Wie kann eine sinnvolle öffentliche Medienförderung im digitalen Zeitalter aussehen? Dieser Beitrag macht – am Beispiel der Schweiz – einen Vorschlag, der auf einer laufenden dezentralen Überprüfung der gesendeten Inhalte beruht und analog die Fördergelder verteilt. Dadurch entstünden Anreize, möglichst informative Inhalte zu produzieren, die an andere Anbieter verkauft werden können. In der Schweiz, aber auch in Deutschland und Österreich wird endlich vermehrt kritisch über den Auftrag des öffentlichen Rundfunks debattiert. Die grundlegenden Probleme in diesen drei Märkten sind ähnlich: Die Revolution in der Informationstechnologie hat die traditionellen Rechtfertigungen für öffentlich organisierten Rundfunk über den Haufen geworfen. Die aus den Anfängen des Rundfunks stammenden Medienordnungen mit hochsubventionierten öffentlichen Radio- und Fernsehsendern sind zu überdenken und neu zu ordnen. Die Analyse und unser Lösungsvorschlag zur Neugestaltung der Medienpolitik in der Schweiz können auch auf Deutschland und Österreich übertragen werden.
Topics:
Reiner Eichenberger, Peter Hettich, Mark Schelker considers the following as important:
This could be interesting, too:
Frank Schäffler writes Stellungnahme Correctiv-Bericht 19.12.2024
Swiss National Bank writes New on the website 1970-01-01 01:00:00
Dirk Niepelt writes “Report by the Parliamentary Investigation Committee on the Conduct of the Authorities in the Context of the Emergency Takeover of Credit Suisse”
Investec writes Federal parliament approves abolition of imputed rent
Wie kann eine sinnvolle öffentliche Medienförderung im digitalen Zeitalter aussehen? Dieser Beitrag macht – am Beispiel der Schweiz – einen Vorschlag, der auf einer laufenden dezentralen Überprüfung der gesendeten Inhalte beruht und analog die Fördergelder verteilt. Dadurch entstünden Anreize, möglichst informative Inhalte zu produzieren, die an andere Anbieter verkauft werden können.
In der Schweiz, aber auch in Deutschland und Österreich wird endlich vermehrt kritisch über den Auftrag des öffentlichen Rundfunks debattiert. Die grundlegenden Probleme in diesen drei Märkten sind ähnlich: Die Revolution in der Informationstechnologie hat die traditionellen Rechtfertigungen für öffentlich organisierten Rundfunk über den Haufen geworfen. Die aus den Anfängen des Rundfunks stammenden Medienordnungen mit hochsubventionierten öffentlichen Radio- und Fernsehsendern sind zu überdenken und neu zu ordnen. Die Analyse und unser Lösungsvorschlag zur Neugestaltung der Medienpolitik in der Schweiz können auch auf Deutschland und Österreich übertragen werden.
Der Schweizer Bundesrat wollte die geltende Medienordnung, mit einer dominanten Stellung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) beibehalten, aber die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen KVF-N wies den Bundesratsbericht zurück und verlangte Ergänzungen, die auf grundsätzliche Fragen zielen: Welche medialen Leistungen erwarten wir in Zukunft? Wer soll diese erbringen? Wie viele Ressourcen wollen wir dafür einsetzen? Wo liegt Marktversagen vor und wie wird ein öffentliches Angebot gerechtfertigt?
Analog richtig, digital falsch
Einstmals war die Produktion und Verbreitung von Radio- und Fernsehinhalten mit sehr hohen Fixkosten verbunden. Die Aufnahmegeräte waren teuer, die Verbreitungsnetze investitionsintensiv, und die Übertragungskanäle knapp. Ein Markt konnte so nicht funktionieren und eine staatliche Förderung von Radio und Fernsehen war unabdingbar. Die Digitalisierung hat das grundlegend verändert: Die Produktionskosten sind stark gesunken und die Inhalte können über verschiedene Netze übertragen werden. Dank Internet haben wir fast überall Zugang zu unterschiedlichsten medialen Inhalten, seien dies Presseerzeugnisse, Radio und Fernsehen oder neue webbasierte Medien. Das Internet lässt die Medien konvergieren, sodass die Medienprodukte nun im direkten Wettbewerb zueinanderstehen.
Mit dem technischen Fortschritt sind nicht nur die alten ökonomischen Rechtfertigungen für einen Staatseingriff entfallen. Die heutige Unterscheidung zwischen Presse, Radio, Fernsehen und Online-Medien, welche auf der Übermittlungstechnologie basiert, ist zunehmend hinfällig und schädlich. Schlimmer noch: Das heute bestehende Förderregime hat unter den neuen technologischen Bedingungen tiefgreifende, negative Konsequenzen für die Medienvielfalt. Im medialen Wettbewerb treffen heute die privaten Anbieter, die sich über Leser- und Werbemärkte eigenständig finanzieren müssen, direkt auf die grossenteils staatlich finanzierte SRG. Von der gesamten Medienförderung von etwa 1400 Millionen Franken pro Jahr erhielt die SRG 2015 1235 Millionen. Diese asymmetrische Förderung war solange wenigstens halbwegs verantwortbar, als der Radio- und Fernsehmarkt vom Pressemarkt klar getrennt waren. Im digitalen Zeitalter ist die Trennung aufgehoben, die Spiesse der Wettbewerber dadurch ungleich lang. Hinzu kommt die starke Stellung der SRG im Werbemarkt. Laut Werbestatistik Schweiz sind die Nettoumsätze zwischen 2010 und 2015 im Fernsehbereich bei einem SRG-Marktanteil von 50 Prozent von 669 auf 749 Millionen Franken angestiegen im Pressebereich hingegen von 2001 auf 1436 Millionen Franken eingebrochen.
Je länger diese Asymmetrie weiterbesteht, desto dramatischer werden die Probleme. Die These wonach die Meinungsvielfalt am besten durch eine einzige marktbeherrschende Anbieterin gewährleistet wird, ist vor dem Hintergrund der realen Verhältnisse völlig unhaltbar und in sich widersprüchlich – ein Relikt aus dem analogen Zeitalter der knappen Frequenzen. Um die Medienvielfalt auch in Zukunft zu bewahren, sollte die Medienförderung von der Übertragungstechnologie losgelöst werden.
Medienförderung bleibt wichtig
Der heutige verfassungsrechtliche Auftrag an Radio und Fernsehen ist vielfältig. Die darin enthaltene Berichterstattung über Sport sowie Unterhaltung, wofür die gebührenfinanzierten Sender einen grossen Teil ihrer Ressourcen aufwenden, kann heute vom Markt gewährleistet werden. In anderen Bereichen verbleiben aber Formen des Marktversagens, die staatliche Eingriffe in den medialen Wettbewerb rechtfertigen. Dies gilt vor allem für den Informationsauftrag, besonders für Informationen zum gesellschaftlichen und politischen Geschehen in den Regionen. Eine funktionierende Demokratie in Bund, Kantonen und Gemeinden ist auf informierte Bürger angewiesen; eine Intervention zur Sicherstellung des Zugangs zu vielfältiger Information kann daher notwendig sein. Ökonomen sprechen von einer positiven Externalität. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt den fruchtbaren Einfluss von konkurrierenden Medien auf die politische Bildung sowie die demokratische Partizipation und Kontrolle durch die Bürger. Da die anderen im heutigen Programmauftrag genannten Leistungen, wohl mit Ausnahme kultureller Inhalte, am Markt finanziert werden können, erscheint die Förderung mehrerer Vollprogramme eines einzigen «öffentlichen Medienhauses» als anachronistisch.
Hingegen bleibt die Sicherstellung einer qualitativ guten Informationsleistung der Medien zentral. Diese Informationsleistung bedarf vielfältiger Medien, die im publizistischen und ökonomischen Wettbewerb zur Informiertheit der Bürger beitragen. Eine Förderpolitik sollte daher alle Medien einbeziehen, auf Vielfalt setzen und die Unabhängigkeit des Mediensystems vor politischer Vereinnahmung sicherstellen. Die Fördergelder dürfen nicht an einzelne privilegierte Anbieter fest zugeteilt werden, sondern sollten in einem offenen, wettbewerblichen Prozess vergeben werden.
Zukunftsfähiges Fördermodell
Unser Vorschlag fokussiert auf die Informationsleistung der Medien und basiert auf vier Elementen. Erstens, sollte die Finanzierung demokratisch gut legitimiert werden. Dafür sind – wie von der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen KVF-N gefordert – dem Parlament mehr Befugnisse einzuräumen. Wir plädieren dafür, dass das Parlament die Höhe der Gesamtsubvention in Abwägung mit den finanziellen Bedürfnissen anderer Staatsaufgaben festlegt. Verankert werden sollte das Fördervolumen in einem formellen Gesetz, das dem fakultativen Referendum untersteht. Dies sichert die demokratische Kontrolle und die Finanzierungsstabilität besser als heute.
Zweitens, die Förderungswürdigkeit von Inhalten sollte von mehreren Medienkommissionen im Nachhinein beurteilt werden. Diese vergeben einen „Service Public Content Score“. Um eine unabhängige Evaluation zu garantieren, darf die Beurteilung der Förderwürdigkeit nicht von einem einzigen Expertengremium abhängen. Um die Vielfalt der Standpunkte zu Inhalt und Wirkung von Medienprodukten abzubilden, sollten unterschiedliche Kriterien und Gewichtungen in die Bestimmung der Förderwürdigkeit einfliessen. Dies kann durch mehrere Medienkommissionen in unterschiedlicher Besetzung – z.B. Zuschauer, Experten, Produzenten, Regionen – erfolgen, die über die Länge der Amtszeit und überlappende Wahlperioden gut vom politischen Tagesgeschäft isoliert werden können.
Gegen mehrere Medienkommissionen wird zuweilen eingewandt, dass dies kompliziert und bürokratisch sei. Natürlich sind mehrere Kommissionen in der Administration aufwändiger als die Vergabe im heutigen Kontext, wo die Subventionsgelder praktisch einer einzigen Organisation zufliessen. Allerdings hat diese scheinbar einfachere Vergabemethode den grossen Nachteil, dass die Zuteilung und Verwendung der Subventionsgelder sowie die Erfolgskontrolle von einer kleinen Zahl von Personen innerhalb dieser Organisation vorgenommen wird und es kaum Transparenz zu den Vergabe- und Erfolgskriterien gibt. Unser Vorschlag mit mehreren Kommissionen zerrt diese fundamentalen Entscheidungen ans Licht und macht diese für alle sicht- und kritisierbar. Mehrere Kommissionen und die dadurch geschaffene neue Transparenz reduzierte die Anfälligkeit der Mittelvergabe vor politischer Vereinnahmung.
Drittens, die nachgelagerte Evaluation von Inhalten ermöglicht, nicht Absichtserklärungen und Pläne, sondern die tatsächliche Qualität von Medienprogrammen zu evaluieren. Besonders innovative Medienprodukte werden dann nicht bereits durch einen vorgängig definierten Kriterienkatalog abgewürgt. Die Evaluation gibt den Medienanbieter Anreize, besonders gute und informative Produkte zu entwickeln und nicht einfach mit möglichst wenig Aufwand irgendwelche Kriterienkataloge zu befolgen.
Viertens, die Subvention für Medienprodukte sollte vom effektiv gemessenen Konsum abhängen. Weil die positiven Effekte von Information für die Meinungsbildung und die politische Bildung und Partizipation erst durch den Konsum der Medieninhalte entstehen, sollte dieser in die Subventionsbemessung einbezogen werden.
Markt für Informationsleistung
Eine solche Medienförderung gäbe den verschiedenen Medienanbietern Anreize, mit möglichst informativen Inhalten ein möglichst grosses Publikum anzusprechen, also etwa informative Inhalte auch in den guten Sendezeiten oder gut sichtbar im Web oder in Print zu bieten. Sie müssten die Inhalte aber nicht unbedingt selbst produzieren. Medienanbieter sowie spezialisierte Produzenten hätten Anreize, besonders informative Inhalte zu produzieren und gegen Entgelt anderen Anbietern zur Verfügung zu stellen. So entstünde ein wirkungsvoller, innovativer Markt für besonders informative Formate. Unser Vorschlag zementiert nicht wie die anderen Vorschläge bestehende Strukturen und ist offen für Innovationen. Auch setzt er nicht auf Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Medienhäusern, die aus Sicht von Wettbewerb und Vielfalt fragwürdig wären. Schliesslich hätte auch die SRG in diesem Markt einen guten Platz, der durch eine graduelle Öffnung des Fördervolumens für den Wettbewerb noch zusätzlich abgesichert werden könnte. Angesichts ihrer grossen Kompetenzen hätte sie alle Chancen, im freien Markt eine wichtige und fruchtbare Rolle zu spielen.
©KOF ETH Zürich, 4. Okt. 2016