Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus. Die gesetzliche Mietpreisbremse funktioniert nicht. Das liegt nicht an den Vermietern. Tatsächlich sind es die Mieter, die auf die gesetzlich festgelegte Deckelung der Mietsteigerung freiwillig verzichten. Dafür haben sie gute Gründe. Am 1. Juni 2015 beschloss die Bundesregierung das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“, kurz: die Mietpreisbremse. Die Preisregulierung besagt, dass die Miete für eine Wohnung bei Abschluss eines neuen Mietvertrags um
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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.
Die gesetzliche Mietpreisbremse funktioniert nicht. Das liegt nicht an den Vermietern. Tatsächlich sind es die Mieter, die auf die gesetzlich festgelegte Deckelung der Mietsteigerung freiwillig verzichten. Dafür haben sie gute Gründe.
Am 1. Juni 2015 beschloss die Bundesregierung das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“, kurz: die Mietpreisbremse. Die Preisregulierung besagt, dass die Miete für eine Wohnung bei Abschluss eines neuen Mietvertrags um maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen kann. Erklärtes Ziel der Mietpreisbremse ist es, den Mietanstieg in Ballungsräumen abzumildern. Ein Jahr nach Einführung mehren sich die Hinweise darauf, dass die Mietpreisbremse ihre erklärten Ziele verfehlt und den Mietanstieg in den Ballungsräumen nicht abmildert.
Mieter sind kaum bereit, niedrigere Mieten einzuklagen – aus gutem Grund: Angesichts starker Konkurrenz um knappe Mietwohnungen ist die Mietzahlungsbereitschaft ihr wichtigstes Verhandlungsinstrument. Verbraucherschutzminister Heiko Maas fordert nun eine strengere Anwendung des Gesetzes. Sinnvoller wäre es, die Mietpreisbremse wieder abzuschaffen und den Neubau von Wohnungen zu erleichtern.
Steigende Mieten in Ballungsräumen
In vielen deutschen Großstädten steigen die Mieten seit Jahren überdurchschnittlich, was vor allem auf den verstärkten Zuzug in Ballungsräume zurückzuführen ist. Berlin (Anstieg der Durchschnittsmiete von 2014 bis 2016 um 12%), München (27%) und Stuttgart (62%) gehören zu den Wohnungsmärkten Deutschlands, auf denen die Mieten in letzter Zeit deutlich gestiegen sind.
Die Mietpreisbremse ermöglicht es den Bundesländern nun auf Basis von Indikatoren wie vergangener Mietsteigerungen und der Bevölkerungsentwicklung einzelne Postleitzahl-Bezirke zu „angespannten Wohnungsmärkten“ zu erklären. In diesen Gebieten darf die Miete einer Wohnung, die bereits vor dem 1. Oktober 2014 bewohnt und vermietet wurde, bei Abschluss eines neuen Mietvertrags maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bisher haben elf Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Für Neubauten, Renovierungen und Modernisierungen gelten Ausnahmen.
Anfängliche Euphorie verflogen
Mietervereine meldeten kurz nach Einführung der Mietpreisbremse Erfolge in Form von geringeren Mietsteigerungen. Die regierende SPD sprach von einem „Volltreffer“. Das IW Köln und Interessengruppen aus der Bauwirtschaft warnten zwar vor möglichen negativen Folgen in Form von geringerer Bautätigkeit und sinkendem Wohnungsangebot, vermuteten aber ebenfalls eine starke Wirkung des Gesetzes auf dem Mietmarkt. Rund ein Jahr nach Einführung ist die anfängliche Euphorie der einen Seite jedoch verflogen und die Befürchtungen der anderen Seite bleiben unbestätigt, denn neuere Studien bewerten die Mietpreisbremse als weitgehend wirkungslos.
Untersuchungen der Mietangebote in Großstädten legen nahe, dass der durch die Mietpreisbremse vorgegeben Korridor in vielen Großstädten weiterhin übertreten wird. Exemplarisch zeigen drei durch den Berliner Mieterverein in Auftrag gegebene Studien, dass die Angebotsmieten in der Hauptstadt ein Jahr nach Einführung die durch die Mietpreisbremse vorgegeben Kappung um 21 Prozentpunkte übertreffen, die Angebote also nicht durchschnittlich 10 % über der ortsüblichen Vergleichmiete liegen, sondern 31 %. Auch in anderen Großstädten wird der vorgegebene Mietkorridor überschritten. Die erwünschte Preisanstiegsdämpfung wurde offensichtlich in vielen Großstädten nicht erreicht.
Gesetz bleibt wirkungslos
Auch angesichts dieser Ergebnisse wäre es jedoch vorstellbar, dass die Mieten ohne die Preisbremse noch stärker gestiegen wären – was aus Sicht der Regulierer zumindest einem Teilerfolg des Gesetzes gleichkommen würde. Um den kausalen Effekt der Preisbremse auf die Mietentwicklung zu ermitteln, ist es daher nötig, zu schätzen, wie sich die Mieten in betroffenen Gebieten entwickelt hätten, wenn die Preisbremse nicht eingeführt worden wäre. Zu diesem Zwecke bietet es sich beispielsweise an, die Mietentwicklung in regulierten Bezirken mit der Mietentwicklung in benachbarten unregulierten Bezirken zu vergleichen.
Eine entsprechende Studie des DIW legt nahe, dass die Preisbremse zwar kurz vor Einführung zusätzliche Mieterhöhungen bewirkte– offenbar haben Vermieter in Antizipation der Gesetzeseinführung ohnehin angestrebte Mieterhöhung vorgezogen. Langfristig hat die Preisregulierung jedoch keine Auswirkungen auf die Mietentwicklung. Auch die Preise für bereits bestehendes Wohneigentum, in denen sich die erwarteten Erträge zukünftiger Vermietung widerspiegeln, sind kaum betroffen. Die Bautätigkeit wurde durch das Gesetz nicht wesentlich beeinflusst.
Marktakteure umgehen Regulierung
Die Wirkungslosigkeit der Mietpreisbremse ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass viele Mieter und Vermieter die Preisregulierung ignorieren. Vermieter müssen so beim Verstoß gegen die Mietkappung in der Regel keine Sanktionen befürchten. Die Einhaltung des zehnprozentigen Korridors wird derzeit nicht durch Behörden kontrolliert, sondern muss durch betroffene Mieter eingeklagt werden. Zu solchen Klagen sind offensichtlich nur wenige Mieter bereit, vermutlich auch, weil es wenig attraktiv erscheint, einen gerade erst gewonnen Vertragspartner zu verklagen.
Verbraucherschutzminister Heiko Maas sieht daher den Staat in der Pflicht. Zukünftig sollen Vermieter verpflichtet werden, die Entwicklung des Mietpreises eines Objekts in Annoncen anzugeben. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Information Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit eines Mietangebots mit der Mietpreisbremse erlauben soll – um dies zu beurteilen, müsste beispielsweise ein örtlicher Mietspiegel herangezogen werden. Doch hinter dem Vorschlag steckt die Vorstellung, dass Mieter schlecht informiert wären und ihre Rechte aus Unwissen nicht wahrnähmen.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die meisten Mieter in Ballungsräumen angesichts der Konkurrenz um knappe Mietwohnungen nicht bereit sind, auf ihren wichtigsten Verhandlungshebel, die Miethöhe, zu verzichten. Denn anders als Maas behauptet, bestimmen die Vermieter auf dem Mietmarkt nicht alleine über die Miethöhe. Sie ergibt sich selbstverständlich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Die hohen Mietsprünge verdeutlichen, dass viele Mieter bereit sind, für eine Wohnung in aus ihrer Sicht attraktiven Vierteln höhere Mieten zu zahlen.
Mietangebot ausweiten
Eine tatsächlich wirkende Mietkappung würde diesen Mietern nicht nur ihren wichtigsten Verhandlungshebel nehmen und bewirken, dass tendenziell weniger Wohnungen an die Mieter mit der höchsten Zahlungsbereitschaft vermietet werden. Langfristig würden sinkende Renditeerwartungen der Investoren zu geringerer Bau- und Renovierungstätigkeit und verstärkter Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen führen, für die keine Kappung des Verkaufspreises besteht. Die Verhandlungsposition der Mieter gegenüber den Vermietern würde so nur weiter geschwächt.
Will der Verbraucherschutzminister die Position der Mieter tatsächlich stärken, so sollte er sich für die Deregulierung der Bauvorschriften einsetzen, die beispielsweise im Zuge der Energieverordnung zuletzt gar verschärft wurden. Auch die verstärkte Ausweisung von Bauland – wo möglich – könnte die Bautätigkeit anregen und Mietern mehr Optionen geben.