Photo: Gage Skidmore from Flickr (CC BY-SA 2.0) Am 27. Juni verstarb mit 57 Jahren der Ökonom Steve Horwitz. Mit seinen Forschungen, seiner Lehre und ganz besonders mit seiner Persönlichkeit stand er für eine moderne Form des Liberalismus, die von Neugier, Respekt und einem sehr großen Herzen geprägt war. Ein Menschenfreund „Wenn wir eine liberalere Welt sehen wollen,“ so schrieb Horwitz vor drei Jahren, „müssen wir mehr Menschen überzeugen, dass unsere Ideen besser sind. Und wenn wir mit unseren Ideen willkommen sein wollen, dann müssen wir sie anständig, ernsthaft und vernünftig präsentieren, mit einer soliden Theorie und Empirie.“ Zwar im Kontext der Debatten in den Vereinigten Staaten formuliert, hat der Anspruch aber dennoch eine generelle Geltung. Der energische Wille, andere
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Am 27. Juni verstarb mit 57 Jahren der Ökonom Steve Horwitz. Mit seinen Forschungen, seiner Lehre und ganz besonders mit seiner Persönlichkeit stand er für eine moderne Form des Liberalismus, die von Neugier, Respekt und einem sehr großen Herzen geprägt war.
Ein Menschenfreund
„Wenn wir eine liberalere Welt sehen wollen,“ so schrieb Horwitz vor drei Jahren, „müssen wir mehr Menschen überzeugen, dass unsere Ideen besser sind. Und wenn wir mit unseren Ideen willkommen sein wollen, dann müssen wir sie anständig, ernsthaft und vernünftig präsentieren, mit einer soliden Theorie und Empirie.“ Zwar im Kontext der Debatten in den Vereinigten Staaten formuliert, hat der Anspruch aber dennoch eine generelle Geltung. Der energische Wille, andere Menschen mit den Ideen vertraut zu machen – anzufreunden! – die uns wichtig sind, fehlt uns häufig. Und noch schlimmer: Bei manchen hat man das Gefühl, dass sie gar nicht unbedingt mit ihren Ideen willkommen sein wollen, sondern vor allem daran interessiert sind, anderen unter die Nase zu reiben und vor den Kopf zu stoßen, wie recht sie haben.
Steve Horwitz verkörperte genau das Gegenteil davon. Ihm lagen Menschen am Herzen. Deswegen war er ein Liberaler: weil er überzeugt war, dass diese Ordnung dem Menschen am besten gerecht wird. Er war ein Menschenfreund oder, wie man im Jiddischen sagt: ein Mensch. Das verbindet ihn mit Friedrich August von Hayek, dem er sich natürlich auch intellektuell sehr nah wusste. Von Hayek ist überliefert, dass er eine Engelsgeduld aufbrachte im Diskurs mit inhaltlichen Gegnern und für seine Studenten stets ansprechbar war. So war es auch bei Horwitz. An die Vernunft anderer Menschen zu glauben, und die andere Person nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen, sind grundlegende Eigenschaften des Liberalen.
Moderner Liberalismus: Empathie statt Ego-Trip
Schon durch diese charakterliche Parallele gehörte Steve Horwitz zur Familie Hayeks. Aber auch insofern er dessen Ideen wie ein Erbe übernahm. Freilich nicht, um dieses Erbe dann in einer Vitrine auszustellen, sondern um damit zu arbeiten, es weiterzuentwickeln, damit zu wirtschaften, geistige Profite zu generieren und es möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. In Vorlesungssälen, Videos, Blogartikeln, Sozialen Medien, bei unzähligen Konferenzen und Seminaren hat er die Denker der Österreichischen Schule und des Liberalismus so vermittelt und auch durchdiskutiert, dass sie fit gemacht wurden für die Rezeption und Weiterentwicklung im 21. Jahrhundert. In diesem Sinne ist der Titel seines vor sechs Jahren erschienen Buches „Hayek‘s Modern Family: Classical Liberalism and the Evolution of Social Institutions“ vielsagend: Einerseits zeigt sich daran, wie Horwitz an einer Weiterentwicklung bedeutender Liberaler interessiert war, deren interdisziplinäre Weite er sehr schätzte und gerne teilte. Zugleich passt der Titel aber auch, weil er durch diesen Diskurs sich selbst als Angehöriger von Hayeks moderner Familie ausweist.
Horwitz und etliche seiner Freunde und Kollegen wie Roderick Long und Jason Brennan waren vor etlichen Jahren zunehmend abgestoßen von der Art, wie liberale Ideen vertreten und vermarktet wurden. Wie Hayek waren sie der Überzeugung, dass es „zweifellos ein Element der Natur der meisten Menschen und vielleicht sogar die wichtigste Bedingung ihres Glücks [ist], dass sie die Wohlfahrt anderer Menschen zu ihrer Hauptaufgabe machen.“ Unser Verantwortungsgefühl gegenüber den Armen und Hilflosen, auch gegenüber unserer Umwelt, sind potitive Impulse. Unsere Empathiefähigkeit ist der Grund für unseren Erfolg als Gesellschaften, als Menschheit. Entsprechend sei es grundfalsch, Liberalismus als Ego-Trip zur Besitzstandwahrung und Selbstbereicherung darzustellen oder gar zu leben. Die Gruppe gab sich den Namen „Bleeding Heart Libertarians“.
Ein Leuchtturm in turbulenten Zeiten
Horwitz wollte sein Herz, das für die Armen blutete, aber nicht vor sich hertragen, um zu signalisieren, was für ein bewundernswerter Mensch er sei. In der ihm typischen Prägnanz formulierte er dazu einmal: „I‘m a libertarian beccause I do care about the poor … and I don’t care how good your intentions are.” Mit geradezu kindlicher Begeisterung verfolgte er, wie technischer Fortschritt und die Wettbewerbsdynamik des Marktes die Welt exponentiell verbesserten und weltweit Menschen massenhaft aus der bittersten Armut herauswuchteten. Und er geriet ins Schwärmen, wenn er sich vorstellte, was durch eine weitere Verbesserung dieser Bedingungen für Technologie und Wettbewerb alles der Menschheit zugutekommen könnte. Der interventionistische Staat ist in dieser Perspektive nicht nur weniger kompetent als der Markt, sondern trägt mitunter auch die moralische Bürde, dass er einem besseren Leben im Wege steht, ganz besonders für die Benachteiligten.
Gerade in einer Epoche, in der im Gefolge der Tea Party Bewegung und der darauf aufbauenden Kaperung der Republikanischen Partei durch einen prinzipienbefreiten Populisten der amerikanische Liberalismus in turbulente Fahrwasser kam, war Horwitz ein wichtiger Orientierungspunkt, der felsenfest stand während er an Grundsätze und Traditionen der Bewegung erinnerte: „Immer wieder habe ich betont,“ schrieb er 2016, „dass der Klassische Liberalismus und der Libertarismus aus der Linken stammen. Wir haben ein progressives Erbe. Libertarismus bedeutet, dass wir verstehen, dass Märkte und Kulturen dynamische, emergente Ordnungen sind, die zum Fortschritt der Menschheit führen – auf dem ganzen Erdkreis.“ Die emanzipatorisch-progressiven Traditionen im Liberalismus wieder stärker zu machen und diesen Anspruch nicht den Sozialingenieuren und Gesellschaftsklempnern zu überlassen, war für ihn eine Lebensaufgabe.
Nicht im Gestern leben, sondern für das Morgen
Wenige Wochen vor seinem Tod war Steve Horwitz noch in einer Debatte zu hören, in der es um die Zukunft des Liberalismus ging. Für ihn war klar: Die Zukunft liegt nicht darin, Kämpfe von vorgestern auszutragen oder Siege von gestern zu verwalten, sondern zu verstehen, was heute und morgen relevant ist. Und von dort aus zu überlegen, wie wir als Liberale darauf Antworten finden können, die Menschen überzeugen, die Welt verbessern und der Würde des Menschen gerecht werden, die in seiner Freiheit begründet ist. Horwitz hatte die letzten Worte in der Diskussion und sie sind sein Erbe und Auftrag an Liberale in der ganzen Welt, die zu Hayeks moderner Familie gehören – und zu Horwitz‘:
„Wir müssen die Ideen des Liberalismus weiter und tiefer durchdringen, um die Anliegen junger Menschen zu adressieren. Der Liberalismus wird nicht weiterkommen, wenn wir nichts zu sagen haben in den Debatten rund um soziale Gerechtigkeit, um Rassismus, um Klimawandel, um sexuelle Identität. Denn diese Debatten treiben junge Menschen heute um. Wenn wir uns darum nicht kümmern, wenn wir nicht an einer besseren Sprache und an besseren Ideen arbeiten, werden wir eine ganze Generation für den Liberalismus verloren haben.“