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Corona-Krise: Angebots- statt Nachfragepolitik

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Bisherige wirtschaftspolitische Reaktionen auf die Corona-Krise in Deutschland und der Europäischen Union waren überwiegend nachfragepolitisch statt angebotspolitisch orientiert. Dieser Beitrag schlägt vor, den Unternehmen den entgangenen Gewinn, approximiert durch den Vorjahresgewinn, pro Tag des Lockdowns zu erstatten. Der Corona-Schock ist zuallererst ein Angebotsschock. Er hat – vergleichbar einer Überschwemmung – das Produktionspotential vorübergehend drastisch vermindert. Zwar verändern sich in der Folge auch Nachfragegrößen, denn die Güternachfrage hängt vom Einkommen und dieses vom Umfang der Produktion ab. Aber diese Veränderungen sind Teil des Anpassungsprozesses und daher keine Nachfrageschocks. Wenn der Angebotsschock kompensiert wird, verschwinden auch diese

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Bisherige wirtschaftspolitische Reaktionen auf die Corona-Krise in Deutschland und der Europäischen Union waren überwiegend nachfragepolitisch statt angebotspolitisch orientiert. Dieser Beitrag schlägt vor, den Unternehmen den entgangenen Gewinn, approximiert durch den Vorjahresgewinn, pro Tag des Lockdowns zu erstatten.

Der Corona-Schock ist zuallererst ein Angebotsschock. Er hat – vergleichbar einer Überschwemmung – das Produktionspotential vorübergehend drastisch vermindert. Zwar verändern sich in der Folge auch Nachfragegrößen, denn die Güternachfrage hängt vom Einkommen und dieses vom Umfang der Produktion ab. Aber diese Veränderungen sind Teil des Anpassungsprozesses und daher keine Nachfrageschocks. Wenn der Angebotsschock kompensiert wird, verschwinden auch diese abgeleiteten Nachfrageänderungen.

Angebotsschocks erfordern angebotspolitische Maßnahmen. In der Corona-Krise bedeutet das, rentable Produktionen über die Krise hinweg zu retten. Das Konjunkturpaket der deutschen Bundesregierung enthält solche angebotspolitischen Maßnahmen: Erstattung von bis zu 80 Prozent der Fixkosten, Erweiterung des Verlustrücktrags und höhere Freibeträge bei der Gewerbesteuer und der Einkommensteuer. Aber ihr Gewicht ist gering, es dominiert die reine Nachfragepolitik. Für die Recovery Facility der Europäischen Union gilt das Gleiche. Einem Restaurantbesitzer, der nicht öffnen darf, hilft es jedoch nichts, wenn die Fiskalpolitik und die Geldpolitik der EZB die Nachfrage nach seinen Gütern und Dienstleistungen zu stimulieren versuchen. Sein Angebot ist vollkommen unelastisch.

Da es sich bei der Corona-Krise voraussichtlich um ein vorübergehendes Problem handelt, sollten auch die angebotspolitischen Maßnahmen und ihre Finanzierung befristet sein. Das heißt: keine neue Steuer[ 1 ] , die dann – wie der deutsche Solidaritätszuschlag – nicht vollständig wieder abgeschafft werden kann, auch nicht neuartige Eigenmittel für die Europäische Union. Eine Finanzierung über die Notenpresse – d. h. der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB – läuft Gefahr, früher oder später das Preisniveau in Mitleidenschaft zu ziehen. Bisher ist das nicht geschehen, weil die zusätzliche Zentralbankgeldmenge in der Risikovorsorge der Banken versickert ist. Sobald aber die Krise vorbei ist, dürften die Banken auch ihre Risikovorsorge reduzieren, was zu einem Anstieg von Geldmenge und Preisniveau führen würde. Für den Ausgleich eines temporären Schocks bietet sich stattdessen eine vorübergehend höhere Staatsverschuldung an. Aber ein solches Deficit-Spending ist nicht keynesianisch, d.h. nachfragepolitisch, sondern nur angebotspolitisch zu begründen.

Staatlicher Schadenersatz in Höhe des Vorjahresgewinns

Um rentable Produktionen über die Krise hinweg zu retten, könnte der Staat den Unternehmen den Schaden, oder einen Teil des Schadens, erstatten, der ihnen aus dem staatlich verordneten Lockdown und den anderen leicht messbaren Kapazitätsbeschränkungen entstanden ist. Ein Produktions- oder Verkaufsverbot ist in seiner ökonomischen Wirkung einer Enteignung vergleichbar. Der Produzent verliert zwar nicht sein Eigentum, aber das Recht, es gewinnbringend zu nutzen. Nach dem deutschen Grundgesetz sind Enteignungen durch den Staat nur mit angemessener Entschädigung zulässig.

Der Schadenersatz darf aber nicht den Anreiz zu einer effizienten Produktion beeinträchtigen (Moral Hazard). Der Schaden besteht aus dem in diesem Jahr erlittenen Verlust und dem entgangenen Gewinn. Den 2020 erlittenen Verlust zu erstatten – zum Beispiel durch den erweiterten Verlustrücktrag – ist problematisch, denn er schwächt den Anreiz, für den Rest des Jahres Verluste zu vermeiden, insbesondere die Kosten niedrig zu halten. Es empfiehlt sich deshalb, den Verlustrücktrag auf den bereits vergangenen Teil des Jahres zu beschränken. Die Erstattung des 2020 entgangenen Gewinns wirft hingegen keine Anreizprobleme auf, wenn dafür der Gewinn des Vorjahres angesetzt wird. Er ist bereits deklariert und vom Finanzamt festgestellt worden. Um den aufgrund der Verbote entgangenen Gewinn zu schätzen, könnte der durchschnittliche Gewinn pro Arbeitstag im Vorjahr mit der Zahl der Arbeitstage multipliziert werden, an denen das Unternehmen 2020 nicht produzieren oder verkaufen durfte. Wenn der Gewinn im Vorjahr auf Monatsbasis deklariert wurde, könnten die entsprechenden Monatswerte zugrunde gelegt werden, um den saisonalen Gewinnschwankungen Rechnung zu tragen. Auch Veränderungen der Produktionskapazität durch Investitionen oder Desinvestitionen könnten proportional in der Schätzung des entgangenen Unternehmensgewinns berücksichtigt werden.

Wettbewerbsverzerrung und Klientelpolitik werden vermieden

Die Produktions- und Verkaufsverbote haben indirekt auch anderen geschadet, die unbeschränkt produzieren und verkaufen durften, aber vertragliche Beziehungen zu den Adressaten der Verbote unterhielten. Ein allgemeiner Schadenersatz ist jedoch nicht praktikabel und wahrscheinlich auch nicht notwendig. Denn die Verbote wurden ja im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Es wurde unterstellt, dass der Nutzen der Verbote insgesamt den Schaden überstieg.

Der entgangene Gewinn ist ein einheitliches Kriterium. Die Erstattung bietet den PolitikerInnen keine Gelegenheit, Sondermaßnahmen für die eigene Klientel oder persönliche Steckenpferde zu fordern und durchzusetzen. Sie verzerrt nicht die Branchenstruktur und den Wettbewerb zwischen den einzelnen Unternehmen. Wenn jedem Unternehmen der entgangene Gewinn erstattet wird, ergibt sich auf objektiv nachvollziehbare Weise eine Summe für den staatlichen Finanzierungsbedarf.  Das Volumen der staatlichen Hilfen würde als Summe der einzelnen Erstattungen bestimmt, ohne dass es von Wünschen und Willkür seitens der PolitikerInnen manipuliert werden könnte. Bis zur Berechnung und Auszahlung des Schadenersatzes können staatlich verbürgte Kredite erforderlich sein. In Deutschland wurden sie bereits zugesagt und gewährt.


©KOF ETH Zürich, 10. Jul. 2020

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