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Afrikas Entwicklungsfinanzierung im Gegenwind

Summary:
Das starke Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren in vielen Ländern Afrikas fußte gemäss dem IWF auf drei Säulen: auf hohen Rohstoffpreisen, üppigen Kapitalzuflüssen und besserer Wirtschaftspolitik. Von diesen drei Säulen sind die ersten zwei am Bröckeln und die dritte muss justiert werden. Erst im Juli 2015 waren sie so hoffnungsvoll, als sie die Addis Abeba Aktionsagenda[ a ] anlässlich der dritten internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD3) verabschiedeten: "Wir, die Staats- und Regierungschefs und Hohen Vertreter, in Addis Abeba vom 13. bis 16. Juli 2015 versammelt, bekräftigen unsere starken politischen Engagements, die Herausforderung der Finanzierung anzugehen und  günstige Rahmenbedingungen auf allen Ebenen für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der globale Partnerschaft und Solidarität zu schaffen. Wir bekräftigen diese Verpflichtungen und bauen auf den 2002 Konsens von Monterrey und die Erklärung von Doha 2008". Die Post-2015-Agenda mit universellen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs) war auf Kurs gesetzt. Die Verlangsamung des Wachstums in China und anderen bedeutenden Schwellenländer wurde in Addis ignoriert. Auch der Tatsache, dass die Zeiten üppiger globaler Liquidität sich dem Ende nähern, wurde geflissentlich übersehen.

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Das starke Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren in vielen Ländern Afrikas fußte gemäss dem IWF auf drei Säulen: auf hohen Rohstoffpreisen, üppigen Kapitalzuflüssen und besserer Wirtschaftspolitik. Von diesen drei Säulen sind die ersten zwei am Bröckeln und die dritte muss justiert werden.

Erst im Juli 2015 waren sie so hoffnungsvoll, als sie die Addis Abeba Aktionsagenda[ a ] anlässlich der dritten internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD3) verabschiedeten:

"Wir, die Staats- und Regierungschefs und Hohen Vertreter, in Addis Abeba vom 13. bis 16. Juli 2015 versammelt, bekräftigen unsere starken politischen Engagements, die Herausforderung der Finanzierung anzugehen und  günstige Rahmenbedingungen auf allen Ebenen für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der globale Partnerschaft und Solidarität zu schaffen. Wir bekräftigen diese Verpflichtungen und bauen auf den 2002 Konsens von Monterrey und die Erklärung von Doha 2008".

Die Post-2015-Agenda mit universellen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs) war auf Kurs gesetzt. Die Verlangsamung des Wachstums in China und anderen bedeutenden Schwellenländer wurde in Addis ignoriert. Auch der Tatsache, dass die Zeiten üppiger globaler Liquidität sich dem Ende nähern, wurde geflissentlich übersehen. Die düsteren Perspektiven für die Entwicklungsfinanzierung vor allem in Afrika – fallende Rohstoffpreise, geringere Nachfrage aus China und die bevorstehende Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank – fanden kaum ihren Niederschlag in den FfD3-Dokumenten.

Afrika wurde in den vergangenen fünfzehn Jahren zunehmend China-abhängig. Früher wurde Afrika als "hoffnungsloser Kontinent" (The Economist im Jahre 2000) desavouiert. Seitdem fußte das hohe Wirtschaftswachstum des Schwarzen Kontinent nach dem Urteil des Internationalen Währungsfonds auf drei Säulen: auf hohen Rohstoffpreisen, üppigen Kapitalzuflüssen und besserer Wirtschaftspolitik. Diese Säulen waren bereits Mitte 2015 brüchig. Wurde der Währungsfonds während des FfD3-Prozesses nicht konsultiert? Oder wurde er schlicht ignoriert, um nicht die Partystimmung zu trüben?

Die erste Säule des langen Aufschwungs in vielen Ländern Afrikas – hohe Rohstoffpreise – gibt es vorerst nicht mehr. Subsahara-Afrika zählt acht Nettoölexporteure und fünfzehn Nettoausfuhrstaaten nicht erneuerbarer Rohstoffe in seinen Rängen. Die Preise für fossile Energieträger und Industriemetalle sind in den letzten drei Jahren zwischen 30 und 60 Prozent abgestürzt. Ölexporteure sind besonders betroffen: Wenn Ölausfuhren 40 Prozent des BIP ausmachen, dampft ein jährlicher Rückgang des Ölpreises um ein Viertel das BIP um zehn Prozent ein.

Die Rohstoffpreise können noch weiter fallen; sie können auch stagnieren; und sie mögen wieder steigen. Nur ein Anstieg der Rohstoffpreise würde Afrikas Rohstoffproduzenten entlasten. Auf diese optimistische Alternative sollten keine Wetten abgeschlossen werden. Rohstoffpreisschwankungen zeichnen sich geschichtlich durch lange Amplituden aus. Am Ende eines Rohstoffbooms haben die Produzenten in der Regel massiv in die Produktionsausweitung investiert. So erzeugt die zusätzliche Förderung dauerhaften Preisdruck. Das Angebot mineralischer Bodenschätze ist kurzfristig unelastisch, das Ergebnis kaum überwindbarer Exitbarrieren und hoher Fixkosten.

Die zweite Säule – Nettokapitalzufuhren nach Afrika – ist bislang erstaunlich robust, aber sie verteuern sich rapide. Der im Oktober publizierte Weltwirtschaftsausblick des Währungsfonds sieht einen schmalen Überschuss in Afrikas Kapitalverkehrsbilanz voraus (0,4% des BIP). Die UNCTAD spricht in ihrem neuesten Investitionsbericht von wieder anziehenden Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer. Die DB Research zeigt soeben auf, dass die Anleiheemissionen Afrikas stabil geblieben sind. Allerdings haben die afrikanischen Emittenten höhere Renditen anbieten müssen; gleichzeitig stiegen in diesem Jahr die effektiven Renditen für afrikanische Eurobonds auf mehrjährige Höchstwerte:

  • In den vergangenen zwölf Monaten schnellten der für afrikanische Anleihen geforderte Renditeaufschlag (spread) zwischen 120 (Südafrika) und 500 Basispunkten (Sambia) in die Höhe. Der von afrikanischen Anleiheemittenten geforderte spread lag weit über den Renditedifferenzen des Emerging Market Bond Index Global (EMBIG) für den Durchschnitt der Schwellenländer, der im Jahr 2015 um  weniger als 100 Basispunkte stieg.
  • Da die afrikanischen Eurobonds in US-Dollar denominiert sind, verteuern Abwertungen den Schuldendienst in den nationalen Währungen. Abwertungen kosten den Schuldner daher womöglich noch mehr als die Ausweitung der Renditespreads. Kwacha (Sambia), Kwanza (Angola), namibischer Dollar und  Ugandas sowie Tansanias Schilling haben bis Ende November im Jahr 2015 zwischen 51% und 20% gegen den US-Dollar verloren. Besonders hart traf es den Kupferexporteur Sambia, dessen Schuldendienst sich dieses Jahr um mehr als 100% in eigener Währung verteuert hat; Währungs- und Zinseffekte machten 18 Prozentpunkte des BIP aus.

Die Differenz aus steigendem Aufwand für den Schuldendienst – 20% im Durchschnitt Subsahara-Afrikas – und in Niedrigstwerte fallenden Wachstumsraten erzeugt derzeit eine unheilvolle Dynamik der afrikanischen Schuldenquoten. Die Differenz ist zu groß, als dass sie durch entsprechend hohe Primärüberschüsse in den Staatshaushalten und Leistungsbilanzen Afrikas kompensiert werden könnte.

Bleibt also die dritte Säule, bessere Wirtschaftspolitik. Im Bereich der Entwicklungsfinanzierung heißt bessere Wirtschaftspolitik für Entwicklungsländer mit traditionell geringen Steuerquoten, durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen und bessere Steuereintreibung die öffentlichen Einnahmen zu steigern. Nicht einfach in einer Rezession, wenn die Steuerbasis einknickt. Allerdings rechnet der Währungsfonds in seinem kürzlich veröffentlichten Regionalbericht (op.cit.) vor, dass das nicht ausgeschöpfte Potenzial in Schwarzafrikas Steuerquoten zwischen drei und sechs Prozentpunkten liegt. Das ist allerdings zu wenig, die Währungs- und Zinsverteuerung der Schuldenbedienung zu finanzieren. Afrikas Neuverschuldung muss daher zurückgefahren werden.

©KOF ETH Zürich, 9. Dez. 2015

Helmut Reisen
Helmut Reisen, geboren 1950 in Viersen, ist emeritierter Titularprofessor an der Universität Basel und Assoziierter Wissenschaftler am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Der langjährige Forschungsdirektor des OECD-Entwicklungszentrums in Paris betreibt seit 2012 in Berlin das Beratungsunternehmen ShiftingWealth Consult, das vornehmlich Entwicklungsagenturen und Entwicklungsbanken berät.

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