Die Deutsche Bundesbank weist einen positiven Jahresabschluss 2016 auf, der es ihr erlaubt, einen hohen Bilanzgewinn zugunsten des Bundeshaushalts auszuschütten. Allerdings täuscht dieses Ergebnis darüber hinweg, dass im Zusammenhang mit den TARGET2-Salden beachtliche Risiken bestehen, wie dieser Beitrag zeigt. Die Deutsche Bundesbank weist im Jahresabschluss 2016 trotz steigender Risiken immerhin noch einen Jahresüberschuss von 963 Mio. € und einen Bilanzgewinn von 399 Mio. € aus (Deutsche Bundesbank 2016, S. 58).[ 1 ] Der Bilanzgewinn kann mit entsprechender politischer Signalwirkung zugunsten des Bundeshaushalts ausgeschüttet werden. Die Einstellung in die Rücklage wegen der Ausschüttungssperre gemäß § 253 Abs. 6 HGB hätte allerdings handelsrechtlich unterbleiben können (Deutsche Bundesbank 2016, S. 58 und 85). Dann könnte – sofern genügend freie Rücklagen verfügbar – der gesamte Jahresüberschuss ausgeschüttet werden. Den Erläuterungen ist aber zu entnehmen, dass die vor Einstellung bereits vorhandenen Rücklagen die gesetzliche Rücklage nach § 27 Nr.1 BBankG betreffen (Deutsche Bundesbank 2016, S. 79), die wegen der Zweckbindung (Ausgleich von Wertminderungen und Verlustdeckung) nicht als frei verfügbar im Sinne des § 253 Abs. 6 HGB einzustufen ist.
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Die Deutsche Bundesbank weist einen positiven Jahresabschluss 2016 auf, der es ihr erlaubt, einen hohen Bilanzgewinn zugunsten des Bundeshaushalts auszuschütten. Allerdings täuscht dieses Ergebnis darüber hinweg, dass im Zusammenhang mit den TARGET2-Salden beachtliche Risiken bestehen, wie dieser Beitrag zeigt.
Die Deutsche Bundesbank weist im Jahresabschluss 2016 trotz steigender Risiken immerhin noch einen Jahresüberschuss von 963 Mio. € und einen Bilanzgewinn von 399 Mio. € aus (Deutsche Bundesbank 2016, S. 58).[ 1 ] Der Bilanzgewinn kann mit entsprechender politischer Signalwirkung zugunsten des Bundeshaushalts ausgeschüttet werden. Die Einstellung in die Rücklage wegen der Ausschüttungssperre gemäß § 253 Abs. 6 HGB hätte allerdings handelsrechtlich unterbleiben können (Deutsche Bundesbank 2016, S. 58 und 85). Dann könnte – sofern genügend freie Rücklagen verfügbar – der gesamte Jahresüberschuss ausgeschüttet werden. Den Erläuterungen ist aber zu entnehmen, dass die vor Einstellung bereits vorhandenen Rücklagen die gesetzliche Rücklage nach § 27 Nr.1 BBankG betreffen (Deutsche Bundesbank 2016, S. 79), die wegen der Zweckbindung (Ausgleich von Wertminderungen und Verlustdeckung) nicht als frei verfügbar im Sinne des § 253 Abs. 6 HGB einzustufen ist. Mit der freiwilligen Rücklagenbildung hat man sicherlich Diskussionen um die Ausschüttungsfähigkeit an den Bund nach § 27 Nr.2 BBankG vermieden. Die wesentliche Reduzierung des Ausschüttungspotentials erfolgte sowieso nicht im Rahmen der Gewinnverwendung, sondern bei der Gewinnermittlung. Hier wurden eine Reihe von Risiken aufwandswirksam berücksichtigt, indem die Rückstellung für allgemeine Wagnisse von 13.600 Mio. € um 1.750 Mio. auf 15.350 € Mio. € erhöht wurde (Deutsche Bundesbank 2016, S. 76).
Vernachlässigte Vermögensrisiken
Allerdings werden mit erheblichen Vermögensrisiken behaftete sonstige Forderungen i.H.v. 754.534 963 Mio. €. aktiviert (Deutsche Bundesbank 2016, S. 56). Dazu heißt es:
"Aus dem Individualzahlungssystem TARGET2 des Eurosystems ergeben sich aus grenzüberschreitenden Zahlungen Verrechnungssalden zwischen den Zentralbanken im ESZB, aus denen am Tagesende ein Nettosaldo gegenüber der EZB gebildet wird. Im Jahr 2016 ist dem deutschen Bankensystem über TARGET2 in erheblichem Umfang Zentralbankgeld zugeflossen. Zum Jahresende ergibt sich daher eine um 170 053 Mio € auf 754 263 Mio € gestiegene Nettoforderung der Bundesbank gegenüber der EZB, welche in der Unterposition 9.4 ‚Sonstige Forderungen‘ ausgewiesen wird" (Deutsche Bundesbank 2016, S. 71).
Die damit verbundenen Vermögensrisiken wurden nicht berücksichtigt und hätten der Höhe nach einen Jahresüberschuss (Gewinn) leicht in einen Jahresfehlbetrag (Verlust) verwandeln können. Das erfährt der Leser des Geschäftsberichts 2016 bei den Erläuterungen zu den Rückstellungen für allgemeine Wagnisse:
"Unberücksichtigt bleiben bei der Risikobetrachtung die Risiken aus der TARGET2-Forderung der Bundesbank gegenüber der EZB und aus der Emission von Euro-Banknoten. Zwar könnte die Bundesbank hypothetisch (im Falle der TARGET2-Forderung nur indirekt als Anteilseigner der EZB) von Risiken betroffen sein, denen das Eurosystem ausgesetzt ist, sofern ein Land den gemeinsamen Währungsraum verlassen und dessen Zentralbank ihre TARGET2-Verbindlichkeit gegenüber der EZB beziehungsweise ihre Banknotenverbindlichkeiten gegenüber der EZB (8%-Anteil) und den nationalen Zentralbanken nicht begleichen würde. Die Bundesbank geht jedoch nicht vom Eintreten dieses Szenarios aus, sodass letztlich die Kreditrisiken ausschlaggebend sind, die sich aus den Operationen des Eurosystems zur Liquiditätsbereitstellung ergeben" (Deutsche Bundesbank 2016, S. 76).
Bei der Zuführung zur Rückstellung für allgemeine Wagnisse i.H.v. 1.750 Mio. € werden u.a. auch Kreditrisiken aufgrund von EZB-Entscheidungen berücksichtigt (vgl. im Einzelnen Deutsche Bundesbank 2016, S. 75 f). Bemerkenswerterweise werden dabei aber die zum Bilanzstichtag 2016 bestehenden Zinsänderungsrisiken willkürlich nur zur Hälfte erfasst:
"Für den Jahresabschluss 2017 ist eine weitere Aufstockung der Risikovorsorge zu erwarten, da die Zinsänderungsrisiken im Jahresabschluss 2016 nur hälftig berücksichtigt wurden" (Deutsche Bundesbank 2016, S. 76).
Warum "nur hälftig"? Anscheinend kann der Gewinn oder Verlust der Bundesbank fast beliebig über die Zuführung oder Auflösung der Rückstellung für allgemeine Wagnisse gesteuert werden.
Rechtsgrundlage für die Bilanzierungsweise
Die Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen müsste in § 26 Abs. 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank zu finden sein, wo es heißt:
"Das Rechnungswesen der Deutschen Bundesbank hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Der Jahresabschluß ist unter Berücksichtigung der Aufgaben der Deutschen Bundesbank, insbesondere als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken, aufzustellen und mit den entsprechenden Erläuterungen offenzulegen; die Haftungsverhältnisse brauchen nicht vermerkt zu werden. Soweit sich aus Satz 2 keine Abweichungen ergeben, sind für die Wertansätze die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden. Die Bildung von Passivposten im Rahmen der Ergebnisermittlung auch für allgemeine Wagnisse im In- und Auslandsgeschäft, wie sie unter Berücksichtigung der Aufgabe der Deutschen Bundesbank im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung für zulässig gehalten wird, bleibt unberührt" (§ 26 Abs. 2 BBankG).
Die Rückstellungen für allgemeine Wagnisse gehen folglich über die Bilanzierung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), die sich in den Wertansätze nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für Kapitalgesellschaften konkretisieren, hinaus. Es können also mehr Risiken als in einem normalen HGB-Abschluss nach GoB von Kapitalgesellschaften berücksichtigt werden. Maßgeblich für die Risikovorsorge sind:
- die Aufgaben der Deutschen Bundesbank und
- die vernünftige kaufmännische Beurteilung.
Sowohl die vollständige Vernachlässigung der TARGET2-Risiken als auch die nur willkürlich zur Hälfte berücksichtigten Zinsänderungsrisiken scheinen nicht unbedingt das Ergebnis einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung zu sein, da ein Kaufmann im Zweifel eher vorsichtig bilanzieren würde. Das Vorgehen ließe sich wohl mit den Aufgaben der Deutschen Bundesbank begründen, wobei hier die kaufmännische Beurteilung aufhört und die willkürliche Schätzung anfängt. Zudem ist unklar, inwieweit im Einklang mit der Bilanzierungspraxis von Kreditinstituten, welche den handelsrechtlichen Vorschriften für große Kapitalgesellschaften unterliegen, ein Rückstellungstest für das allgemeine Zinsänderungsrisiko vorgenommen wurde (IDW RS BFA 3; Haaker 2012).
Handelsrechtliche Beurteilung
Die Rückstellung für allgemeine Wagnisse stellt eine Besonderheit des BBankG dar und lässt sich nicht aus den handelsrechtlichen Vorschriften ableiten. Allerdings werden nach HGB bestimmte Vermögensrisiken durch außerplanmäßige Abschreibungen erfasst.
Der Ausweis als sonstige Forderungen stellt klar, dass es sich bei den TARGET2-Nettoforderungen um handelsrechtliche Vermögensgegenstände handelt. Diese sind, da sie als "Verrechnungssalden" nicht langfristig dem Geschäftsbetrieb dienen, dem Umlaufvermögen zuzuordnen (§ 247 Abs. 2 HGB). Nach den handelsrechtlichen Vorschriften und den GoB unterliegen sie somit dem strengen Niederstwertprinzip. Unabhängig von der Dauer der Wertminderung sind somit Abschreibungen auf einen den Buchwert unterschreitenden beizulegenden Wert erforderlich (§ 253 Abs. 4 HGB).
Nicht ausgeglichene "Verrechnungssalden" erscheinen als Forderungen zumindest zweifelhaft. (Warum erfolgte der Ausgleich nicht?) Soweit der Schuldner nicht mehr oder nur noch im geringeren Umfang Kapitaldienstfähig ist und keine ausreichenden Sicherheiten oder Haftungszusagen bestehen, müsste der beizulegende Wert unter dem Buchwert einer Forderung liegen. Hier weist die Deutsche Bundesbank aber darauf hin, dass die Forderung gegenüber der EZB besteht und die Risiken nur indirekt die Beteiligungsposition an der EZB betreffen. Auch dieser Posten wird nicht abgeschrieben. In diesem Zusammenhang wäre nicht uninteressant, wie die EZB in ihrem Abschluss mit den TARGET2-Forderungen gegenüber anderen nationalen Notenbanken umgeht.
Die von den Risiken betroffene Beteiligung an der EZB betrifft das nach Art. 28 EZB-Satzung gezeichnet Kapital und wird (trotz Anteilscharakter merkwürdigerweise unter den "Forderungen" innerhalb des Eurosystems) unverändert mit 1.948 Mio. € ausgewiesen (Deutsche Bundesbank 2016, S. 56). Als Anlagevermögen, welches dauernd dem Geschäftsbetrieb dient, wäre nach § 253 Abs. 3 HGB eine außerplanmäßige Abschreibung nur bei einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung zwingend vorzunehmen. Inwieweit hier die indirekten Risiken aus TARGET2 zum Tragen kommen, lässt sich schwer beurteilen. Doch gilt auch hier, dass der Jahresabschluss unter Berücksichtigung der Aufgaben der Deutschen Bundesbank aufzustellen ist (§ 26 Abs. 2 BBankG). Daraus lassen sich mit etwas Phantasie Abweichungen vom handelsrechtlichen Vorgehen begründen.
Bedeutung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
Für die Darstellung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (§ 264 Abs. 2 HGB) dürften die mit TARGET2 zusammenhängenden sonstigen Forderungen jedenfalls wesentlich sein (in Mio. €), denn
- sie belaufen sich auf mehr als die Hälfte der Bilanzsumme:
Sonstige Forderungen / Bilanzsumme = 754.534 / 1.393.014 = 54 %,
- übersteigen das Eigenkapital (Grundkapital und Rücklagen) um das 135-fache:
Sonstige Forderungen / Nach Ausschüttung verbleibendes Eigenkapital
= 754.534 / 5. 564 = 13.561 %
und
- führten bei einem Wegfall zu einem hohen negativen Eigenkapital:
Eigenkapital (nach Ausschüttung) - sonstigen
Forderungen =5.564 - 754.534 =
-748.970 Mio. €.
Fazit
Gewinne der Deutschen Bundesbank sind nach Erreichung der gesetzlichen Rücklage nach § 27 BBankG an den Bund auszuschütten. Der betreffende Jahresabschluss ist unter Berücksichtigung der Aufgaben der Deutschen Bundesbank aufzustellen (§ 26 Abs. 2 BBankG). Die gestiegenen Rückstellungen und das "knappe Ergebnis" rechtfertigte Bundesbankpräsident Jens Weidmann wie folgt:
"Es ist nicht unser Geschäftsmodell, Gewinne für den Bundesfinanzminister zu produzieren" (zitiert nach o.V. 2017).
Angesichts der hohen Risiken im Zusammenhang mit den als Geldpolitik bezeichneten EZB-Maßnahmen und der sog. Eurorettung möchte man ergänzen:
"Es ist auch nicht Aufgabe der Deutschen Bundesbank, einen Verlust für den Bundesfinanzminister zu vermeiden."
Deutsche Bundesbank (2016), Geschäftsbericht 2016[ a ].
Haaker, Andreas (2012), Zur verlustfreien Bewertung des Bankbuches im handelsrechtlichen Jahresabschluss von Kreditinstituten, in: Seicht, Gerhard (Hrsg.), Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2012, Wien 2012, S. 99-114.
o.V. (2017), Schäubles Haushalt ohne Bundesbank-Milliarden, in: Börsen-Zeitung (BZ), Nr. 39 vom 24.02.2017, S. 1.
©KOF ETH Zürich, 7. Mär. 2017