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Ein neues Tool für die SNB

Summary:
Mit einem einmaligen Beitrag in den Ausgleichsfonds der ALV könnte die SNB eine Erhöhung der Lohnnebenkosten verhindern und somit die Wirkung der automatischen Stabilisatoren unterstützen. Dieser Beitrag klärt Missverständnisse und nimmt Stellung zu Kritikpunkten hinsichtlich unseres an dieser Stelle vorgestellten Vorschlags. In unserem Artikel «Was kann die SNB noch tun?» haben wir vorgeschlagen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit einem zeitlich und mengenmässig klar begrenzten und einmaligen Beitrag in den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (ALV) einen Anstieg der Lohnnebenkosten verhindern könnte. Da das traditionelle Zinsinstrument im Tiefzinsumfeld stark eingeschränkt ist, schlagen wir dieses neue Instrument vor, über welches die SNB die volle Kontrolle

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Daniel Kaufmann, Alexander Rathke, Jan-Egbert Sturm considers the following as important:

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Mit einem einmaligen Beitrag in den Ausgleichsfonds der ALV könnte die SNB eine Erhöhung der Lohnnebenkosten verhindern und somit die Wirkung der automatischen Stabilisatoren unterstützen. Dieser Beitrag klärt Missverständnisse und nimmt Stellung zu Kritikpunkten hinsichtlich unseres an dieser Stelle vorgestellten Vorschlags.

In unserem Artikel «Was kann die SNB noch tun?» haben wir vorgeschlagen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit einem zeitlich und mengenmässig klar begrenzten und einmaligen Beitrag in den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (ALV) einen Anstieg der Lohnnebenkosten verhindern könnte. Da das traditionelle Zinsinstrument im Tiefzinsumfeld stark eingeschränkt ist, schlagen wir dieses neue Instrument vor, über welches die SNB die volle Kontrolle hat und welches helfen könnte ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Damit unterscheidet sich der Vorschlag grundsätzlich von Forderungen, die eine generelle Zweckbindung der ordentlichen Ausschüttungen, oder deren Umfang betreffen. Um unseren Vorschlag klarer abzugrenzen, wollen wir in den folgenden Ausführungen auf diverse Kritikpunkte und Missverständnisse eingehen.

Wieso wäre ein Beitrag an die ALV sinnvoll?

Da die ALV einer Schuldenbremse unterliegt besteht die Gefahr, dass die grossen Defizite während der andauernden Covid-19 Wirtschaftskrise zu einem Anstieg der Lohnnebenkosten führen. Wäre dies der Fall, kann die SNB mit einem einmaligen Beitrag die Defizite der ALV ausgleichen und somit einen Anstieg der Lohnebenkosten verhindern. Dies hätte eine ähnlich breite Wirkung wie eine Zinssenkung, die im momentanen Tiefzinsumfeld kaum mehr möglich ist. Dabei bestimmt die SNB Höhe und Zeitpunkt des Beitrags. Die Unabhängigkeit der SNB wird somit nicht angetastet. Es handelt sich um eine Krisenmassnahme innerhalb des Mandats der SNB und nicht um eine Gewinnausschüttung. Diese ausserordentliche geldpolitische Massnahme wird sich jedoch – wie Devisenmarktinterventionen und Zinsänderungen – auf das Geschäftsergebnis der SNB auswirken.

Warum nicht eine höhere Ausschüttung an Bund und Kantone?

Die SNB soll Preisstabilität gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen. Bei einer höheren Ausschüttung an Bund und Kantone ist nicht sichergestellt, dass die Massnahme konjunkturell expansiv wirkt. Zum Beispiel könnte eine höhere Ausschüttung von der Politik zum Schuldenabbau verwendet, oder für noch nicht spruchreife Investitionsprogramme vorgemerkt werden. Wenn die Parlamente involviert werden ist daher nicht sichergestellt, dass eine höhere Ausschüttung eine breite und schnelle stimulierende Wirkung entfalten würde. Da bei unserem Vorschlag die SNB direkt die ALV unterstützt ist dies hingegen der Fall.

Wäre dieser Sonderbeitrag an die ALV nicht ein Präzedenzfall, der dazu führen kann, dass die Bilanz der SNB zu einem «Selbstbedienungsladen» verkommt?

Dies ist nicht der Fall. Die SNB soll im Rahmen ihres Mandats Preisstabilität gewährleisten und die Schweizer Konjunktur unterstützen. Wir schlagen vor, dass sie hierzu ein politisch neutrales Vehikel, die Sozialversicherungen, nutzt. Die ALV ist nicht im Budget des Bundes enthalten. Zudem würde die SNB dieses Instrument nicht auf Verlangen von Politikern oder Forschern einsetzen. Sie hat, wie bei jeder geldpolitischen Entscheidung, volle Kontrolle über den Zeitpunkt und den Umfang der Massnahme. Wie bei jeder anderen geldpolitischen Entscheidung soll dabei der Effekt auf das Eigenkapital und die zukünftigen Gewinnausschüttungen keine Rolle spielen.

Leistet der Vorschlag einer Verpolitisierung der Gewinne der Nationalbank Vorschub?

Nein. Zwar hat das neue Instrument, wie jedes andere geldpolitische Instrument, einen Einfluss auf das Eigenkapital, und somit möglicherweise auf die Höhe von zukünftigen Ausschüttungen. Die Höhe dieser ordentlichen Ausschüttungen wird jedoch weiterhin durch die SNB und das Finanzdepartement bestimmt. So wie geldpolitische Entscheidungen in der Kompetenz der SNB liegen, so liegen die Entscheidungen, für welche Zwecke die ordentlichen Ausschüttungen verwendet werden, in der Kompetenz des Bundes und der Kantone. Dies bleibt daher eine getrennte fiskalpolitische Diskussion, in die die SNB nicht involviert ist.

Kommt es zu einer unheilvollen Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik?

Bei konjunkturpolitischen Massnahmen bestehen immer Wechselwirkungen zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Wenn der Bund eine Fiskalpolitik führt die deflationär wirkt, würde die Zentralbank in normalen Zeiten die Zinsen senken, um ihr Mandat zu erfüllen. Eine solche Zinssenkung, wiederum, vermindert die Kosten neuer Staatsschulden und hat somit auch einen fiskalischen Impuls. Solche Auswirkungen der Geldpolitik auf die Fiskalpolitik sollten nicht im Fokus der SNB stehen – es geht darum, dass sie ihr Mandat erfüllt.

Heute besteht die Gefahr, dass die Lohnebenkosten steigen, falls der Bund die Defizite der ALV nicht decken würde. Dies würde die Konjunktur dämpfen und die Deflationsrisiken erhöhen. Auch wenn der Bund die Defizite der ALV deckt, aber dafür anderswo spart, könnte die Fiskalpolitik restriktiv und deflationär wirken.

Wir befinden uns derzeit im Tiefzinsumfeld. Vielleicht könnte die SNB die Zinsen noch weiter ins Negative drücken, oder noch stärker am Devisenmarkt intervenieren. Allerdings scheinen diese Instrumente an ihre Grenzen zu stossen. Wir schlagen daher ein neues Instrument vor, wie die Geldpolitik gelockert werden kann, gerade wenn die Fiskalpolitik im Tiefzinsumfeld konjunkturell zu restriktiv wirkt. Hierdurch müssen die beiden anderen Instrumente weniger zum Einsatz kommen. Zudem hat unser Instrument im jetzigen Umfeld eine breitere Wirkung. Es ist fraglich, inwieweit eine Zinssenkung im heutigen Umfeld an Firmen und Konsumenten weitergegeben werden würde. Zudem hilft eine Schwächung des Frankens primär exportorientierten Firmen, wobei in der jetzigen Situation auch die Binnenwirtschaft direkt und stark betroffen ist.

Müsste die SNB Devisen verkaufen um einen Beitrag zu leisten und somit die auf eine Schwächung des Frankens ausgerichtete Geldpolitik konterkarieren?

Nein. Die SNB kann Eigenkapital in Giroguthaben umbuchen und als Sonderbeitrag der ALV zukommen lassen.

Gefährdet der Vorschlag die Unabhängigkeit der SNB?

Nein. Die Unabhängigkeit der SNB ist in Art. 99 der Bundesverfassung und Art. 6 NBG festgeschrieben. Die Unabhängigkeit manifestiert sich auch darin, dass das Direktorium nicht abgesetzt werden kann, keine Weisungen entgegennehmen darf, und die SNB über ein unabhängiges Budget verfügt. Tatsächlich ist die SNB gerade aufgrund ihrer Unabhängigkeit die einzige Institution, die einen solchen Sonderbeitrag ohne parlamentarischen Prozess oder Notrecht vornehmen könnte. Dies müsste, wie in unserem Vorschlag beschrieben, dazu dienen ihr Mandat zu erfüllen.

Ist die Preisstabilität hinreichend gefährdet um den Einsatz eines solchen unkonventionellen Instruments zu rechtfertigen?

Die Botschaft zum Nationalbankgesetz nennt ein Preisstabilitätsbereich von 0 bis 2%, gemessen am Konsumentenpreisindex, als Definition der Preisstabilität. Wir lesen auch: «Die SNB muss deshalb anhaltende oder gar sich selbst beschleunigende inflationäre oder deflationäre Entwicklungen verhindern.». Die SNB hat in der letzten Lagebeurteilung die Inflationsprognose deutlich gesenkt und geht jetzt von rückläufigen Preisen für das laufende und das kommende Jahr aus. Zudem erleben wir eine historisch schwerwiegende Rezession. Sollte die SNB zu der Einschätzung kommen, dass die wirtschaftliche Situation eine weitere geldpolitische Lockerung notwendig macht, bietet unser Vorschlag vor dem Hintergrund der effektiven Zinsuntergrenze und der bereits stark gestiegenen Fremdwährungspositionen eine zusätzliche Möglichkeit die Preisentwicklung und die Konjunktur zu beeinflussen.

©KOF ETH Zürich, 7. Jul. 2020

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