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Freiheitsfeier 2018: Notwendigkeit und Grenzen des Rechts

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Die diesjährige Freiheitsfeier des Liberalen Instituts vom 6. Dezember befasste sich mit einer wesentlichen Voraussetzung für den Frieden und das Gedeihen einer freien Gesellschaft: dem verlässlichen Schutz von bewährten Normen und Regeln. In unseren Zeiten der Rousseauschen Volksüberhöhung im politischen Diskurs und der nahezu unbeschränkten Mehrheitsregel ist ein Rechtsstaat, der individuelle Freiheitsrechte vor dem Zugriff der Mehrheit verteidigt, weiterhin von besonderer Bedeutung. Dadurch unterscheidet sich eine liberale Demokratie von einer illiberalen Diktatur der Mehrheit. Doch welche Rolle kommt dem Rechtsstaat in einer freien Gesellschaft zu, ohne zu deren Verrechtlichung beizutragen? In seiner Einführung erinnerte LI-Vizedirektor Olivier Kessler daran, dass sich sämtliche

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Die diesjährige Freiheitsfeier des Liberalen Instituts vom 6. Dezember befasste sich mit einer wesentlichen Voraussetzung für den Frieden und das Gedeihen einer freien Gesellschaft: dem verlässlichen Schutz von bewährten Normen und Regeln. In unseren Zeiten der Rousseauschen Volksüberhöhung im politischen Diskurs und der nahezu unbeschränkten Mehrheitsregel ist ein Rechtsstaat, der individuelle Freiheitsrechte vor dem Zugriff der Mehrheit verteidigt, weiterhin von besonderer Bedeutung. Dadurch unterscheidet sich eine liberale Demokratie von einer illiberalen Diktatur der Mehrheit. Doch welche Rolle kommt dem Rechtsstaat in einer freien Gesellschaft zu, ohne zu deren Verrechtlichung beizutragen?

In seiner Einführung erinnerte LI-Vizedirektor Olivier Kessler daran, dass sich sämtliche gutgemeinten Werte und Prinzipien letztlich in ihr Gegenteil verkehren, wenn man es übertreibe. So sei beispielsweise die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz ein lobenswertes Prinzip, die Übertreibung in Form der Gleichmacherei jedoch ende in einer menschlichen Katastrophe. Auch die individuelle Freiheit, die die Voraussetzung eines würdigen Daseins sei, könne nicht maximal ausgedehnt werden, zumal es da noch die Freiheit der anderen gebe. Genauso sei es mit dem Recht: Es müsse darauf geachtet werden, dass es massvoll und hauptsächlich für den Schutz allgemeingültiger individueller Abwehrrechte angewendet werde. Wilhelm Röpke habe den nötigen Konsens darüber den «liberalen Gehalt einer Staatskultur» genannt und verdeutlicht, dass dieser Korpus weder durch eine politische Kaste noch durch Mehrheitsentscheidungen an der Urne ausgehebelt werden dürfe.

Im Hauptreferat vertrat Claudia Wirz, freie Journalistin und Autorin, die Überzeugung, das Recht solle den einzelnen Bürgern gegenüber dem Staat und der Gesellschaft Rechte geben, damit diese ihr Leben in geordneten und sicheren Bahnen führen könnten. Das Recht auf freie Meinungsäusserung und der Schutz des persönlichen Eigentums seien die Basis einer funktionierenden Ordnung, denn ohne den Schutz des Eigentums gebe es keine Freiheit. Doch diese Grundlagen abendländischer Gesellschaften stünden gehörig unter Druck: einerseits durch die Mehrheitsmeinung und andererseits durch eine ständig wachsende bürokratische Elite, die diese Mehrheitsmeinung liebend gerne im Eigeninteresse bewirtschafte und vorantreibe. Eine zentrale Rolle bei der Aushöhlung des liberalen Rechtsstaates sei das problematische Dogma der «sozialen Gerechtigkeit», unter dessen Flagge man immer weitergehende Anspruchsrechte an den Staat, wie etwa der in Deutschland seit 2013 geltende Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, einführe. Weiter nehme sich auch der Staat immer mehr Rechte gegenüber dem Bürger heraus, indem er sich beispielsweise mit Frauenquoten und einer Lohnpolizei in die Personalpolitik von Unternehmen einmische. Dieser Widerspruch zwischen neuen Rechten für die Bürger und neuer Bevormundung durch den Staat sei jedoch nur ein scheinbarer: Letztlich gehe es bei beidem um den Ausbau des Staates, der Bürokratie und der Umverteilung und um die Untergrabung der Eigenverantwortung und des Unternehmergeistes. Dahinter stünden ideologische Gründe. Bereits unseren Kindern werde im Rahmen des neuen Lehrplans 21 eingeimpft, dass der Liberalismus schuld sei an sozialer Ungerechtigkeit, wobei unverfroren Hass und Neid gegenüber den Erfolgreichen und den Reichen geschürt werde. Liberale hätten die Pflicht, sich gegen die wachsende Umverteilung und die Aufblähung des Rechts, das damit zu Unrecht werde, zu engagieren.

Im zweiten Teil des Abends wurde der diesjährige Röpke-Preis für Zivilgesellschaft des Liberalen Instituts an Prof. Martin Lendi, emeritierter ordentlicher Professor für Rechtswissenschaft an der ETH Zürich, verliehen. Ausgezeichnet wurde er für seinen Beitrag zugunsten einer lebendigen Kultur des Rechts als Grundsatz des friedlichen und prosperierenden Zusammenlebens. Martin Lendis Forschung ist durch eine bemerkenswerte Breite gekennzeichnet, von der Raumplanung über die Energieplanung bis zur Verkehrsplanung. Bei all dieser Planung hat Martin Lendi den Wert des Privateigentums stets hochgehalten: Denn Raum gehört Privaten, Land ermöglicht vieles — anderseits ist die wirtschaftliche Verwertung stark abhängig von einer Infrastruktur, die in der Regel öffentlich ist. Gegenseitige Bedingung und wechselseitige Abhängigkeit öffentlicher und privater Interessen haben ihn stets fasziniert. Martin Lendi hat dabei nie vergessen, dass es ein öffentliches Interesse an der Existenz von privaten Interessen gibt. Selbst nach der Emeritierung war er enorm produktiv und hat viel publiziert. Lendi hat den Bezug zu allgemeinen Grundsatzfragen in Recht, Politik und Verwaltung nie verloren und stets auch sein persönliches Steckenpferd, die ethische Dimension von Recht und Politik, gepflegt. Dies hat wohl nicht allen fachlich spezialisierten Kollegen an juristischen Fakultäten gefallen. Und dies ist wohl mit ein Grund dafür, dass er sich ausserhalb dem heutigen etatistischen Mainstream der Jus-Professoren an den Universitäten als einer der letzten klassischen Liberalen zusätzlich profilieren konnte.

In der Laudatio würdigte Prof. Christoph Frei, Vizepräsident des Stiftungsrates des Liberalen Instituts, Lendis vielfältige Verdienste. Bereits sein Dissertationsthema im Jahre 1958 mit dem Titel «Legalität und Ermessensfreiheit» sei ein Plädoyer zur Einschränkung von Ermessen im Sinne der Anbindung politischer Macht gewesen. Lendi habe es auch hervorragend verstanden, Planungsrecht und Freiheit zu kombinieren: Geplantes, berechenbares Vorgehen, das auf Gesetzen, publizierten und politisch kritisierbaren Absichten basiert, sei für Lendi immer die Alternative zum willkürlichen Vorgehen einer auf Macht basierten Regierungstätigkeit gewesen. Denn Planung binde Ermessen und schaffe damit jene Verlässlichkeit, die eine wichtige Voraussetzung der Privatautonomie sei. Lendi habe sicherlich nicht zu den offensivsten Liberalen gehört und sei kein lauter Vorkämpfer für «weniger Staat» gewesen. In seinen Schriften ebenso wie in seinen Funktionen habe er aber den liberalen Rechtsstaat gegen seine Aushöhlung und Überwucherung verteidigt. Er habe ein nicht-spezialisiertes, zivilgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein, das über das eigene Fachgebiet hinauswirke. Martin Lendi sei — leider — der vorerst letzte Vertreter der «Zürcher Schule des öffentlichen Rechts» in der Linie von Fleiner, Giacometti und Hans Nef — und gewissermassen deshalb auch der letzte liberale Staatsrechtler. Es sei zu hoffen, dass diese Tradition bald schon ihre Fortsetzer und Nachahmer finde.

In seiner Dankesrede würdigte Prof. Martin Lendi zunächst den Ökonomen Wilhelm Röpke, bei dem man sich auch als Jurist verstanden fühle. Denn sowohl in der Ökonomie wie auch in der Wissenschaft des Rechts lerne man, dass man nicht am realen Verhalten der Menschen vorbeikomme. Was für den Wirtschaftswissenschaftler der Markt und die Marktteilnehmer seien, das seien für die Juristen die Normen und die Menschen als Rechtsadressaten. Die Quellen für die «Freude am Recht» verortete Lendi einerseits im bestehenden Spannungsverhältnis zwischen dem Suchen nach zwischenmenschlichen Problemlösungen und der Verbindlichkeit des Rechts, andererseits im Phänomen, dass es im Recht Grund- und Grenzfragen gebe, die letztlich offenblieben, da sie nicht enddefiniert werden könnten. Bei der Rechtsidee gehe es zunächst um das Konflikte-Vermeiden, Beilegen von Streitigkeiten und das Erhalten der Konfliktfreiheit, sodann um das Gewährleisten der Freiheit — im Sinne der Freiheit vom Staat und der aktiven Mündigkeit gegenüber dem Gemeinwesen. Bei alldem dürfe das Recht aber nicht zu schmal gesehen werden. Es habe sich zu einer stimmigen Rechtsordnung zu formieren, den Rechtsstaat als Herrschaft des Rechts lebendig werden zu lassen und die Demokratie zur korrespondierenden Staatsform zu erheben, die zur Legitimierung des Rechts und des Rechtsstaates beitrage. Denn sich für das Recht einzusetzen, sei nicht nur Aufgabe der Regierung und des Parlaments, sondern auch der Stimmbürger. Diese dürften jedoch nicht der Beliebigkeit der Anspruchsmentalitäten verfallen, weil das Recht ansonsten vom Unrecht verdrängt werde.

Rede von Martin Lendi:
«Freude am Recht»

9. Dezember 2018

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