Führt mehr Immigration zu mehr Terrorismus? Ja, doch handelt es sich dabei grösstenteils um einen reinen Skaleneffekt: Von einer wachsenden Bevölkerung, unabhängig ob einheimisch oder ausländisch, geht ein etwas erhöhtes Terrorrisiko aus, wie dieser Beitrag zeigt. Zudem zeigt sich, dass ein Einwanderungsstopp das Risiko von Terroranschlägen auf kurze Sicht sogar erhöhen kann. "Um Bombenanschläge wie in Manchester auf amerikanischem Boden zu vermeiden, integriere Muslime[ a ]," "Wir müssen Muslimische Immigration mit offenen Augen betrachten[ b ]"[ 1 ] und "Europäer gegen muslimische Einwanderung[ c ]" sind nur drei der vielen Schlagzeilen, die die Bedrohung durch Terroranschläge mit muslimischen Einwanderern in Verbindung bringen. In der Europäischen Union spricht sich die
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Axel Dreher, Martin Gassebner, Paul Schaudt considers the following as important:
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Führt mehr Immigration zu mehr Terrorismus? Ja, doch handelt es sich dabei grösstenteils um einen reinen Skaleneffekt: Von einer wachsenden Bevölkerung, unabhängig ob einheimisch oder ausländisch, geht ein etwas erhöhtes Terrorrisiko aus, wie dieser Beitrag zeigt. Zudem zeigt sich, dass ein Einwanderungsstopp das Risiko von Terroranschlägen auf kurze Sicht sogar erhöhen kann.
"Um Bombenanschläge wie in Manchester auf amerikanischem Boden zu vermeiden, integriere Muslime[ a ]," "Wir müssen Muslimische Immigration mit offenen Augen betrachten[ b ]"[ 1 ] und "Europäer gegen muslimische Einwanderung[ c ]" sind nur drei der vielen Schlagzeilen, die die Bedrohung durch Terroranschläge mit muslimischen Einwanderern in Verbindung bringen.
In der Europäischen Union spricht sich die Mehrheit der Einwohner für ein Einreiseverbot von Bürgern islamischer Ländern aus. Mehrheitlich werden Flüchtlinge – und besonders Flüchtlinge aus muslimischen Ländern – als Terrorrisiko gesehen[ d ]. Der amerikanische Präsident Donald Trump scheint diese Bedenken zu teilen. Sein gerade erst verhängter Einwanderungsstopp verbietet Menschen aus sechs Ländern mit vornehmlich muslimischer Bevölkerung die Einreise in die Vereinigten Staaten.
Der US-Einwanderungsstopp ist zwar extrem, aber keine Ausnahme. Striktere Einwanderungs- und Visaregelungen sind eine häufige Antwort der Politik auf Terroranschläge (Martin und Martin 2004, Avdan 2014). Im Lichte dieser reflexhaften Reaktionen auf Terror überrascht die fehlende empirische Evidenz für einen Zusammenhang zwischen einer liberalen Einwanderungs- und Integrationspolitik und Terrorismus. Frühere Studien über die Verbindung zwischen Terroranschlägen und Migration untersuchen entweder die Wirkung von Terrorismus auf Migration (z.B. Dreher et al. 2011) oder verwenden Daten von Terroristen mit Einwanderungsstatus anstelle von systematischen länderübergreifenden Zeitreihendaten über Migration und Terror (Kephart 2005, Leiken und Brooke 2006). Studien die sich auf Terroristen mit Migrationshintergrund konzentrieren finden eine enge Verbindung zwischen Einwanderung und Terror. Da sie aber nicht die Gesamtheit der Einwanderungsströme untersuchen, sondern nur Terroristen mit Immigrationshintergrund, geben diese Studien keine Auskunft über die Beziehung zwischen Migration und Terror insgesamt (Spencer 2007). Nur eine der bisherigen statistischen Analysen untersucht den Zusammenhang zwischen Migration und Terror systematisch (Bove and Böhmelt 2016). Die Studie zeigt, dass Migration mit weniger Terroranschlägen einhergeht.
Mehr Ausländer, mehr Terrorismus?
In Dreher, Gassebner und Schaudt (2017) untersuchen wir, ob die Zahl der Ausländer, die in einem Land leben, die Zahl von Terroranschlägen in ihren Gastländern beeinflusst. In einem durchschnittlichen Land der OECD wurden in den Jahren 1980-2010 für jede Million Ausländer im Land 0,8 Terrorattacken pro Jahr verübt (die Gesamtzahl transnationaler Anschläge betrug 662). Dass die Zahl der Anschläge mit der Zahl der Einwohner steigt ist offensichtlich (schließlich können in Ländern ohne Ausländer keine Anschläge von Ausländern verübt werden). Bei gegebener Zahl an Ausländern kommt es durchschnittlich allerdings insgesamt zu nur einem Anschlag pro Jahr und Gastland. 1,3 Menschen sterben dabei.
Verglichen mit Terroranschlägen aus den Reihen der einheimischen Bevölkerung kommt es zu länderübergreifendem Terrorismus selten (in den 20 OECD-Ländern unserer Studie gab es in den Jahren 1980 bis 2010 nur 2859 Anschläge aus der heimischen Bevölkerung). Relativ zur Bevölkerungsgröße ergibt sich zwar ein anderes Bild – eine Million Inländer verübt weniger als 0.18 Terroranschläge pro Land und Jahr. Obwohl Ausländer somit wahrscheinlicher in Anschläge auf die einheimische Bevölkerung involviert sind als Inländer an Anschlägen auf ihr eigenes Land beteiligt sind, ist die Gefahr, die von jedem weiteren Ausländer ausgeht, aber klein.
In unserer statistischen Analyse untersuchen wir, ob und inwieweit ein Anwachsen der ausländischen Bevölkerung in einem durchschnittlichen OECD Land das Risiko von Terroranschlägen durch Ausländer in ihrem Gastland erhöht. Wir instrumentieren die Zahl der in einem OECD Land lebenden Ausländer mit Hilfe von Naturkatastrophen, die sich in Abhängigkeit von den Beziehungen der Gast- und Herkunftsländer unterschiedlich auf die Migration zwischen diesen Ländern auswirken.
Mehr Menschen, mehr Terrorismus
Für die 20 OECD-Länder und 183 Herkunftsländer in unserem Datensatz finden wir, dass die Häufigkeit von Terroranschlägen mit der Zahl der im Gastland lebenden Ausländer steigt. Dieser Skaleneffekt impliziert allerdings nicht, dass von Ausländern ein höheres Terrorrisiko ausgeht als von Inländern. Wenn wir die Auswirkung einer wachsenden Bevölkerung auf die Häufigkeit von Terroranschlägen schätzen, ergibt sich für die heimische Bevölkerung ein ähnlicher Effekt. Zusätzliche Einwanderer neigen im Durchschnitt nicht eher zu terroristischen Handlungen als zusätzliche Inländer. Nach unseren Schätzungen impliziert ein Bevölkerungsrückgang um 0,0002 Prozent (laut OECD der durchschnittliche Rückgang der einheimischen Bevölkerung der 20 OECD-Länder im Jahr 2015) ungefähr 0,00025 Terroranschläge weniger pro Land und Jahr. Die ausländische Bevölkerung ist in der OECD im Jahr 2015 um 3,6 Prozent gewachsen. Nach unseren Ergebnissen hat die Zahl der Anschläge dadurch um 0,04% zugenommen. Eine solch kleine Zahl kann kaum der Rechtfertigung von Zuwanderungsbeschränkungen dienen.
Die Ergebnisse unterscheiden sich kaum, wenn wir die Untersuchung auf Immigranten aus muslimischen Ländern beschränken. Es gibt keine systematischen Belege die zeigen, dass Terror aus Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung importiert wird. Die Ausnahmen sind Algerien und Iran, für die wir ein höheres Terrorrisiko finden (basierend auf Anschlägen algerischer Fundamentalisten in Frankreich Mitte der 80er bis Mitte der 1990er Jahre und 18 Anschlägen iranischer Terroristen in Frankreich und Deutschland in den 1980er und frühen 90er Jahren). Die häufig verwendete Bezeichnung als „muslimischer" oder „islamischer" Terror scheint als Klassifikation ungeeignet oder zumindest wenig bedeutend. In den Jahren 1980-2005 waren Moslems nur an sechs Prozent aller in den USA verübten Terroranschläge beteiligt[ e ] (und weniger als zwei Prozent aller Anschläge in Europa waren in den Jahren 2009-2013 religiös motiviert).
Unsere Ergebnisse lassen auch Rückschlüsse über die Wirkung einer strikten Regulierung von Immigration und Integration von Ausländern im Gastland zu. Gesetze, die die Integration und die Rechte von Migranten einschränken, führen nach unseren Ergebnissen zu mehr statt weniger Terror. Die Beschränkung von Migration lässt zwar die Zahl der Ausländer im Land weniger stark wachsen, führt aber auch zu einer Entfremdung der bereits im Land lebenden Ausländer. Die Unterdrückung der bereits im Land lebenden Migranten erhöht dann das Terrorrisiko anstatt es zu reduzieren. Strenge Einwanderungsgesetze sind somit ein zweischneidiges Schwert. Während sie auf die lange Frist das Terrorrisiko vielleicht in geringem Umfang reduzieren können (da die Bevölkerung weniger stark wächst), wird die Wahrscheinlichkeit von Terror kurzfristig zunehmen (weil die bereits im Land lebende Bevölkerung reagiert).
Unsere Studie kann den Zusammenhang zwischen Migration und Terror nicht endgültig klären. Wir haben keine Informationen darüber, welche spezifischen Einwanderer an Terroranschlägen beteiligt sind. Stattdessen stützt sich unsere Untersuchung auf die verfügbaren Daten über Terroranschläge aller Ausländer. Damit können wir das Terrorrisiko schätzen, das mit einer größeren Zahl von Einwanderern verbunden ist. Ob Migranten aus bestimmten Ländern an Terroranschlägen beteiligt sind, lässt sich hingegen nicht sagen. Dafür wären detailliertere Daten auf Personenebene nötig, die es für eine große Zahl an Ländern und Jahren nicht gibt.
Die verwendeten Daten enden im Jahr 2010 und decken den Anstieg der ausländischen Bevölkerung infolge der Flüchtlingskrise nicht ab. Unser Fokus auf Einwanderer, die bereits in einem Land leben, statt auf Migrationsströme, reduziert mögliche Bedenken der Übertragbarkeit unserer Ergebnisse auf die Gegenwart. Trotzdem könnte sich die jüngste Migrationswelle von vergangener Migration unterscheiden. Selbst dann weisen unsere Ergebnisse aber auf einen wichtigen Trade-off hin. Auf der einen Seite können striktere Einwanderungsgesetze den Zufluss von Ausländern und somit womöglich die Zahl von zukünftigen Terroranschlägen reduzieren. Auf der anderen Seite erhöhen diese auch die Wahrscheinlichkeit, dass die bereits in den betreffenden Ländern lebenden Ausländern zu Gewalt greifen. Einwanderungsstopps in der Art, wie Präsident Trump sie unlängst verhängt hat, werden unter Umständen das Risiko von Terroranschlägen zunächst erhöhen, bevor sie es möglicherweise in kommenden Jahren, nachdem die ausländische Bevölkerung schließlich geschrumpft oder zumindest weniger stark gewachsen ist, verringern.
Eine Untersuchung, die sich ausschließlich auf die (Terror-)Kosten der Einwanderung stützt kann keine Empfehlung darüber abgeben, ob Beschränkungen der Zuwanderung insgesamt nützlich sind. Schnelle Autos führen zu schwereren Unfällen und Toten und Passagiere kommen bei Flugzeugabstürzen um Leben. Bevölkerungswachstum in Städten führt zu einer höheren Anzahl von Mordfällen. Trotzdem wird selten gegen Autobahnen, Flugzeuge oder Städte argumentiert. Genauso erhöht eine größere Zahl an Menschen das Risiko, dass einige davon zu Terroristen werden. Das gilt für die einheimische und ausländische Bevölkerung gleichermaßen. Der kleine Anstieg des Terrorrisikos kann kaum rechtfertigen, Einwanderung als Ganzes (oder aus bestimmten Ländern) abzulehnen. Die erhöhte Gefahr von Terroranschlägen sollte vielmehr mit der Vielzahl anderer – positiver wie auch negativer – Auswirkungen der Zuwanderungen abgeglichen werden. Unsere Untersuchung lässt keine Rückschlüsse auf die gesamten Kosten und Nutzen der Migration zu. Sie beleuchtet nur einen Aspekt der Zuwanderung und zeigt, dass ein Einwanderungsstopp das Risiko von Terroranschlägen auf kurze Sicht erhöht anstatt die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.
Avdan, Nazli, 2014, Controlling Access to Territory: Economic Interdependence, Transnational Terrorism, and Visa Policies, Journal of Conflict Resolution 58, 4: 592-624.
Bove, Vincenzo, Tobias Böhmelt, 2016, Does Immigration Induce Terrorism? Journal of Politics 78, 2: 572-588.
Dreher, Axel, Martin Gassebner, Paul Schaudt, 2017, The Effect of Migration on Terror - Made at Home or Imported from Abroad?[ f ] CEPR Discussion Paper No. DP12062.
Dreher, Axel, Daniel Meierrieks, Tim Krieger, 2011, Hit and (They Will) Run: The Impact of Terrorism on Migration, Economics Letters 113, 1: 42-46.
Kephart, Janice L., 2005, Immigration and Terrorism – Moving Beyond the 9/11 Staff Report on Terrorist Travel, Washington: Center for Immigration Studies.
Leiken, Robert S., Steven Brooke, 2006, The Quantitative Analysis of Terrorism and Immigration: An Initial Exploration, Terrorism and Political Violence 18, 4: 503-521.
Spencer, Alexander, 2007, Using Immigration Policies as a Tool in the War on Terror, Crossroads 7, 1: 17-53.
©KOF ETH Zürich, 17. Aug. 2017