In der EU gibt es bereits ein “Steuerkartell”, aber an einem Mindestsatz der Körperschaftsteuer von 15 Prozent sind nicht alle Mitgliedstaaten interessiert. Das Problem der Steuervermeidung lässt sich besser dadurch lösen, dass Unternehmen nicht nur an ihrem Sitz besteuert werden, sondern in allen Ländern, in denen sie Gewinne machen. Auf Vorschlag der amerikanischen Finanzministerin Janet Yellen haben die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der Group of Seven (G7) bei ihrem Treffen in Cornwall einen Mindeststeuersatz der Körperschaftssteuer von 15 Prozent vereinbart, den sie zumindest innerhalb der EU und der OECD durchsetzen wollen. In der EU haben vier Länder niedrigere Körperschaftssteuersätze: Ungarn (9%), Bulgarien (10%), Irland und Zypern (beide 12,5%). Auf dem
Topics:
Roland Vaubel considers the following as important:
This could be interesting, too:
Dirk Niepelt writes “Report by the Parliamentary Investigation Committee on the Conduct of the Authorities in the Context of the Emergency Takeover of Credit Suisse”
Investec writes Federal parliament approves abolition of imputed rent
investrends.ch writes Novo Nordisk Studie bringt Absturz
Urs Birchler writes Der “Regulatorische Filter”: Das Filetstück des PUK-Berichts:
In der EU gibt es bereits ein “Steuerkartell”, aber an einem Mindestsatz der Körperschaftsteuer von 15 Prozent sind nicht alle Mitgliedstaaten interessiert. Das Problem der Steuervermeidung lässt sich besser dadurch lösen, dass Unternehmen nicht nur an ihrem Sitz besteuert werden, sondern in allen Ländern, in denen sie Gewinne machen.
Auf Vorschlag der amerikanischen Finanzministerin Janet Yellen haben die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der Group of Seven (G7) bei ihrem Treffen in Cornwall einen Mindeststeuersatz der Körperschaftssteuer von 15 Prozent vereinbart, den sie zumindest innerhalb der EU und der OECD durchsetzen wollen. In der EU haben vier Länder niedrigere Körperschaftssteuersätze: Ungarn (9%), Bulgarien (10%), Irland und Zypern (beide 12,5%). Auf dem Balkan kommen Montenegro (9%) sowie Bosnien und Herzegowina (10%) hinzu. In der OECD sind neben Irland und Ungarn einige schweizerische Kantone betroffen – insbesondere Zug (insgesamt 11,9%) und Genf (insgesamt 14%). Der durchschnittliche Körperschaftssteuersatz (Bundessteuer plus kantonale Steuer) liegt in der Schweiz bei 14,93%. Für Holdings gelten zum Teil niedrigere Sätze. Überhaupt keine Körperschaftssteuer gibt es auf den Bahamas.
Werden die G7 ihre Pläne durchsetzen können? Die Bahamas waren eine britische Kolonie und erkennen noch heute die Queen als ihr Staatsoberhaupt an. Sie wird – wie in Australien – durch einen Gouverneur vertreten. Aber die Bahamas sind in der Gestaltung ihrer Steuerpolitik völlig unabhängig. Auch die OECD kann keinen Mitgliedstaat zwingen, seinen Körperschaftssteuersatz zu erhöhen. In der EU schließlich dürfen Maßnahmen, die dazu dienen, “einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital … gewährleistet ist” (Art. 26, Abs. 1 AEUV), herzustellen, mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, aber diese Möglichkeit “gilt nicht für die Bestimmungen über die Steuern” (Art. 114, Abs.2 AEUV). Außerdem sind international unterschiedliche Körperschaftssteuersätze durchaus mit freiem Kapitalverkehr vereinbar. Eine “strategy of raising rivals’ costs” per Mehrheitsentscheidung ist daher bei der Körperschaftssteuer nicht möglich. Ist ein einstimmig vereinbartes “Steuerkartell” zu erwarten? Dafür gibt es nämlich einen Präzedenzfall.
Ein EU-Steuerkartell gibt es bereits
Seit 1993 gilt in der EU/EG/EWG ein Mindestnormalsteuersatz von 15 Prozent für die Mehrwertsteuer. In drei Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, hatte der Steuersatz davor unter 15 Prozent gelegen. Der Mindeststeuersatz versetzte den damaligen deutschen Finanzminister trotz eines widerspenstigen Parlaments (Bundesrates) in die Lage, die Mehrausgaben, die sich aus der Wiedervereinigung ergaben, zum Teil durch höhere Mehrwertsteuereinnahmen zu finanzieren. Das deutsche Parlament war verpflichtet, die EWG-Richtlinie zu implementieren. Was das Europäische Parlament betrifft, war die Richtlinie nicht zustimmungsbedürftig. Die parlamentarische Steuerhoheit, das vornehmste Recht der Parlamente, war also nicht gewahrt. Der Mindeststeuersatz wurde als Mittel der “Steuerharmonisierung” deklariert. Da kein Höchststeuersatz eingeführt wurde, liegt jedoch der Verdacht nahe, dass es in erster Linie darum ging, die Steuern zu erhöhen. Die EU-Staaten, die heute von dem Mindeststeuersatz betroffen wären (Ungarn, Bulgarien, Irland und Zypern), scheinen aber – anders als 1993 – nicht an einer Erhöhung ihres Steuersatzes interessiert zu sein. Könnte man ihnen ihre Zustimmung abkaufen? Oder wird der Mindeststeuersatz auf 9 Prozent (wie in Ungarn) abgesenkt?
Gewinne besteuern, wo sie anfallen
Die G 7 will verhindern, dass multinationale Unternehmen ihren Firmensitz in Länder verlegen, in denen sie nur gering besteuert werden. Die Unternehmen sollen überall mindestens 15 Prozent Körperschaftssteuer zahlen. Das Problem der Steuervermeidung kann man aber auch dadurch lösen, dass man die Unternehmen nicht nur an ihrem Sitz besteuert, sondern in allen Ländern, in denen sie Gewinne machen. Dem können sich die lokalen Unternehmensteile nicht entziehen.
Die nationale Zuordnung der Gewinne hat gegenüber dem Mindeststeuersatz drei wichtige Vorteile. Erstens kann der von den Bürgerinnen und Bürgern gewünschte Steuersatz von Land zu Land verschieden sein – zum Beispiel, weil die gewünschte Staatsausgabenquote variiert. Zweitens funktioniert die Zuordnungslösung in den beteiligten Ländern auch dann, wenn sich nicht alle Länder beteiligen. Drittens ist zu bedenken, dass die Regierenden daran interessiert sind, sich mehr (Ausgaben-) Macht zu verschaffen, als die Bürgerinnen und Bürger wünschen. Mindeststeuersätze sind ein Mittel dazu.
©KOF ETH Zürich, 1. Jul. 2021