Die Revolution bleibt doppelt aus. Vor den Parteitagen von CDU und SPD war die Stimmung noch hochgekocht: Hier die Machtfrage an die CDU-Chefin, dort die Koalitionsfrage bei der SPD. Aber herausgekommen sind aus beiden Parteitagen Aufträge an die Führungen weiterzumachen. Erst einmal. Die Sozialdemokraten wählten zwar ein neues Führungsduo, das sich kritisch zur grossen Koalition aufgestellt hat. Der Parteitag aber gab Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans einen relativ offenen Auftrag zu Verhandlungen mit CDU und CSU, zog keine roten Linien. "Es geht nicht mehr um Groko Ja oder Nein, sondern um die Profilierung der SPD für die Zeit danach", sagte ein Mitglied der neugewählten Führung. Und so hart die Reaktion von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in der "Bild am Sonntag" schien:
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Die Revolution bleibt doppelt aus. Vor den Parteitagen von CDU und SPD war die Stimmung noch hochgekocht: Hier die Machtfrage an die CDU-Chefin, dort die Koalitionsfrage bei der SPD. Aber herausgekommen sind aus beiden Parteitagen Aufträge an die Führungen weiterzumachen. Erst einmal. Die Sozialdemokraten wählten zwar ein neues Führungsduo, das sich kritisch zur grossen Koalition aufgestellt hat.
Der Parteitag aber gab Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans einen relativ offenen Auftrag zu Verhandlungen mit CDU und CSU, zog keine roten Linien. "Es geht nicht mehr um Groko Ja oder Nein, sondern um die Profilierung der SPD für die Zeit danach", sagte ein Mitglied der neugewählten Führung. Und so hart die Reaktion von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in der "Bild am Sonntag" schien: Führende Unionspolitiker und auch sie haben mehrfach betont, dass sie das Regierungsbündnis bis 2021 fortsetzen wollen.
"Was jetzt fehlt, ist ein politischer Balanceakt, beide Parteien nach den Parteitagen mit stets weitreichenden Forderungen wieder in die Regierungsarbeit zurückzubringen - so dass beide Parteiführungen ihr Gesicht wahren", beschreibt ein CDU-Vorstandsmitglied die politische Aufgabe.
Eine Fortsetzung der Koalition gilt allerdings nicht als Selbstläufer. Viele Beschlüsse der SPD lassen sich im Bedarfsfall auch als Grund für einen Bruch heranziehen - von beiden Seiten. Als Menetekel für das Klima in der Groko mit der neuen SPD-Spitze wurde in der Union etwa die Forderung von Walter-Borjans am Sonntag gewertet, dass man die Schuldenbremse "überwinden" müsse - was auch Zweifel am Verbleib von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Regierung nährt, eines der bisherigen Stabilitätsanker in der grossen Koalition.
Ein Balanceakt der CDU
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer steht nach Einschätzung in der Union vor der schwierigen Aufgabe, bei möglichen Beschlüssen über Zusatzvorhaben der Regierung ihre Partei mitzunehmen - schon mit Blick auf die Entscheidung über die Unions-Kanzlerkandidatur spätestens Ende 2020. Ihr Spielraum ist dabei begrenzt: Gegenwind kommt bereits vom Wirtschaftsflügel, und auch Kanzlerin Angela Merkel muss am Ende mitmachen.
Am Samstag kritisierte etwa der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach, dass die Koalition schon "sehr sozialdemokratisch" sei und die SPD nach links abdrifte.
Bemerkungen der CDU-Chefin wie "Die Koalition ist eine für das Land, nicht für die Traumatherapie von Regierungsparteien", zielen deshalb nach Angaben aus ihrem Umfeld darauf, die eigenen Reihen zu beruhigen. Aber die Kernbotschaft lautet: "Ich halte nichts von sogenannte 'roten Linien'." Wenn Kramp-Karrenbauer beim Klimapaket betont: "Wir können nicht wieder bei Null anfangen", lässt das in Wahrheit Spielraum für Verhandlungen.
CDU-Vize Armin Laschet verwies sogar darauf, dass man über den beschlossenen umstrittenen Einstiegspreis beim CO2-Emissionshandel von zehn Euro sprechen könne. "Darüber reden wir sowieso mit den Grünen", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident der "Welt am Sonntag".
Ohnehin verläuft der Riss beim Thema Klima quer durch die Union: Auch sein schleswig-holsteinischer Kollege Daniel Günther (CDU) hatte darauf verwiesen, dass Wissenschaftler eine Lenkungswirkung erst ab einem CO2-Einstiegspreis von 40 Euro sehen würden.
Ein Seiltanz der SPD
Bei der SPD steht das neue Führungsduo vor der Aufgabe, Koalitionskritiker und -befürworter auf einer Linie zu halten. "Für unsere Parteichefin kommt es darauf an, die Abneigung gegen sie vor allem in der Bundestagsfraktion zu überwinden", sagt ein Abgeordneter. Die grosse Mehrheit der Fraktion will den Koalitionsvertrag weiter umsetzen und hält nichts von einer Minderheitsregierung der Union oder Neuwahlen.
Esken mit ihrem Temperament wird von SPD-Regierungspragmatikern als der Unsicherheitsfaktor für den Fortbestand gesehen - wie auch für das Klima innerhalb der SPD. Als gemässigter wird Walter-Borjans wahrgenommen, der immer wieder betonte, es gelte in der Partei Brücken zu bauen.
Für Unruhe könnte sorgen, dass einer der lautstärksten Koalitionskritiker, Juso-Chef Kevin Kühnert, nun als Vizeparteichef eine noch grössere Plattform hat. Erfahrene SPD-Politiker aber verweisen darauf, dass es in der Regel nicht so sei, dass Gremien von einem Einzelnen gekapert würden. In der engeren Parteiführung aus Führungsduo, fünf Vize sowie Generalsekretär, Schatzmeister und Europabeauftragten sind die Pragmatiker in der Mehrheit. Auch im Parteivorstand sind die ausgesprochenen Koalitionskritiker in der Minderheit.
Bis jetzt keine unüberwindbaren Hürden
Inhaltlich wurden auf dem Parteitag jedenfalls keine unüberwindbaren Hürden zum Koalitionspartner aufgebaut. Wenn die Union Dinge wie die Unternehmenssteuerreform oder die Erfüllung des Nato-Ausgabenziels wirklich wolle, habe sie "dringenden Gesprächsbedarf mit uns", sagt Johannes Kahrs, Chef des konservativen SPD-Seeheimer Kreises.
"Wir wollen zwölf Euro Mindestlohn und die Entschuldung der Kommunen. Da kann man zusammenkommen oder in seiner jeweiligen Kampfecke verharren." Andere SPD-Politiker verweisen darauf, dass in der Klimapolitik die Verhandlungen in Gange seien - im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Die von der SPD geforderten Nachschärfungen seien daher bereits auf dem Weg.
(Reuters/cash)