Die EZB legte als Reaktion auf die Pandemie das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) auf. Anders als in der Eurokrise stürzten die Preise der Staatsanleihen nicht ab. Der Ausbau zu einem Europäischen Solidaritätsmechanismus würde den Euro krisensicher machen und nichts kosten. Im März 2020 beschloss der EZB-Rat das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Dieses Ankaufprogramm sollte dafür sorgen, dass die Zinsdifferenzen zwischen deutschen und nicht-deutschen Staatsanleihen im Euroraum nicht auseinanderdriften, wie es noch in der Eurokrise von 2010 der Fall war. Damals waren die Preise der Staatsanleihen von Griechenland und anderen Krisenländern gefallen, weil die Investoren sich nicht sicher waren, ob die jeweilige Regierung zahlungsfähig sein würde. Die EZB
Topics:
Dirk Ehnts considers the following as important:
This could be interesting, too:
Swiss National Bank writes New on the website 1970-01-01 01:00:00
Dirk Niepelt writes “Report by the Parliamentary Investigation Committee on the Conduct of the Authorities in the Context of the Emergency Takeover of Credit Suisse”
Investec writes Federal parliament approves abolition of imputed rent
investrends.ch writes Novo Nordisk Studie bringt Absturz
Die EZB legte als Reaktion auf die Pandemie das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) auf. Anders als in der Eurokrise stürzten die Preise der Staatsanleihen nicht ab. Der Ausbau zu einem Europäischen Solidaritätsmechanismus würde den Euro krisensicher machen und nichts kosten.
Im März 2020 beschloss der EZB-Rat das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Dieses Ankaufprogramm sollte dafür sorgen, dass die Zinsdifferenzen zwischen deutschen und nicht-deutschen Staatsanleihen im Euroraum nicht auseinanderdriften, wie es noch in der Eurokrise von 2010 der Fall war. Damals waren die Preise der Staatsanleihen von Griechenland und anderen Krisenländern gefallen, weil die Investoren sich nicht sicher waren, ob die jeweilige Regierung zahlungsfähig sein würde. Die EZB beschloss, dass die Preise der Staatsanleihen nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen würden und sah von Ankaufprogrammen ab. Damit wurde die Preissetzung dem Markt überlassen.
Die Frage der Rückzahlung von fälligen Staatsanleihen hängt davon ab, ob die griechische Regierung Geld ausgeben darf. Analog zu Deutschland ist das dann der Fall, wenn die griechische Zentralbank grünes Licht gibt (Ehnts 2020). Sie bucht dann die Konten der Zahlungsempfängerinnen und -empfänger hoch, während sie das Konto der Regierung belastet und somit in den negativen Bereich treibt. Dies darf sie aber nur innerhalb eines Tages, da die Regeln der Eurozone eine „Finanzierung“ der Staaten – gemeint ist die Durchführung der Ausgaben – durch die Zentralbank nicht erlauben. Wie bekommt die griechische Regierung ihr Konto bei ihrer Zentralbank wieder auf null?
Zum Zusammenspiel von Zentralbanken und Staatsausgaben
Auf dem Zentralbankkonto der Regierung landen die Steuerrückflüsse und die Rückflüsse aus Staatsanleihenverkäufen. Dabei ist festzuhalten, dass der Staat erst Euros in Umlauf bringen muss, bevor mit dem Guthaben bei der Zentralbank Steuern gezahlt werden können. Entgegen dem weit verbreiteten Irrtum, dass wir unsere Steuern mit Giralgeld zahlen (Guthaben bei Banken), werden für Steuerzahlungen Einlagen bei der Bundesbank (Reserven) bewegt. Dies liegt daran, dass die Empfängerkonten meist bei der Bundesbank angelegt sind. Auch für Bundesländer und Kommunen ist es häufig so. Aber selbst wenn die Konten bei Sparkassen oder Landesbanken angesiedelt sind, werden für die Überweisungen Reserven benötigt (sofern die Zahlungen nicht gestundet und aufgerechnet werden). Das gleiche gilt für die Käufe von Staatsanleihen, welche am Primärmarkt durch Banken getätigt werden.
Da der Staat durch Steuerrückflüsse und die Rückflüsse aus Staatsanleihenverkäufen seine eigene Währung wieder einsammelt, kann man dieses nach Rückfluss nicht mehr als „Währung“ bezeichnen. Die Bundesregierung beispielsweise mag auf ihrem Konto bei der Bundesbank ein Guthaben aufweisen, nur ist das ein Schuldschein im Besitz des oder der AusstellerIn. Ähnlich wie mich der Besitz eines Schuldscheins, welcher eine Zahlung von einer Million Euro von Dirk Ehnts am 31.12.2021 verspricht, nicht zum Millionär macht, kann der Staat nicht davon ausgehen, dass sein Guthaben bei der Zentralbank ihn reich macht. Moderne Währung stellt Steuergutschriften dar und solange sich diese nicht im Besitz des nicht-staatlichen Sektors befinden, können sie nicht als Währung angesehen werden (Ehnts und Paetz 2019). Analog dazu würde ein Kinobesitzer nicht als reich angesehen werden, wenn er eine Million Eintrittskarten für sein Kino besitzt.
Bei Rezession: selbsterfüllende Prophezeiungen
Insofern dient das Zentralbankkonto der Bundesregierung dazu, die Ampel für die Zentralbank auf grün zu stellen. Sie darf bei einem nicht-negativen Kontostand Überweisungen für die Regierung durchführen. Dabei erhöht sie einfach das Konto der empfangenden Bank. Diese wiederum erhöht das Guthaben ihrer Kundin oder ihres Kunden, sofern die Bank selbst nicht die Empfängerin ist. Das Konto der Regierung wird entsprechend negativ.
Steuerrückflüsse sind abhängig von der konjunkturellen Situation, die eine Regierung häufig weder zu verantworten hat noch kontrollieren kann. Wenn die Steuerrückflüsse zurückgehen, weil eine Depression herrscht, muss die Regierung mehr Staatsanleihen verkaufen, um ihr Konto wieder auf null zu bringen und so ihre Ampel bei der Zentralbank wieder auf grün zu schalten. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Wenn die neuen Staatsanleihen keine Käuferinnen und Käufer finden, dann können die alten Staatsanleihen nicht ausbezahlt werden. Insofern kommt es zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Sind die Banken am Primärmarkt überzeugt, dass sie als Ganzes nicht genügend neue Staatsanleihen kaufen, werden sie keine neuen Staatsanleihen kaufen (und ihre alten Staatsanleihen verkaufen), weil für deren Auszahlung nicht genügend Geld da sein wird. Da die Regierung nun ihr Konto nicht wieder auf null bringen kann, wird die Ampel auf Rot stehen und die Zentralbank kann nicht tätig werden.
Wie ein Europäische Solidaritätsmechanismus die Eurozone krisensicherer macht
Durch das PEPP der EZB wissen nun die Investorinnen und Investoren, dass sie ihre Staatsanleihen immer an die EZB verkaufen können. Dadurch entfällt jegliches Risiko, denn selbst wenn ein Land der Eurozone zahlungsunfähig werden sollte, wären die Investorinnen und Investoren gerettet. Sie bekommen ihr Geld von der EZB, der sie die Staatsanleihen verkaufen. Also kaufen sie gerne alle Staatsanleihen, welche die Länder der Eurozone anbieten und stellen somit deren Zahlungsfähigkeit sicher. Dies erklärt beispielsweise, warum die Nachfrage nach griechischen Staatsanleihen Mitte 2021 ungebrochen ist (Winkler 2021). Im Gegensatz zu den frühen 2010er Jahren entsteht somit kein sog. „doom loop“. Als damals die Staatsanleihenpreise fielen, entwerteten sich somit ein Großteil der Sicherheiten der jeweiligen nationalen Banken, die jeweils ihre Staatsanleihen im Portfolio hielten. Dadurch kam es zu Liquiditätsproblemen, denn die Banken konnten in der Krise weniger Reserven von der EZB leihen. Dieses brauchen sie, um Bargeld auszahlen und mit anderen Banken in den Zahlungsverkehr treten zu können.
Die fallenden Anleihenpreise bereicherten damals die Spekulantinnen und Spekulanten, während die Sparerinnen und Sparer durch diese und den folgenden Anleihentausch („private sector involvement“) geschädigt wurden. Zudem ist es makroökonomisch gesehen unklug, dass in einer schweren Wirtschaftskrise die Zinsen steigen und der Staat in die Nähe einer Zahlungsunfähigkeit rutscht. Das PEPP der EZB zeigt, dass dies nicht sein muss. Das Finanzsystem ist instabil, kann aber durch die Interventionen der Zentralbank vor einem Zusammenbruch bewahrt werden (Wullweber 2021). Der Europäische Stabilitätsmechanismus kann dazu beitragen, die Eurozone krisensicher zu machen. Er würde die europäischen Bürgerinnen und Bürger keinen einzigen Euro kosten. Die EZB würde sicherstellen, dass damit die Demokratie auch in Krisenzeiten geschützt ist vor Eingriffen in die nationale Souveränität. So bleiben die nationalen Regierungen handlungsfähig und sind nicht gezwungen, die Interessen der Staatsanleihenbesitzerinnen und -besitzer gegen jene der Wählerinnen und Wähler abzuwägen. Eine Befriedung dieses politischen Konflikts ist dringend angezeigt, denn er hat die Eurozone bereits politisch stark geschädigt. Sollte eine Mandatsänderung dazu nötig sein, so wäre dies sinnvoll. Allerdings gehört die Sicherung von Liquidität und Solvenz der jeweiligen Regierung zu den Standardaufgaben einer Zentralbank. Auch die Preisstabilität kann besser erreicht werden, wenn die Staatsanleihenpreise in einer Krise nicht abstürzen und dann zu Kürzungen der Staatsausgaben führen.
Mit dem Europäischen Solidaritätsmechanismus wird die Demokratie gestärkt. Die Regierungen werden in die Lage versetzt, auf Krisen und gesellschaftliche Defizite angemessen reagieren zu können. Der Spekulation mit Staatsanleihen wird ein Riegel vorgeschoben und auch der „doom loop“, welcher die jeweiligen Bankensysteme gefährden würde, wäre beendet. Kosten fallen bei dieser Reformmaßnahme nicht an. All das spricht für den Europäischen Solidaritätsmechanismus.
Ehnts, Dirk (2020), Geld und Kredit: Eine €-päische Perspektive, Marburg: Metropolis
Ehnts, Dirk und Michael Paetz (2019), Die Modern Monetary Theory: Staatsschulden als Steuergutschriften, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 88(4), S. 1–14
Ehnts, Dirk und Michael Paetz (2021), Wie finanzieren wir die Corona-Schulden?, Wirtschaftsdienst 101(3), S. 200-206
Winkler, Matthew (2021), Bond Investors Love Greece. Really. Bloomberg, 20. Mai 2021, https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2021-05-20/bond-investors-love-greece-really
Wullweber, Joscha (2021), Zentralbankkapitalismus, Berlin: Suhrkamp
©KOF ETH Zürich, 2. Jul. 2021