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Ein Hohelied auf die Demokratie

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Photo: Jamie Hunt from Unsplash (CC 0) Die Demokratie, insbesondere die repräsentative Demokratie, so wie wir sie in Deutschland pflegen, kommt in der Corona-Krise in den Stresstest. Individuelle Grundrechte werden und wurden ausgesetzt, Freiheiten eingeschränkt und Maßnahmen am Parlament vorbei verordnet. Nicht lange kann so ein Weg gut gehen. Dennoch ist unsere Demokratie lernfähig. Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ als Rechtsinstitut, das bei seiner Feststellung dem Gesundheitsminister umfassende Vollmachten gibt, wurde beendet. Nur das Parlament kann jetzt Grundrechte einschränken. So erschütternd und belastend die – zeitlich begrenzte! – Einschränkung von Grundrechten für jeden Demokraten unter den Volksvertretern sein muss, ist diese Wiederherstellung des Primates des

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Photo: Jamie Hunt from Unsplash (CC 0)

Die Demokratie, insbesondere die repräsentative Demokratie, so wie wir sie in Deutschland pflegen, kommt in der Corona-Krise in den Stresstest. Individuelle Grundrechte werden und wurden ausgesetzt, Freiheiten eingeschränkt und Maßnahmen am Parlament vorbei verordnet. Nicht lange kann so ein Weg gut gehen. Dennoch ist unsere Demokratie lernfähig. Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ als Rechtsinstitut, das bei seiner Feststellung dem Gesundheitsminister umfassende Vollmachten gibt, wurde beendet. Nur das Parlament kann jetzt Grundrechte einschränken. So erschütternd und belastend die – zeitlich begrenzte! – Einschränkung von Grundrechten für jeden Demokraten unter den Volksvertretern sein muss, ist diese Wiederherstellung des Primates des Parlaments ein wichtiger Schritt gewesen. Es ist nämlich nicht egal, wer es macht. Das Parlament ist direkt vom Volk gewählt, der Minister lediglich mittelbar über die Wahl des Bundeskanzlers und der anschließenden Ernennung durch diesen legitimiert. Es ist eine viel abstraktere demokratische Legitimation.

Auch der Machtübergang nach einer Wahl ist etwas, das nicht nur historisch, sondern in vielen Regionen dieser Welt auch heute noch (oder in einem Fall wie den USA sogar wieder) zu Unruhen und gesellschaftlichen Verwerfungen führt. Nach Karl Popper ist die Demokratie „die einzige Staatsform, die wir kennen, in der wir unfähige Politiker unblutig loswerden können.“ Soweit muss man bei der Bewertung der alten Regierung nicht gehen. Man kann über die Bilanz der 16 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel sehr unterschiedlicher Meinung sein. Aber der Übergang von der alten zur neuen Regierung hatte Stil. Nicht nur, dass die Kanzlerin den übrigen Staats- und Regierungs-Chefs beim G20-Gipfel Ende Oktober in Rom Olaf Scholz ganz selbstverständlich als ihren wahrscheinlichen Nachfolger präsentiert hat. Auch der unspektakuläre, fast schon langweile Abgang Merkels als Regierungschefin zeigt dieses Festigkeit unseres demokratischen Systems.

Das konnte auch bei der Kanzlerwahl am Mittwoch verfolgt werden. Die neue Regierung wurde vereidigt, die Minister übernahmen ihre jeweiligen Ministerien und die Union übernahm fast selbstverständlich, die ihr zugedachte – ungewohnte – Oppositionsrolle im Parlament. Die Unionsabgeordneten klatschten nach der Wahl von Olaf Scholz Beifall, als Geste des Respekts. Die meisten der Mitglieder des sogenannten Hohen Hauses sind sich eben bewusst, dass bei aller Leidenschaft für die eigenen Überzeugungen eine offene und freiheitliche Gesellschaft nur dann Bestand hat, wenn man sie nur mit den Mitteln der Debatte und des Wettbewerbs voranbringt. Dazu gehört eben auch das Verlieren mit Würde.

Dieser Umgang ist nicht selbstverständlich, wenn man die deutsche Geschichte betrachte. Eine gute Verfassung ist das eine, entscheidend ist jedoch die gesellschaftliche Akzeptanz. Nur wenn eine Gesellschaft eine Entwicklung insgesamt für richtig erachtet, hat sie diese Akzeptanz. Umgekehrt heißt das auch: wenn etwas gesellschaftlich mit großer Mehrheit anders gesehen wird, dann hilft es nicht, die Verfassung zu bemühen, dann wird sie umgedeutet oder noch schlimmer, gar nicht beachtet.

In diesem Spannungsfeld muss die parlamentarische Demokratie sich immer neu bewähren. Seit 72 Jahren ist dies in Deutschland gelungen. Darauf können wir stolz sein. Denn es ist nicht selbstverständlich. Es ist aber auch kein Anlass sich auszuruhen. Die Debatte um eine allgemeine Impflicht zeigt dies. Sie hat das Fundament für eine tiefe Spaltung der Gesellschaft in mehrheitliche Befürworter und einer Minderheit von Gegnern. Doch der Zweck heilt nicht alle Mittel. Eine Mehrheit darf auch in einer Demokratie nicht alles, sondern auch die Minderheit, der Einzelne, hat unveräußerliche Rechte. Nicht ohne Grund sieht das Grundgesetz Grundrechte vor, die durch die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes auch von einer Mehrheit nicht verändert werden dürfen. Auch auf diese Tradition sollten wir stolz sein und sensibel mit der Macht der Mehrheit umgehen. Zuviel steht dabei auf dem Spiel.

Frank Schäffler
1997 bis 2010 selbstständiger Berater für die Marschollek, Lautenschläger und Partner AG (MLP), Wiesloch Seit 1987 engagiert in der Lokal- und Landespolitik in Nordrhein-Westfalen als Mitglied der FDP 2005 – 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestages Schäffler ist sehr verbunden mit dem freiheitlichen Denken in der Schweiz und ist daher in economicblogs.ch

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