"Die EU akzeptiert die Wahlergebnisse nicht", teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Freitagabend nach Beratungen der EU-Aussenminister mit. Man arbeite nun daran diejenigen zu sanktionieren, die für Gewalt und Fälschungen verantwortlich seien. Bundesaussenminister Heiko Maas hatte bereits zu Beginn der Beratungen erklärt, dass die Europäische Union den Druck auf Belarus deutlich erhöhen wolle. Es gehe darum, gezielt einzelne Personen zu sanktionieren, die in den letzten Tagen und Wochen bei Wahlfälschungen, aber auch bei der Gewalt gegen Demonstranten unrühmlich in Erscheinung getreten seien. In Belarus selbst weiteten sich am Freitag ungeachtet der Freilassung von mehr als 2000 Demonstranten die Proteste gegen Gewalt und Polizeiwillkür noch einmal aus. Aus Unmut über
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"Die EU akzeptiert die Wahlergebnisse nicht", teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Freitagabend nach Beratungen der EU-Aussenminister mit. Man arbeite nun daran diejenigen zu sanktionieren, die für Gewalt und Fälschungen verantwortlich seien.
Bundesaussenminister Heiko Maas hatte bereits zu Beginn der Beratungen erklärt, dass die Europäische Union den Druck auf Belarus deutlich erhöhen wolle. Es gehe darum, gezielt einzelne Personen zu sanktionieren, die in den letzten Tagen und Wochen bei Wahlfälschungen, aber auch bei der Gewalt gegen Demonstranten unrühmlich in Erscheinung getreten seien.
In Belarus selbst weiteten sich am Freitag ungeachtet der Freilassung von mehr als 2000 Demonstranten die Proteste gegen Gewalt und Polizeiwillkür noch einmal aus. Aus Unmut über Lukaschenko wurde in immer mehr Staatsbetrieben gestreikt. In vielen Städten bildeten Demonstranten lange Menschenketten. Der Präsident selbst reagierte auf Spekulationen, er habe das Land bereits verlassen: "Fürs Erste: Ich bin noch am Leben und nicht im Ausland."
Zudem machte er ausländische Kräfte aus den Niederlanden, Polen und der Ukraine für die Massenproteste verantwortlich und warnte vor Arbeitsniederlegungen. "Wenn wir aufhören zu arbeiten, werden wir die Produktion nie wiederherstellen können", sagte er.
Der letzte Diktator Europas
In der ehemaligen Sowjetrepublik hatte sich der oft als "letzter Diktator Europas" bezeichnete Präsident am Sonntag zum sechsten Mal in Folge als Wahlsieger ausrufen lassen. Die Wahlkommission sprach ihm am Freitag offiziell 80,1 Prozent der Stimmen zu. Daran gibt es erhebliche Zweifel - nicht nur in Belarus.
Nach ihrer Freilassung berichteten viele von schwersten Misshandlungen im Gefängnis. Fast 7000 Menschen sind in den vergangenen Tagen festgenommen worden. "Wir tun alles nur Mögliche, um die Situation zu lösen", behauptete das Innenministerium. Es sollten weitere inhaftierte Demonstranten freigelassen werden. Viele schilderten unmenschliche Bedingungen in überfüllten Gefängnissen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel äusserte sich nach Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert "erschüttert" über Berichte, wonach Inhaftierte misshandelt wurden. "Die Aussagen der gepeinigten Menschen belegen ja leider viele solcher Fälle."
Lukaschenko-Gegnerin flüchtet nach Litauen
In Belarus hält ein grosser Teil der Bevölkerung die Lukaschenko-Gegnerin Swetlana Tichanowskaja für die eigentliche Siegerin der Wahl. Die Wahlkommission sprach ihr aber nur zehn Prozent der Stimmen zu. Ihre Unterstützer gehen von einem Sieg mit 60 bis 70 Prozent aus. Aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder ist die 37-Jährige ins benachbarte EU-Land Litauen geflüchtet.
In einer Videobotschaft rief sie zu neuen Protesten auf. "Lasst uns zusammen unsere Stimmen verteidigen." Am Wochenende sollten sich die Menschen in allen Städten zu friedlichen Massenversammlungen zusammenfinden. Sie schlug zudem die Gründung eines Koordinierungsrates vor, "um damit eine Machtübertragung sicherzustellen". Sie sei zum Dialog mit den Behörden bereit.
Nach Einschätzung von Beobachtern könnte ein flächendeckender Streik in den Betrieben Lukaschenko zu Fall bringen. Es mehren sich Stimmen von Experten, die meinen, dass seine Tage im Amt gezählt sein könnten. Innenminister Juri Karajew hatte sich im Staatsfernsehen bei den Bürgern für die Festnahme vieler Unschuldiger entschuldigt - auch das gilt in dem autoritär geführten Land als ungewöhnlich.
Russland in der Vermittlerrolle?
In Russland, das wirtschaftlich eng mit Belarus verbunden ist, wurden erste Rufe nach einer Vermittlerrolle Moskaus laut. Der russisch-belarussische Handelsrat forderte ein Ende des "sinnlosen Blutvergiessens und der Gewalt gegen friedliche Bürger". Es müsse ein Komitee zur nationalen Rettung aus Intellektuellen und Wirtschaft gebildet werden. Russland gilt als das Land mit dem grössten Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik.
Ob auch Lukaschenko persönlich mit Sanktionen rechnen muss, blieb zunächst offen. Die Entscheidung über den betroffenen Personenkreis werde der Rat treffen, sagte Maas. Den Personen müssten "nachweisbar Verfehlungen zur Last gelegt werden können". Wichtig sei, dass es zu einem Dialog komme, das Wahlergebnis überprüft werde und alle Festgenommenen wieder freikämen.
EU liess Sanktionen auslaufen
Die EU hatte zuletzt im Februar 2016 ungeachtet der Kritik von Menschenrechtlern zahlreiche Sanktionen gegen den Machtapparat von Lukaschenko auslaufen lassen. Lediglich ein bestehendes Waffenembargo sowie Strafmassnahmen gegen vier Belarussen, die am Verschwinden von Regime-Gegnern beteiligt sein sollen, wurden zuletzt noch aufrechterhalten.
Für Lukaschenko, 169 Gefolgsleute sowie drei Unternehmen bedeutete die EU-Entscheidung damals, dass von ihnen vorhandene Vermögen in der EU nicht mehr gesperrt werden konnten. Zudem wurden für sie sämtliche Reise- und Geschäftsbeschränkungen aufgehoben. Als einen Grund für die Lockerung der Sanktionen nannte die EU damals die Freilassung politischer Gefangener sowie die gewaltfrei verlaufene Präsidentenwahl im Jahr 2015.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages begrüsste, dass diese Entscheidung nun teilweise revidiert werden soll. Die geplanten neuen Sanktionen seien ein "wichtiges Zeichen für Solidarität mit den Demonstranten, die um Demokratie und Grundrechte in ihrem Land ringen", kommentierte der CDU-Politiker Norbert Röttgen./mau/DP/he
(AWP)