Am 22. März 2010 lancierte die KOF Konjunkturforschungsstelle die Internetplattform Ökonomenstimme zusammen mit 34 Gründungsmitgliedern. Eine kurze Zwischenbilanz des Herausgebers David Iselin, der die Verantwortung für die Ökonomenstimme auf Ende November abgegeben hat. Im Jahr 2010 einen volkswirtschaftlichen Blog zu lancieren, war keine besonders innovative Tat. Es gab bereits die erfolgreiche englischsprachige Plattform Vox[ a ], die von Richard Baldwin ins Leben gerufen worden war. Auch bei der Namensfindung lagen wir mit Ökonomenstimme nicht gerade Galaxien von unserem Vorbild entfernt. Dennoch stiess unsere Plattform von Anbeginn auf Interesse, so kamen sofort drei Medienpartner, das deutsche Handelsblatt, die schweizerische Neue Zürcher Zeitung sowie die österreichische
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Am 22. März 2010 lancierte die KOF Konjunkturforschungsstelle die Internetplattform Ökonomenstimme zusammen mit 34 Gründungsmitgliedern. Eine kurze Zwischenbilanz des Herausgebers David Iselin, der die Verantwortung für die Ökonomenstimme auf Ende November abgegeben hat.
Im Jahr 2010 einen volkswirtschaftlichen Blog zu lancieren, war keine besonders innovative Tat. Es gab bereits die erfolgreiche englischsprachige Plattform Vox[ a ], die von Richard Baldwin ins Leben gerufen worden war. Auch bei der Namensfindung lagen wir mit Ökonomenstimme nicht gerade Galaxien von unserem Vorbild entfernt. Dennoch stiess unsere Plattform von Anbeginn auf Interesse, so kamen sofort drei Medienpartner, das deutsche Handelsblatt, die schweizerische Neue Zürcher Zeitung sowie die österreichische Die Presse, an Bord, die über ihre Kanäle Beiträge von der Ökonomenstimme verbreiteten.
Rückblick
Die Themen der ersten Beiträge drehten sich um das damals nach wie vor virulente Thema der Finanzkrise, die uns auch zehn Jahre danach weiterhin begleitet, aber auch Themen wie "Geld und Liebe" von Kai A. Konrad und Kjell Erik Lommerud etc. waren präsent. Von Anfang an verfolgten wir eine "Hybrid-Veröffentlichungsstrategie", d.h. wir wollten uns zwischen Journal- und Zeitungsbeitrag positionieren. Autorinnen und Autoren sollten ihre eigenen Papiere präsentieren können, allerdings derart, dass auch ein an ökonomischen Themen interessierter Laie etwas verstünde. Als Mainstream-Plattform war die Ökonomenstimme allerdings nie gedacht, dafür ist Ökonomik für viele Menschen zu sperrig. Längerfristiges Ziel war es, dessen ungeachtet, eine Art Brückenfunktion zu übernehmen von Forschungsökonominnen und -ökonomen zu einem breiteren Publikum. Inwiefern dieses Ziel bis hierher erreicht wurde, darüber kann ich nur spekulieren – andere müssten das beurteilen. Die Weiterverbreitung unserer Inhalte fand und findet statt, aber weniger stark als wir uns das zu Beginn erhofft hatten. Wir hatten über die Jahre dutzende von Weiterveröffentlichungs- und Kooperationsanfragen, auf die wir teilweise eingingen, teilweise nicht. Und die Diffusion unserer Beiträge via Presse funktionierte oft indirekt oder ungenannt. Wir haben auch ein paar Preise gewonnen und hatten einige honorable mentions bei Bewertungen von Ökonomenblogs.
Ein Anliegen, das uns seit Beginn wichtig ist, ist ein hohes Tempo bei der Veröffentlichung. Da der internationale ökonomische Diskurs mittlerweile fast gänzlich auf Englisch geführt wird, ist dies einer der letzten "Verteidigungsstrategien" für eine rein deutschsprachige Plattform. Aus diversen Rückmeldungen von unseren Autorinnen und Autoren wissen wir, dass wir hier gute Arbeit geleistet haben. Unsere redaktionellen Eingriffe in die veröffentlichten Texte waren minim (zu Beginn noch etwas stärker), stehen doch die Autoren mit ihren Namen für ihre Texte. Das heisst allerdings nicht, dass wir keine Texte ablehnen – im Gegenteil. Was teilweise unseren Leserinnen und Lesern nicht bewusst ist bzw. sein kann: Wir veröffentlichen auch Texte von jungen Autorinnen und Autoren, die ev. noch nicht auf eine lange Forschungskarriere zurückblicken können, und deren Beiträge deswegen eventuell etwas "wackelig" erscheinen mögen. Zudem sind wir nicht völlig abgeneigt, auch mal einen vom Mainstream abweichenden Text zu veröffentlichen, als agent provocateur sozusagen. Dass dies aber Ausnahmen sind, wird ein Blick auf unsere Homepage bestätigen.
Seit dem Start am 22. März 2010 haben wir 1387 Artikel (Stand 29. November 2018) von 963 Autorinnen und Autoren veröffentlicht. Der Bestseller ist seit Langem ein Beitrag von Matthias Binswanger über – Ironie der ganzen Geschichte – das Versagen der Uni-Ökonomen. Allgemein generierten Themen zur Ökonomik per se erhöhte Aufmerksamkeit. Ebenfalls beliebt waren Artikel zur Geldschöpfung, die zu eigentlichen Kommentarschlachten geführt haben. Generell spiegelt die Ökonomenstimme die aktuell virulenten ökonomischen Geschehnisse ab. Die Griechenlandkrise in den Jahren 2015 wurde vielfach beschrieben. Aber auch die TARGET-Salden der EZB waren ein beliebtes Thema.
Krise der Medien, Stimme der Ökonomen
In die Zeit der Ökonomenstimme fällt auch die Krise der Medien, die sich u.a. darin äussert, dass immer weniger Journalisten immer mehr Kommunikationsleuten gegenüberstehen. Von daher – so unsere These – werden Plattformen wie die Ökonomenstimme wichtiger, da sie zur Verbreitung von ökonomischem Wissen, das in den Reaktionen der Zeitungen etwas verloren gegangen zu sein scheint, zumindest partiell beitragen können. Die Zeitungen sind nicht ersetzbar, aber neue Formen der Vermittlung scheinen angebracht, insbesondere in Zeiten des ökonomischen Populismus, der überall grassiert. Ökonomen sollten versuchen, ihren Teil zu einer funktionierenden Gesellschaft beizutragen, in der es oft darum geht, Ressourcen mehr oder minder effektiv und effizient zu verteilen. Und sie sollten ihre Ratschläge verständlich verbreiten und sich nicht scheuen, an die Öffentlichkeit zu treten.
Nach acht Jahren ist es höchste Zeit, die Ökonomenstimme technologisch und redaktionell zu überarbeiten. Diese Aufgabe werden meine Nachfolger übernehmen. Falls Sie Ideen dazu haben, wie die Ökonomenstimme in Zukunft aussehen soll oder falls Sie uns Ihre Wünsche mitteilen möchten, können Sie das gerne in den Kommentarspalten kundtun. Noch etwas zu den Kommentaren: Beleidigungen sowie fachfremde und nicht inhaltsorientierte Meinungen interessieren hier niemanden.
Ich danke allen Leserinnen und Lesern, allen Autorinnen und Autoren herzlich für ihr Interesse in den letzten Jahren und hoffe, Sie bleiben der Ökonomenstimme erhalten.
David Iselin
©KOF ETH Zürich, 30. Nov. 2018