlicher Gase berechtigenden Zertifikaten bereit. Alle partizipierenden Unternehmen müssen anschließend eine ihren Emissionen entsprechende Menge an Zertifikaten vorweisen, die sie teils unentgeltlich erhalten, teils per Auktion ersteigern müssen. Über die Menge der in jeder Handelsperiode ausgegebenen Verschmutzungsrechte gibt die EU das Tempo der Emissionssenkungen in Europa – und damit auch in Deutschland – vor.
(2) Für die nicht im ETS integrierten Emissionsquellen – im Wesentlichen Verkehr, Gebäudeenergie und Landwirtschaft – gibt die EU im Rahmen der Lastenteilungsentscheidung länderspezifische Einsparziele vor. So soll Deutschland seine Emissionen in diesen Bereichen zwischen 2005 und 2020 um 14 % senken – ein Ziel, das zunehmend unrealistisch erscheint.
(3) Darüber hinaus gibt sich die Bundesregierungen Selbstverpflichtungsziele, aktuell etwa im Klimaschutzplan 2050. Frühere Ziele wie die sogenannten Meseberger Beschlüsse konnten nicht eingehalten werden. Ein wichtiger Grund für das Scheitern ist die unerwartet gute Konjunktur der letzten Jahre, die zu höheren Emissionen geführt hat.
Konventionelle Klimapolitik: Ineffizient und inflexibel
Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach zusätzlichen Subventionen und gesetzlichen Anreizen zur Emissionsreduktion wieder lauter. Doch Subventionen haben unerwünschte Umverteilungseffekte und sind teuer: Zu den direkt für die Steuerzahler anfallenden Kosten kommen indirekte durch Marktverzerrung entstehende Kosten hinzu. So zahlen deutsche Stromkunden schon heute auch aufgrund der EEG-Umlage europaweit mit die höchsten Strompreise.
Subventionsgetriebene Klimapolitik ist nicht nur teuer, sondern auch inflexibel. So ist eine 2018 ersonnene Subvention aufgrund langwieriger Gesetzgebungsverfahren kaum in der Lage, Emissionen schon zwei Jahre später effektiv zu senken. Einmal eingeführt, ist es allerdings schwer, eine Subvention wieder abzuschaffen, wenn ihre ursprüngliche Begründung längst weggefallen ist.
Ein weiteres Problem entsteht aus der Interaktion zwischen nationaler Klimapolitik und EU-weitem Emissionshandel: Da die in jeder Handelsperiode zur Verfügung stehende Menge an Verschmutzungsrechten EU-weit fixiert ist, führt jede aufgrund einer Subvention in Deutschland eingesparte Tonne lediglich zur Emission einer zusätzlichen Tonne in einem anderen europäischen Land – jedenfalls in den knapp 45 % der Emissionen umfassenden Sektoren, die derzeit im ETS integriert sind. Zwar verpuffen Subventionen so nicht gänzlich, doch ihr Einsparpotenzial wird damit relativ zu den durch sie verursachten Kosten eingeschränkt.
Alternative: Regierung kauft Verschmutzungsrechte
Als Alternative zur teuren und inflexiblen Subventionspolitik bietet sich die Beteiligung der Bundesregierung am europäischen Emissionshandel an. Kauft die Bundesregierung Unternehmen Zertifikate ab und lässt diese anschließend ungenutzt verfallen, entspricht dies einer durch die deutschen Steuerzahler finanzierten Reduktion der weltweiten Emissionen.
Auch zertifikatebasierte Klimapolitik ist nicht billig. Das Recht zur Emission einer Tonne CO2 kostet im ETS derzeit rund 16 Euro (Stand Juni 2018). Würde die Bundesregierung eine Großorder aufgeben, so würde dieser Preis steigen. Im Vergleich zur konventionellen Klimapolitik verspräche eine zertifikatebasierte Klimapolitik den Steuerzahlern dennoch substantielle Entlastungen, da die Verzerrungskosten herkömmlicher Subventionen vermieden würden. In europaweiter Perspektive würde zudem dafür gesorgt, dass die Einsparungen effizient vorgenommen werden.
Einsparungsziele durch Zertifikatekauf realisierbar
Auch das 2007 formuliert Ziel, Deutschlands Emissionen bis 2020 relativ zu 1990 um 40 % zu senken, könnte mittels eines entsprechenden Zertifikatkaufs erreicht werden. 2017 wurden in Deutschland etwa 904,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Um die Differenz zu den ab 2020 nur noch erlaubten 751 Millionen Tonnen zu überbrücken, wäre der Kauf von 153 Millionen Zertifikaten nötig – eine solche Order kostet zu heutigen Preisen 2,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat im Jahr 2016 Kosten von rund 22 Milliarden Euro verursacht.
Die Verpflichtung gegenüber der EU ließe sich über den Zertifikatekauf dagegen nicht vertragsgenau einhalten, schließlich beziehen sich die darin formulierten Einsparungsziele auf jene Emissionsquellen, die nicht vom ETS abgedeckt werden. Das ist bedauerlich, da effizienter zu realisierende Einsparungen in durch das ETS abgedeckten Emissionsquellen nicht gegen weniger effiziente Einsparungen in Nicht-ETS-Emissionsquellen aufgerechnet werden können. Solange diese Emissionsquellen nicht integriert sind, sollte die EU erwägen, es Regierungen zu erlauben, etwaige Lücken gegenüber den Zielvorgaben durch den Kauf von ETS-Zertifikaten zu schließen. Für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, in welchen Industrien die Einsparungen vorgenommen werden.
Ein unmoralischer Ablasshandel?
Kritiker bezeichnen Unternehmen, die ihren Kunden klimaneutrale Produkte per Zertifikatekauf anbieten als „moderne Ablasshändler“. Der Kritik liegt die Vorstellung zugrunde, dass jeder Emittent für den durch ihn angerichteten Schaden moralisch verantwortlich ist und diesen daher selbst zu beheben hat – selbst, wenn es effizienter wäre, andere für eine klimaäquivalente Schadensbehebung zu bezahlen. Auch die Bundesregierung träfe die Kritik, sich „freizukaufen“, sollte sie die Klimapolitik zukünftig auf den Kauf von Zertifikaten beschränken und Unternehmen somit dafür bezahlen, weniger Emissionen auszustoßen.
Derartige Kritik übersieht allerdings, dass auch die heutige Subventionspolitik einem „Ablasshandel“ entspricht. Der Übergang zu einer zertifikatebasierten Klimapolitik würde lediglich bewirken, dass die Steuerzahler zusätzlich zu inländischen Unternehmen auch ausländische Unternehmen für Emissionsreduktionen bezahlen.
Emissionshandel stärken
Schwerwiegendere Kritik am Vorschlag einer zertifikatebasierten Klimapolitik speist sich aus der derzeit nur eingeschränkten Reichweite des ETS. Nur wenn möglichst viele wichtige Emissionsquellen in das ETS einbezogen werden, bewirkt dieses eine EU-weite Priorisierung von Emissionseinsparungen in jenen Bereichen, in denen diese am kostengünstigsten sind.
Zwar werden die Reichweite des ETS steigernde Reformen bereits diskutiert. Doch der Einbezug von Privathaushalten (ca. 10 % der Emissionen), Dienstleistungssektor (ca. 4 %) sowie Verkehrssektor (ca. 17,7 %) würde zu erheblichen Transaktionskosten führen. Zwar ist vorstellbar, dass die europäischen Regierungen den notwendigen Zertifikatekauf stellvertretend für ihre Bürger vornehmen, etwa auf Basis einer jährlichen Schätzung der aus diesen Quellen entsprungenen Emissionen. Eine solche Stellvertreterlösung würde jedoch zu Trittbrettfahrerverhalten einladen und die Effizienz des ETS mindern.
Trotz dieser Schwierigkeiten stellt das ETS für die Bundesregierung bereits heute ein vielversprechendes Instrument zur Realisierung selbstgesteckter Einsparungsziele dar. Die Vorteile gegenüber der konventionellen subventionsbasierten Klimapolitik – eine geringere Verzerrungswirkung und flexiblere Anwendungsmöglichkeiten – wachsen in dem Maße, in dem es zukünftig gelingt, weitere Emissionsquellen in das ETS einzubeziehen. Statt auf die Einführung neuer Subventionen hinzuwirken, sollten am Klimaschutz interessierte Interessengruppen und Umweltpolitiker daher auf die Ausweitung des ETS und die Nutzung des Zertifikatekaufs als klimapolitische Maßnahme durch die Bundesregierung pochen.
Zuerst veröffentlicht bei IREF.