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Politik als Wettbewerb um Wähler – Mögliche Wege aus der Politikverdrossenheit

Summary:
Politikverdrossenheit und der auch damit verbundene Aufstieg der AfD – Deutschlands Politsystem steht vor grossen Herausforderungen. Dieser Beitrag meint, die "politische Klasse" müsste sich stärker an den Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger orientieren, dann würden sich viele Probleme in Luft auflösen. Gescheiterte "Jamaika"-Sondierungsgespräche (vgl. Follert, 2018), Asylkrise und eine gespaltene christliche Union haben nicht gerade zum Vertrauen der Wahlbevölkerung in die politische Klasse in Deutschland beigetragen. Insbesondere vor der anstehenden Landtagswahl in Bayern wächst die Besorgnis vor einem neuerlichen Erfolg der Alternative für Deutschland.  Diese Sorge kann als unberechtigt charakterisiert werden, da Parteien unter Wettbewerbsbedingungen auf einem freien Markt

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Politikverdrossenheit und der auch damit verbundene Aufstieg der AfD – Deutschlands Politsystem steht vor grossen Herausforderungen. Dieser Beitrag meint, die "politische Klasse" müsste sich stärker an den Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger orientieren, dann würden sich viele Probleme in Luft auflösen.

Gescheiterte "Jamaika"-Sondierungsgespräche (vgl. Follert, 2018), Asylkrise und eine gespaltene christliche Union haben nicht gerade zum Vertrauen der Wahlbevölkerung in die politische Klasse in Deutschland beigetragen. Insbesondere vor der anstehenden Landtagswahl in Bayern wächst die Besorgnis vor einem neuerlichen Erfolg der Alternative für Deutschland.  Diese Sorge kann als unberechtigt charakterisiert werden, da Parteien unter Wettbewerbsbedingungen auf einem freien Markt um Wähler konkurrieren (bezogen auf Religionen vgl. Becker/Becker 1998, S. 16). Haben Teile der Bevölkerung das Gefühl, dass der Wettbewerb der Parteien durch ein (Meinungs-)Monopol der etablierten Parteien eingeschränkt ist, ist es nur natürlich, dass sich Konkurrenz bildet. Menschliches Handeln basiert nach dem ökonomischen Verhaltensmodell (vgl. etwa Kirchgässner 2013) auf einem Abwägungsprozess zwischen dem (erwarteten) Nutzen und den (erwarteten) Kosten einer Handlung. Ein rational agierender Wähler wird seine Stimme nur dann der Alternative für Deutschland und nicht den etablierten Parteien geben, wenn er den Nutzen dieser Entscheidung höher als die korrespondierenden Kosten einschätzt. Funktioniert der Wettbewerb um die Wähler, wird sich die Partei durchsetzen, welche dem Wähler einen möglichst hohen Grad der Bedürfnisbefriedigung verspricht. Es liegt somit im Einflussbereich und im Interesse der etablierten Parteien und ihrer Akteure, das Entscheidungskalkül des Wählers zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Entscheidend hierfür ist eine stärkere Orientierung an den Wünschen und Zielen der Wahlbevölkerung. Die Beziehung zwischen Bürger und Politiker kann nämlich als Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis charakterisiert werden (vgl. Richter/Furubotn 2003, S. 516). Dabei sollte sich der Auftragnehmer vornehmlich an den Zielsetzungen seines Prinzipals orientieren. Diese vom theoretischen Standpunkt aus betrachtet einfache Regel wird durch die Politische Klasse regelmäßig missachtet. Für die Theorie der Neuen Politischen Ökonomie ist dieser Befund nichts Ungewöhnliches, da sie die Politische Klasse als ausschließlich nach dem eigenen Nutzen strebendes Kartell auffasst (vgl. grundlegend Downs 1957).

Im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik werden allerdings auch konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie die Agenturproblematik abgemildert werden kann. Vergleicht man das politische Geschehen mit privatwirtschaftlichen Unternehmen, fällt auf, dass die Verantwortungsträger in der Wirtschaft weitaus strengeren Regeln unterliegen als die politischen Akteure. Aufgrund der Eigenheiten einer parlamentarischen Demokratie müsste die Politische Klasse sich selbst strengere Regeln auferlegen, um das Vertrauen der Wahlbevölkerung zurückzugewinnen. Im Einzelnen könnten folgende Punkte berücksichtigt werden:

  1. Es sollte ein Rahmenwerk für "gutes" politisches Handeln geschaffen werden, ähnlich dem Corporate Governance-Kodex in der Privatwirtschaft, der die Mandatsträger verpflichtet, sich an den Interessen ihrer Wähler auszurichten.
  2. Es sollte ein System geschaffen werden, das es der Wahlbevölkerung ermöglicht, Abgeordnete oder Regierungen bei Handlungen gegen den Kodex aus wichtigem Grund aus ihren Ämtern zu entheben.
  3. Politiker sollten sich ihre Diäten nicht selbst genehmigen dürfen. Hier könnte eine übergeordnete Instanz eingesetzt werden, die Gehaltsverhandlungen als Vertretung der Bürger vornimmt. Zudem könnte über variable Vergütungen abhängig von der konkreten Zielerreichung nachgedacht werden.
  4. Politiker sollten analog zu Geschäftsleitern in der Privatwirtschaft für ihr Handeln die Haftung übernehmen. Um das Handeln nicht zu sehr zu beschränken, wäre eine "Political Judgment Rule" zu installieren.
  5. Volksentscheide und direkte Demokratie führen zu einem höheren Zufriedenheitsniveau (etwa Frey/Stutzer 2000) bei der Bevölkerung und können einer Politikverdrossenheit entgegenwirken (vgl. etwa Frey 2005).

Freilich stehen derartige Vorhaben regelmäßig vor der Schwierigkeit, operationalisiert zu werden; der Königsweg zur Lösung des Problems existiert ohnehin nicht.  Allerdings könnte die politische Klasse durch entsprechende Schritte nachhaltig Vertrauen bei ihren Wählern zurückgewinnen. Wenn der Bürger sich durch die etablierten Parteien vertreten fühlt, gibt es für ihn keinen Grund mehr, seine Stimme einer neuen Partei zu geben, da der Nutzen der Entscheidung nicht überwiegt. Ein permanenter Widerstand gegen die Alternative für Deutschland ist daher verschwendete Mühe, da sich das vermeintliche Problem bei entsprechender Orientierung an den Interessen der Bürger ohnehin in Luft auflöste. Die politische Klasse hat es selbst in der Hand.

Becker, Gary S./Becker, Guity N. (1998), Die Ökonomik des Alltags.

Downs, Anthony (1957). An Economic Theory of Democracy.

Follert, Florian (2018). Die Bürger-Politiker-Beziehung im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie: Ein Diskussionsbeitrag, in: der modern staat, 11, 233-255.

Follert, Florian (2018). "Jamaika"-Sondierungsgespräche und Spieltheorie: Der Frontalzusammenstoß, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 47, Heft 7-8, 48-50.

Frey, Bruno S. (2005). Direkte Demokratie für eine lebendige Verfassung, in: Wolgemuth, Michael (Hrsg.), Spielregeln für eine bessere Politik, 36-86.

Frey, Bruno S./Stutzer, Alois (2000). Happiness, Economy and Institutions, in: The Economic Journal, 110, 918-938.

Kirchgässner, Gebhard (2013). Homo Oeconomicus, 4. Aufl.

Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. (2003). Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl.


©KOF ETH Zürich, 24. Aug. 2018

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