Hans-Werner Sinn hat vor Kurzem im ifo Schnelldienst[ a ] auf die Risiken der von ca. € 70 Mrd. Ende 2007 auf den Wert von € 976 Mrd. Ende Juni 2018 gestiegenen Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank hingewiesen. Hier folgt ein Kommentar zu den von Sinn dargestellten Forschungsergebnissen. Im Folgenden werden hervorstechende Eckpunkte der neusten Forschungsergebnisse Hans-Werner Sinns (2018) zitiert (Seitenzahlen in Klammern) und in den jeweiligen Kontext gestellt. Sachverhalte werden nur aus Gründen der Anschaulichkeit am Beispiel Griechenlands und Italiens erläutert. Problem #1: Griechische Unternehmen nehmen in der Regel bei griechischen Geschäftsbanken Kredite auf, die sich ihrerseits bei der nationalen Filiale der EZB, der Bank of Greece (BoG), mit Geld versorgen. Dieses
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Hans-Werner Sinn hat vor Kurzem im ifo Schnelldienst[ a ] auf die Risiken der von ca. € 70 Mrd. Ende 2007 auf den Wert von € 976 Mrd. Ende Juni 2018 gestiegenen Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank hingewiesen. Hier folgt ein Kommentar zu den von Sinn dargestellten Forschungsergebnissen.
Im Folgenden werden hervorstechende Eckpunkte der neusten Forschungsergebnisse Hans-Werner Sinns (2018) zitiert (Seitenzahlen in Klammern) und in den jeweiligen Kontext gestellt. Sachverhalte werden nur aus Gründen der Anschaulichkeit am Beispiel Griechenlands und Italiens erläutert.
Problem #1: Griechische Unternehmen nehmen in der Regel bei griechischen Geschäftsbanken Kredite auf, die sich ihrerseits bei der nationalen Filiale der EZB, der Bank of Greece (BoG), mit Geld versorgen. Dieses Geld wird vernichtet, wenn es zur Bezahlung von Importen nach Deutschland überwiesen wird. Damit keine Geldknappheit in Griechenland entsteht, schöpft die BoG neues Geld, aber nur, wenn die Geschäftsbanken es nachfragen und wenn sie weitere Sicherheiten einreichen. Die Bundesbank schöpft bei einer Überweisung, die sie aus einem anderen Land bekommt, exakt die Reserven, die im überweisenden Land vernichtet worden sind. Die Gegenbuchung dazu ist ein positiver Taget-Saldo auf der Aktivseite der Bundesbankbilanz.
Sinns Charakteristik lautet so: „Es handelt sich um einen öffentlichen Überziehungskredit zwischen den nationalen Notenbanken des Eurosystems, der es anderen Volkswirtschaften des Euroraums ermöglicht hat, ohne am privaten Kapitalmarkt Auslandskredite aufzunehmen, einen Nettozustrom von Waren, Dienstleistungen und Vermögenstiteln aus Deutschland zu bezahlen.“ (26)
Demnach wäre die bloße Überweisung von in Griechenland geschöpftem und dort mit Sicherheiten unterlegtem Geld als ein Kredit des Überweisungssystems zu interpretieren. Fakt ist, dass in Griechenland vergebene Kredite dort mit Zins und Tilgung bedient werden müssen. Sollte dabei die BoG einen übermäßigen Gewinn einstreichen, wird dieser zwischen den Notenbanken ihren Anteilen am Eigenkapital entsprechend aufgeteilt.
Der Text ist auch so zu verstehen, dass sich die Griechen am internationalen Kapitalmarkt mit Geld versorgen sollten und nicht bei ihren Hausbanken.
Problem #2: Das überwiesene Geld muss in Griechenland ersetzt werden. „Ohne dieses kompensierende Nachschieben von Kreditgeld wäre sonst dem lokalen Wirtschaftskreislauf des Target-Schuldnerlandes durch die Nettoüberweisungen in andere Länder sehr schnell das Schmiermittel ausgegangen.“ (26)
Andererseits schätzt Sinn ein, dass die griechischen Banken „mehr von solchen Krediten … vergeben, als es gemäß ihrer Landesgröße zur Liquiditätsversorgung der heimischen Wirtschaft nötig gewesen wäre.“ (26)
Der Geldbedarf einer „heimischen Wirtschaft“ stimmt jedoch selten mit dem globalisierter Volkswirtschaften überein.
Problem #3: „Der öffentliche Kreditfluss über die Notenbanken hat im Eurosystem einen Gutteil des privaten Kreditflusses ersetzt, weil er zu Konditionen möglich wurde, die den Markt unterboten.“ (27)
Es handelt sich bei TARGET2 um ein Überweisungssystem, das dafür eingerichtet wurde, internationale private und öffentliche Geldflüsse zu erleichtern. Kredite müssen ausgereicht werden, bevor Geld überwiesen werden kann. Sinn liefert kein Argument, dass auch mit einem Überweisungssystem Kredite gewährt werden können. An späterer Stelle räumt er ein, dass „die öffentlichen Überziehungskredite im Eurosystem … durch die Target-Salden gemessen werden“ (29)
In der Tat: die Temperatur wird durch ein Thermometer gemessen. Das ist nur möglich, weil das Thermometer eine Temperatur hat, aber keine ist. So werden zwar keine Überziehungskredite, aber Geldflüsse durch die Target-Salden gemessen. Das ist nur möglich, weil die Salden selber kein Geld sind. Euro werden im Unterschied zu positiven Taget-Salden von der EZB und ihren Filialen stets auf der Passivseite verbucht.
Problem #4: „Im System der Zahlungsbilanzstatistiken wird der wachsende Target-Kredit der Bundesbank als Teil des Auslandsvermögens der Bundesrepublik Deutschland verbucht, das sich aus der Summe früherer Leistungsbilanzüberschüsse ergibt.“ (27)
Sinn lässt die Frage, wer über dieses Auslandsvermögen verfügt, offen. Die Antwort ist: Vorderhand die deutschen Exporteure, die jene Überweisungen empfangen haben. Sinn dagegen legt nahe, dass es sich um Geld der Bundesbank handelt, wenn er schreibt, dass das Problem des Auslandsvermögens heute darin bestehe, „dass die Bundesbank im Bretton-Woods-System den Umtausch der Devisen in andere, fungiblere Vermögensobjekte verlangen konnte, während sie sich heute mit bloßen Buchforderungen begnügen muss.“ (27)
Devisen sind das einzige Geld, das auf der Aktivseite einer Zentralbank verbucht wird. Euro sind aber keine Devisen. Der Leser gewinnt den Eindruck, dass die Bundesbank auf einer fast 1000 Milliarden Euro schweren, uneintreibbaren Geldforderung sitzenbliebe, wenn die Südländer aus dem Euro ausstiegen. Richtig ist, dass die Exporteure für ihre Lieferungen und Leistungen bezahlt worden sind. Niemand schuldet hier irgendwem auch nur einen Cent.
Problem #5: „Die Target-Forderungen der Bundesbank von Ende Juni 2018 beliefen sich demgegenüber auf 30% des deutschen BIP. Hätte die Bundesbank sie in Gold umtauschen können, hätte sie dafür weitere 28.277 Tonnen erhalten.“ (27)
Auch hier wird unterstellt, dass die Target-Forderungen Geld seien, mit denen man Gold kaufen könnte. Das dem positiven Target-Saldo entsprechende Geld wandert jedoch auf die Konten und dann in die Taschen der Exporteure. Sie könnten damit tatsächlich Gold kaufen, wenn sie es wollten. Für Euro-Besitzer ist es jedoch günstiger, auf die Einführung der Drachme oder der Lira zu warten, um nach deren Abwertung noch mehr Gold, Immobilien usw. kaufen zu können.
Wenn die privaten Empfänger der Überweisungen zu wenige Sachwerte in den Südländern kaufen, müsste es, so könnte man meinen, eben die Bundesbank tun. „Die Bundesbank könnte im Prinzip für 976 Milliarden Euro Grundstücke, Anleihen oder Aktien in anderen Euro-Ländern kaufen. Dann wäre der Target-Saldo wieder ausgeglichen. Ein solches Investitionsverhalten ist für Notenbanken allerdings untypisch.“ (Häring 2018) Doch was wirklich gegen eine solche Vorgehensweise spricht, ist, dass dabei neues Geld geschöpft und überwiesen wird, von dem dann Teile doch wieder in den sicheren Hafen Deutschland fließen.
Problem #6: Hätte Sinn recht, müssten die Griechen ihren knapp 300 Milliarden Anteil an der Target-Schuld gegenüber Deutschland zweimal bezahlen: Die Importeure haben schon bezahlt; die Bundesbank soll nun noch einmal die gleiche Rechnung ausstellen. „Doch während das in Deutschland liegende Fluchtkapital Anlagen sucht, die es im Falle des Falles vor einem Währungsschnitt schützen, hat die Bundesbank bloße Buchforderungen, die sie kaum wird eintreiben können und bei denen sie hoffen muss, dass wenigstens die anderen Notenbanken des Eurosystems anteilig bereit sind, die Verluste mitzutragen.“ (34)
Problem #7: „So ist Deutschland zu einem Selbstbedienungsladen geworden, in dem man nach Belieben anschreiben lassen kann, ohne dass der Ladeninhaber seine Forderungen fällig stellen kann.“ (27)
Geld ist nach Deutschland überwiesen und den Exporteuren gutgeschrieben worden. Sie können es jederzeit abheben und gegen Dollar, Pfund oder Yuan umtauschen. Kein einziger „Ladeninhaber“ hat angeschrieben, nicht einmal die Bundesbank. Doch Sinn meint: Hier wird „alles gekauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Leider wird diesmal dafür kein Gold auf den Tresen gelegt.“ (30)
Dafür werden Euro „auf den Tresen gelegt“, mit denen man an jeder Ecke Gold kaufen kann.
Problem #8: Wenn Kredite in Griechenland ausgereicht werden, müssen sie mit Sicherheiten unterlegt werden, die den Anforderungen der EZB entsprechen.
Sinn kritisiert: „Sie müssen dabei freilich hinreichend gute Pfänder hinterlegen. Die Mindestqualität dieser Pfänder … wurde sukzessive bis unter BBB–, also bis auf das Schrottniveau gesenkt. Schrottpfänder hatten die Geschäftsbanken genug, um die heimische Geldmaschine laufen zu lassen.“ (28)
Diese Pfänder – in den Augen Sinns Schrottpapiere – lagern in den Ländern, in denen das Geld ursprünglich geschöpft worden ist und müssen von den dortigen Geschäftsbanken bedient werden.
Problem #9: Die spanische Notenbank kaufte Schuldtitel zurück, dabei wurde auch Geld nach Deutschland über das Target-System überwiesen.
Sinn erläutert: „Zwar wurden die deutschen Verkäufer mit Geld von der Bundesbank kompensiert, doch ist dieses Geld eine Forderung gegen die Bundesbank, verbucht auf der Passivseite ihrer Bilanz, während die Bundesbank dafür nur eine Target-Forderung gegen das Eurosystem erhielt.“ (30)
Eine Überweisung wird exakt so verbucht, wie es Sinn hier beschreibt, aber das ausgegebene Geld (Reserven, die auf der Passivseite verbucht werden) sind im rechtlichen Sinn (§ 241 Absatz 1 BGB) keine Forderung an die Bundesbank. Was sollte ein Bankkunde und Euro-Besitzer denn von der Bundesbank außer einem Umtausch alter gegen neue Noten für eine Leistung fordern können? Sinn sitzt hier einer überholten Definition von Geld als Forderung auf, die auf der untersten Ebene eines zweistufigen Banksystems nicht zutrifft.
Dieses „Problem“ wird noch etwas größer gemacht: „Der chinesische Investor wurde für die Hergabe der spanischen Papiere mit der deutschen Firma kompensiert, und der Verkäufer der deutschen Firma erhielt mit dem Geld eine Forderung gegen die Bundesbank, für die die Bundesbank mit einer Target-Forderung gegen das Eurosystem kompensiert wurde.“ (30)
Der Verkäufer der deutschen Firma erhielt Euro, die er in jede verfügbare Währung umtauschen und – bei Zustimmung von Peking – sich auch eine Firma auf dem chinesischen Festland kaufen kann.
Problem #10: Sind die Euro-Guthaben in Deutschland gefährdet? Offenbar sind die Anleger nicht dieser Meinung. Sinn bestätigt das: „Es kann schließlich auch sein, dass der ausländische Investor sein Geld auf deutsche Bankkonten oder gar Bankkonten seiner eigenen Filialen in Deutschland überweist“, der sich „im Falle des Falles davor schützen [will], zu den ersten Opfern eines Währungsschnitts zu gehören.“ (30)
Problem #11: Ehemalige DM-Verbindlichkeiten wurden bei der Umstellung auf den Euro ebenfalls in Euro umgewandelt. Das hält Sinn für paradox: „Es kam somit zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Mitgift, die Deutschland in die Währungsunion brachte, mitsamt den normalen Zuwächsen aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung heute als eine Verbindlichkeit gegenüber dem Eurosystem in der Bundesbank verbucht wird.“ (31)
Müsste die Bundesbank nicht froh darüber sein, wenn ihre Verbindlichkeiten auf die EZB abgewälzt werden? Das wäre so unter der (irrigen) Voraussetzung, dass diese Verbindlichkeiten unerfüllbare Forderungen an die Bundesbank sind. Bei Kredit- und Pensionsgeschäften sind es Forderungen in das Kollateral, das inzwischen von der EZB verwaltet wird.
Sinn meint, dass Bargeld, das die Exporteure von ihrer Hausbank erhalten haben, als ein „Geschenk der Bundesrepublik Deutschland an das Ausland zu werten“ sei (31). Dieses Geld wird nämlich ebenfalls als Verbindlichkeit gebucht.
Solange die Geldbesitzer sich dafür nichts kaufen, handelt es sich zwar um kein Geschenk, aber um eine unverzinsliche Kreditierung des Auslandes seitens der Geldbesitzer, so wie das bei jedem Kapitalexport der Fall ist, dessen Erlös in Devisen gehalten wird. (Krugman, Obstfeld 2006: 386 f.)
Problem #12: „Die akkumulierten Nettoüberweisungen werden in den Bilanzen der Auftraggeber als Target-Verbindlichkeiten verbucht, und die (fiktiven, da nicht wirklich beobachtbaren) akkumulierten Bargeldabflüsse werden dort als Bargeld-Verbindlichkeiten ausgewiesen.“ (32)
Was das Bargeld damit zu tun hat, haben wir gesehen: Es ist eine Verbindlichkeit und insofern verdächtig. Überweisungen werden nur vorgenommen, wenn die griechische Geschäftsbank ein ausreichend hohes Guthaben bei der BoG hat. Voraussetzung dafür ist, dass die Geschäftsbank Wertpapiere als Kollateral beigegeben hat, um erst einmal dieses Guthaben zu erlangen. Außerdem muss die Geschäftsbank normalerweise Zinsen zahlen. (Momentan ist der Zinssatz null. Der Zinssatz, den der die Überweisung beauftragende Bankkunde zahlen muss, ist sicherlich etwas höher.) Die Gläubiger-Schuldner-Beziehung existiert komplett in Griechenland. Sinn dagegen meint: „Beide Posten [Target-Verbindlichkeiten und Bargeldabflüsse] messen Kredite zwischen den Zentralbanken, beide werden verzinst, und beide implizieren entsprechende Risiken für die anderen Zentralbanken.“ (32)
Bei der Kreditvergabe an die griechische Geschäftsbank ist nur die BoG im Spiel. Nur sie bekommt Zinszahlungen, und bei ihr muss ein eventuell vergebener Kredit auch getilgt werden. Das Kreditrisiko liegt also allein bei den griechischen Banken. Dass die von der BoG gegebenenfalls eingenommenen Zinsen vergemeinschaftet werden, bedeutet nicht, dass positive Target-Salden eine zinsträchtige Kreditforderung sind. Das lässt sich verallgemeinern: Werden von einer Zentralbank mehr Banknoten in Umlauf gesetzt als ihr nach einem EZB-Schlüssel zustehen, so wird unterstellt, dass sie (normalerweise!) auch höhere Zinsgewinne hat, die dann unter den Nationalbanken verteilt werden. Auf diese Weise entsteht der falsche Eindruck, dass Taget-Salden verzinst werden.
Problem #13: Die Ansicht, dass Target-Forderungen Geld seien und verzinst werden müssten, führt zu der Schlussfolgerung, dass die Zinszahlungen anderer Länder weitere Zinszahlungen auslösen müssten: „Es kommt in diesem Fall zu einem Zinseszinseffekt, weil die durch die Zinszahlungen erhöhten Target-Schulden in der nächsten Periode zu weiteren Zinsverpflichtungen führen.“ (33)
Problem #14: „Aufgrund der normalen geldpolitischen Operationen trägt die Bundesbank bereits dann ein Risiko, wenn irgendwelche Geschäftsbanken im Eurosystem nebst ihrer Pfänder ausfallen. Mit ihrem Kapitalanteil an der EZB in Höhe von 26% ist sie stets dabei, auch wenn es keine Target-Salden gibt. Sie verliert dann einmalig die entsprechenden Vermögenstitel und dauerhaft die darauf entfallenden Zinsen.“ (32)
Die Vermögenstitel, von denen hier die Rede ist, bilden das Kollateral im Besitz der EZB, das sich um Größenordnungen von ihrem Eigenkapital, und erst recht von dem Anteil der Bundesbank daran, unterscheidet. Ein Verlust eines bedeutenden Teils des Kollateral würde eine erhöhte Inflation nach sich ziehen, also hunderte Millionen Eigentümer von Geldvermögen schädigen, auch wenn es keine Katastrophe wäre. Sinn unterstellt, dass der Ausfall von Schuldtiteln durch die im System verbliebenen Nationalbanken ersetzt werden müsste. Das würde ihre Anteile am Eigenkapital bei Weitem übersteigen.
„Trotz des formellen Haftungsausschlusses impliziert dieser Fall eine faktische Haftung anderer Notenbanken im Umfang der Differenz zwischen Target-Schuld und Eigenkapital. Im vorigen Abschnitt war schon berechnet worden, dass diese Differenz in Italien bei € 356 Mrd. liegt.“ (34)
Um der Inflationsgefahr zu begegnen, würde es jedoch genügen, die Ausweitung der Geldmenge zu vermindern. Außerdem weiß Sinn, dass ein „Nachschusspflicht der Staaten gegenüber ihren Zentralbanken im Eurosystems vertraglich nicht vorgesehen“ ist. (34)
Problem #15: Sinns Horrorszenarium ist der Zerfall des Euro-Systems: „In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass Deutschland seine gesamte Target-Forderung verliert, weil die Rechtsbasis der Target-Kredite für diesen Fall nicht definiert ist.“ (35)
Die Bundesbank verlöre Forderungen, die sich vermittelt u.a. auf die bei der Banka d’Italia oder der Bank of Greece lagernden Vermögenstitel beziehen, die dann auf Lira oder Drachme lauten würden und schon jetzt von Sinn als Schrottpapiere angesehen werden (siehe Problem #8). Was soll die Bundesbank damit anfangen? Das von ihr beim Aufbau des positiven Target-Saldos ausgegebene Geld befindet sich in den Händen von Bankkunden, die der Bundesbank gegenüber überhaupt keine Forderungen erheben können. Dafür könnten sie mit den Euro sehr viel billiger als heute in einem abgenabelten Italien oder Griechenland einkaufen gehen. Sie könnten alles kaufen, was dort nicht niet- und nagelfest ist.
Problem #16: Die hier vertretene Sichtweise findet man im Wesentlichen ausgearbeitet bei Quaas (2011). Es versteht sich, dass eine Darstellung, die mit am Anfang einer langen und intensiven Diskussion stand, nach sieben Jahren in Einzelfragen verbesserungswürdig ist. Das wird sich in einer Publikation niederschlagen, die demnächst im Metropolis-Verlag erscheint.
Norbert Häring (2018): Keinesfalls nutzlos. Ökonomen verkennen den Wert der Target-Salden, Aufsatz im Handelsblatt vom 27.7.2018.
Paul R. Krugman, Maurice Obstfeld (2006): Internationale Wirtschaft, 7. Auflage, München.
Georg Quaas (2011): Ein kritisches Resümee des Target2-Problems, Wirtschaftsdienst, 91. Jg., Heft 12, Dezember 2011.
Hans-Werner Sinn (2018): Fast 1000 Milliarden Target-Forderungen der Bundesbank. Was steckt dahinter?[ a ] In: ifo Schnelldienst #14, 26. Juli 2018, S. 26-37.
©KOF ETH Zürich, 30. Aug. 2018