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Die Leistungsbilanzüberschüsse, der Beirat und der Arbeitsmarkt

Summary:
Der Wissenschaftliche Beirat beim deutschen BMWi hat ein Gutachten zu den Möglichkeiten der Verringerung der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse vorgelegt. Er bietet Anlass, sich den Einfluss der Überschüsse auf den Arbeitsmarkt anzuschauen. o eine Beeinflussung der Lohnpolitik mit dem Ziel höherer Arbeitnehmerkaufkraft (und verminderter deutscher Preis-/Leistungsvorteile im Export) (X) ,  o eine Besteuerung von Kapitalerträgen, die im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte höher belastet als inländische, um Kapitalexporte mit ihren Folgen zu dämpfen (IX), o eine Umsatzsteuersenkung zur Förderung der inländischen Kaufkraft (VII.1) o sowie die Reaktivierung eines 1968 zu Zeiten der Minister Strauß und Schiller schon einmal kurzzeitig eingesetzten Instruments: der Umsatzbesteuerung von

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Der Wissenschaftliche Beirat beim deutschen BMWi hat ein Gutachten zu den Möglichkeiten der Verringerung der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse vorgelegt. Er bietet Anlass, sich den Einfluss der Überschüsse auf den Arbeitsmarkt anzuschauen.

o eine Beeinflussung der Lohnpolitik mit dem Ziel höherer Arbeitnehmerkaufkraft (und verminderter deutscher Preis-/Leistungsvorteile im Export) (X) , 
o eine Besteuerung von Kapitalerträgen, die im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte höher belastet als inländische, um Kapitalexporte mit ihren Folgen zu dämpfen (IX),
o eine Umsatzsteuersenkung zur Förderung der inländischen Kaufkraft (VII.1)
o sowie die Reaktivierung eines 1968 zu Zeiten der Minister Strauß und Schiller schon einmal kurzzeitig eingesetzten Instruments: der Umsatzbesteuerung von Exporten, um diese zu verteuern und damit Wechselkursvorteile der deutschen Exportwirt-schaft auszugleichen, die daraus resultieren, dass der Euro aus der Perspektive schwächerer EU-Länder überbewertet ist, während er aus deutscher Sicht, vor dem Hintergrund der heimischen Produktivität und Preisstabilität, wohl als spürbar unter-bewertet betrachtet werden muss. (VII.2) 
Den Einsatz dieser Instrumente hält der Beirat grundsätzlich für möglich. Lediglich die Be-steuerung von Exporten stehe „innerhalb der EU vermutlich nicht zur Verfügung“. Das In-strument einer zwischen heimischen und auswärtigen Kapitalerträgen differenzierenden Kapitalertragsbesteuerung sieht der Beirat dagegen als das wohl relativ wirkungsvollste an, sofern es gelänge, Kapitalflucht und Steuerhinterziehung in den Griff zu bekommen. (XI)
So knapp, wie die Voraussetzungen der einzelnen Instrumente erörtert werden, fallen auch die gegen ihre Effektivität ins Feld geführten Argumente aus. Inwieweit eine Stärkung der Kaufkraft von Arbeitnehmenden zum Abbau des Leistungsbilanzungleichgewichts, das man insbesondere als ein Zuwenig an Importen verstehen kann, beitragen würde, wird seit lan-gem diskutiert und soll hier nicht vertieft werden. Das vom Beirat in den Vordergrund ge-stellte Argument, der Staat könne die Lohnentwicklung unter der Geltung der Tarifautono-mie nur wenig – im Wesentlichen nur durch die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst – beeinflussen (X), wird allerdings an anderer Stelle des Gutachtens bereits implizit konterka-riert. Der Beirat weist nämlich darauf hin, dass Deutschland 2007 die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht und mit den Erträgen die Lohnnebenkosten gesenkt habe und dass dies weithin als fiskalische Abwertung verstanden wurde. (VII.1) Im Bereich der Lohnneben-kosten einschließlich der Verteilung von Beitragslasten zwischen Arbeitgebern und Ange-stellten hätte der Staat also ein Steuerungsinstrument in seiner Hand. Dass das Gutachten zuvor auch die Schwächung der Gewerkschaftsmacht durch die Schröder’schen Arbeits-marktreformen anspricht, sei ebenfalls erwähnt. (V.4)
Fragwürdig ist auch der Hinweis, eine Umsatzsteuer auf Exporte, etwa in Form einer Ein-schränkung der Mehrwertsteuer-Befreiung von Ausfuhren, könnte hinsichtlich der Leistungs-bilanzüberschüsse aufgrund von Terms-of-trade-Effekten wirkungslos bleiben. Der Beirat hält es für möglich, dass bei einer genügend hohen Monopolmacht der deutschen Exporteu-re eine Überwälzung der Steuerlast auf das Ausland gelingen könnte, mit der Folge gleich-bleibender Leistungsbilanzsalden. (VII.2) Einzelne deutsche Hersteller verfügen sicherlich über eine gewisse Monopolmacht. Dies aber als flächendeckendes Phänomen in den Raum zu stellen, ist mutig. Wäre es so, bräuchten wir uns um unsere preisliche Wettbewerbsfähig-keit – mit allen politischen Konsequenzen - kaum noch Sorgen zu machen.
Wenn es um höhere Lohneinkommen geht oder darum, vielleicht eine Mehrwertsteuersen-kung mit einer Erhöhung der Einkommenssteuer für obere Einkommen gegenzufinanzieren , artikuliert das Gutachten die Sorge vor negativen Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt. Län-gerfristig mag die – im Gutachten selbst nicht angesprochene Sorge – nicht aus der Luft ge-griffen sein, was aus den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen und dem Arbeitsmarkt werden könnte, wenn sich beispielsweise die Aussichten der Automobilindustrie fundamental verdüstern sollten. In einem solchen Fall müssten Maßnahmen reversibel sein. In der kürze-ren Frist fällt aber ein anderer Aspekt der deutschen Überschüsse ins Auge: Gegenwärtig erleben wir in vielen Regionen und Sektoren des deutschen Arbeitsmarkts Fachkräfteman-gel. Das gilt für viele Handwerks- und Technikerberufe ebenso wie beispielsweise für Kräfte in Pflege und Erziehung oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in anderen Bereichen. Und auch das hat mit dem jährlichen Leistungsbilanzüberschuss etwas zu tun. Menschen, die für den Exportüberschuss arbeiten, können nicht gleichzeitig als Handwerker im Inland un-terwegs sein, Kinder oder Alte betreuen und anderes Nützliche mehr.
Notorische Leistungsbilanzungleichgewichte, auch wenn manche ihre Bedeutung tendenziell herunterspielen, haben vielfältige Nachteile. Nicht zuletzt stören sie die internationale Ar-beitsteilung und schwächen jene Länder, die sich verschulden. Wie der Beirat griffig formu-liert: Der Gläubiger muss seinem Schuldner etwas zu verdienen geben, damit dieser seine Schulden abtragen oder doch wenigstens bedienen kann. (VIII) In Phasen hoher heimischer Arbeitslosigkeit mag sich ein Überschussland noch sagen, dass es Arbeit schafft und die sozi-ale Lage bei sich zuhause stabilisiert. Die Defizitländer sprechen dann umgekehrt von einem Export von Arbeitslosigkeit zu ihren Lasten. Bei einer guten Beschäftigungslage im Über-schussland jedoch entfällt der Vorteil und es bleiben die Nachteile eines verfestigten Un-gleichgewichts.
Der Lohn der für die Exportüberschüsse aufgewandten Produktionsfaktoren sind die Aus-landsguthaben. Sie sind freilich bedroht. Forderungen gehen nicht nur individuell verloren. Zusätzlich schwächen stetig wachsende Forderungen viele Schuldnerländer insgesamt. Der Beirat weist zurecht darauf hin, dass sich das deutsche Auslandsvermögen vor der Einfüh-rung des Euro periodisch durch Abwertung ausländischer Währungen gegenüber der D-Mark entwertet hat. Seit 2008 habe sich dann ein Großteil der Leistungsbilanzüberschüsse im Auf-bau von Target-2-Forderungen niedergeschlagen, deren künftige Rückzahlung nicht geregelt sei. Die Frage müsse deshalb aufgeworfen werden, ob Deutschland von seinen Leistungsbi-lanzüberschüssen in der Währungsunion profitiere. (III)
Wenn Deutschland nicht nur Forderungen in seinen Büchern haben will, müssen sich die Leistungsbilanzen irgendwann umkehren. Gestützt auf seine Guthaben müsste Deutschland mehr importieren, als es exportiert. Mit den Worten des Beirats: „Nachhaltig ist dies nur möglich, wenn sich die Leistungsbilanzsalden in den Schuldnerländern umkehren und die entsprechenden Salden der Gläubigerländer sich direkt oder indirekt vermindern, so dass dem Kapitaltransfer per Saldo ein paralleler Ressourcentransfer von den Schuldner- in die Gläubigerländer gegenübersteht. Findet das weder direkt noch indirekt statt, wird eine Schuldenbereinigung oder -krise unvermeidlich.“ (VIII)
Aber ist der Übergang Deutschlands von einem Überschuss- zu einem Defizitland wahr-scheinlich? Während der Anfangsphase der Wiedervereinigung führte der hohe Investitions-bedarf zeitweilig eine begrenzte Umkehr herbei. Doch ohne einen solchen Sondereffekt? 
Sieht man sich an, aus wieviel geringeren Anlässen im Laufe der Zeit ein Niedergang der deutschen Wirtschaft immer mal wieder an die Wand gemalt worden ist, würde Deutsch-lands Übergang in ein langfristiges Leistungsbilanzdefizit zu einem ökonomisch-politischen Erdbeben führen. Politik und Wirtschaft werden dies verhindern wollen. Es steht deshalb zu befürchten: Eine stattliche Zahl von Menschen arbeitet nicht für künftige reale Gegenleis-tungen, sondern für Buch-Positionen, von denen sich nicht absehen lässt, ob und wann sie sich je in Gegenleistungen verwandeln werden. Die Arbeitskraft jener mit dem Überschuss beschäftigten Exportarbeiter fehlt uns vor Ort. Es wäre sicherlich angenehmer, den Euro-raum mit vermehrten Importen und behutsam verteuerten Exporten zu stabilisieren als mit wachsenden Transferzahlungen.

Der Wissenschaftliche Beirat beim deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 28. März 2019 ein schmales Gutachten mit dem Titel „Wirtschaftspolitische Probleme der deutschen Leistungsbilanz“ vorgestellt.[ 1 ]  Das Ergebnis: Deutschland könne gegen seine notorischen Leistungsbilanzüberschüsse effektiv wenig unternehmen. In der Auseinandersetzung mit ausländischen Regierungen, der OECD, dem internationalen Währungsfonds sowie in- und ausländischen Ökonomen wird das Gutachten dem Minister nicht ungelegen kommen. Ob es mit seinen knappen Begründungen jeweils zu überzeugen vermag, ist allerdings eine andere Frage.[ 2 ] Immerhin bringt es einige interessante Instrumente zur Beeinflussung der jährlichen Leistungsbilanzüberschüsse zur Sprache. Diskutiert werden:

  • eine Beeinflussung der Lohnpolitik mit dem Ziel höherer Arbeitnehmerkaufkraft (und verminderter deutscher Preis-/Leistungsvorteile im Export) (X)[ 3 ] ,
  • eine Besteuerung von Kapitalerträgen, die im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte höher belastet als inländische, um Kapitalexporte mit ihren Folgen zu dämpfen (IX),
  • eine Umsatzsteuersenkung zur Förderung der inländischen Kaufkraft (VII.1)
  • sowie die Reaktivierung eines 1968 zu Zeiten der Minister Strauß und Schiller schon einmal kurzzeitig eingesetzten Instruments: der Umsatzbesteuerung von Exporten, um diese zu verteuern und damit Wechselkursvorteile der deutschen Exportwirtschaft auszugleichen, die daraus resultieren, dass der Euro aus der Perspektive schwächerer EU-Länder überbewertet ist, während er aus deutscher Sicht, vor dem Hintergrund der heimischen Produktivität und Preisstabilität, wohl als spürbar unterbewertet betrachtet werden muss. (VII.2)

Den Einsatz dieser Instrumente hält der Beirat grundsätzlich für möglich. Lediglich die Besteuerung von Exporten stehe „innerhalb der EU vermutlich nicht zur Verfügung“. Das Instrument einer zwischen heimischen und auswärtigen Kapitalerträgen differenzierenden Kapitalertragsbesteuerung sieht der Beirat dagegen als das wohl relativ wirkungsvollste an, sofern es gelänge, Kapitalflucht und Steuerhinterziehung in den Griff zu bekommen. (XI)

So knapp, wie die Voraussetzungen der einzelnen Instrumente erörtert werden, fallen auch die gegen ihre Effektivität ins Feld geführten Argumente aus. Inwieweit eine Stärkung der Kaufkraft von Arbeitnehmenden zum Abbau des Leistungsbilanzungleichgewichts, das man insbesondere als ein Zuwenig an Importen verstehen kann, beitragen würde, wird seit langem diskutiert und soll hier nicht vertieft werden. Das vom Beirat in den Vordergrund gestellte Argument, der Staat könne die Lohnentwicklung unter der Geltung der Tarifautonomie nur wenig – im Wesentlichen nur durch die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst – beeinflussen (X), wird allerdings an anderer Stelle des Gutachtens bereits implizit konterkariert. Der Beirat weist nämlich darauf hin, dass Deutschland 2007 die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht und mit den Erträgen die Lohnnebenkosten gesenkt habe und dass dies weithin als fiskalische Abwertung verstanden wurde. (VII.1) Im Bereich der Lohnnebenkosten einschließlich der Verteilung von Beitragslasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hätte der Staat also ein Steuerungsinstrument in seiner Hand. Dass das Gutachten zuvor auch die Schwächung der Gewerkschaftsmacht durch die Schröder’schen Arbeitsmarktreformen anspricht, sei ebenfalls erwähnt. (V.4)

Fragwürdig ist auch der Hinweis, eine Umsatzsteuer auf Exporte, etwa in Form einer Einschränkung der Mehrwertsteuer-Befreiung von Ausfuhren, könnte hinsichtlich der Leistungsbilanzüberschüsse aufgrund von Terms-of-trade-Effekten wirkungslos bleiben. Der Beirat hält es für möglich, dass bei einer genügend hohen Monopolmacht der deutschen Exporteure eine Überwälzung der Steuerlast auf das Ausland gelingen könnte, mit der Folge gleichbleibender Leistungsbilanzsalden. (VII.2) Einzelne deutsche Hersteller verfügen sicherlich über eine gewisse Monopolmacht. Dies aber als flächendeckendes Phänomen in den Raum zu stellen, ist mutig. Wäre es so, bräuchten wir uns um unsere preisliche Wettbewerbsfähigkeit – mit allen politischen Konsequenzen - kaum noch Sorgen zu machen.

Notorische Ungleichgewichte stören die internationale Arbeitsteilung

Wenn es um höhere Lohneinkommen geht oder darum, vielleicht eine Mehrwertsteuersenkung mit einer Erhöhung der Einkommenssteuer für obere Einkommen gegenzufinanzieren[ 4 ] , artikuliert das Gutachten die Sorge vor negativen Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt. Längerfristig mag die – im Gutachten selbst nicht angesprochene Sorge – nicht aus der Luft gegriffen sein, was aus den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen und dem Arbeitsmarkt werden könnte, wenn sich beispielsweise die Aussichten der Automobilindustrie fundamental verdüstern sollten. In einem solchen Fall müssten Maßnahmen reversibel sein. In der kürzeren Frist fällt aber ein anderer Aspekt der deutschen Überschüsse ins Auge: Gegenwärtig erleben wir in vielen Regionen und Sektoren des deutschen Arbeitsmarkts Fachkräftemangel. Das gilt für viele Handwerks- und Technikerberufe ebenso wie beispielsweise für Kräfte in Pflege und Erziehung oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in anderen Bereichen. Und auch das hat mit dem jährlichen Leistungsbilanzüberschuss etwas zu tun. Menschen, die für den Exportüberschuss arbeiten, können nicht gleichzeitig als Handwerker im Inland unterwegs sein, Kinder oder Alte betreuen und anderes Nützliche mehr.

Notorische Leistungsbilanzungleichgewichte, auch wenn manche ihre Bedeutung tendenziell herunterspielen, haben vielfältige Nachteile. Nicht zuletzt stören sie die internationale Arbeitsteilung und schwächen jene Länder, die sich verschulden. Wie der Beirat griffig formuliert: Der Gläubiger muss seinem Schuldner etwas zu verdienen geben, damit dieser seine Schulden abtragen oder doch wenigstens bedienen kann. (VIII) In Phasen hoher heimischer Arbeitslosigkeit mag sich ein Überschussland noch sagen, dass es Arbeit schafft und die soziale Lage bei sich zuhause stabilisiert. Die Defizitländer sprechen dann umgekehrt von einem Export von Arbeitslosigkeit zu ihren Lasten. Bei einer guten Beschäftigungslage im Überschussland jedoch entfällt der Vorteil und es bleiben die Nachteile eines verfestigten Ungleichgewichts.

Der Lohn der für die Exportüberschüsse aufgewandten Produktionsfaktoren sind die Auslandsguthaben. Sie sind freilich bedroht. Forderungen gehen nicht nur individuell verloren. Zusätzlich schwächen stetig wachsende Forderungen viele Schuldnerländer insgesamt. Der Beirat weist zurecht darauf hin, dass sich das deutsche Auslandsvermögen vor der Einführung des Euro periodisch durch Abwertung ausländischer Währungen gegenüber der D-Mark entwertet hat. Seit 2008 habe sich dann ein Großteil der Leistungsbilanzüberschüsse im Aufbau von Target-2-Forderungen niedergeschlagen, deren künftige Rückzahlung nicht geregelt sei. Die Frage müsse deshalb aufgeworfen werden, ob Deutschland von seinen Leistungsbilanzüberschüssen in der Währungsunion profitiere. (III)

Ist der Übergang von einem Überschuss- zu einem Defizitland wahrscheinlich?

Wenn Deutschland nicht nur Forderungen in seinen Büchern haben will, müssen sich die Leistungsbilanzen irgendwann umkehren. Gestützt auf seine Guthaben müsste Deutschland mehr importieren, als es exportiert. Mit den Worten des Beirats: „Nachhaltig ist dies nur möglich, wenn sich die Leistungsbilanzsalden in den Schuldnerländern umkehren und die entsprechenden Salden der Gläubigerländer sich direkt oder indirekt vermindern, so dass dem Kapitaltransfer per Saldo ein paralleler Ressourcentransfer von den Schuldner- in die Gläubigerländer gegenübersteht. Findet das weder direkt noch indirekt statt, wird eine Schuldenbereinigung oder -krise unvermeidlich.“ (VIII)

Aber ist der Übergang Deutschlands von einem Überschuss- zu einem Defizitland wahrscheinlich? Während der Anfangsphase der Wiedervereinigung führte der hohe Investitionsbedarf zeitweilig eine begrenzte Umkehr herbei. Doch ohne einen solchen Sondereffekt? 

Sieht man sich an, aus wieviel geringeren Anlässen im Laufe der Zeit ein Niedergang der deutschen Wirtschaft immer mal wieder an die Wand gemalt worden ist, würde Deutschlands Übergang in ein langfristiges Leistungsbilanzdefizit zu einem ökonomischpolitischen Erdbeben führen. Politik und Wirtschaft werden dies verhindern wollen. Es steht deshalb zu befürchten: Eine stattliche Zahl von Menschen arbeitet nicht für künftige reale Gegenleistungen, sondern für Buch-Positionen, von denen sich nicht absehen lässt, ob und wann sie sich je in Gegenleistungen verwandeln werden. Die Arbeitskraft jener mit dem Überschuss beschäftigten Exportarbeiter fehlt uns vor Ort. Es wäre sicherlich angenehmer, den Euroraum mit vermehrten Importen und behutsam verteuerten Exporten zu stabilisieren als mit wachsenden Transferzahlungen.


©KOF ETH Zürich, 15. Apr. 2019

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