Photo: Wikimedia Commons (CC 0) „Die Große Freiheit“ endet und es beginnt die neue Prometheus-Kolumne „Land of the Free“. Genau der richtige Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme: Wie steht es um die deutsch-amerikanische Freundschaft? Die „Große Freiheit“ endet Schon immer waren Hamburg und sein Hafen der Startpunkt gehegter und gelebter Träume von der großen weiten Welt. So manch abenteuerlustige Draufgänger heuerten wohl am Morgen nach einer auf der „Großen Freiheit“ durchzechten Nacht auf einem Frachtschiff der altehrwürdigen Amerika-Linie HAPAG an. Tatsächlich emigrierten zwischen 1896 und 1913 1,7 Millionen Deutsche allein von Hamburg aus in die Vereinigten Staaten. Abfahrt: Amerika-Kai, Ziel: Der amerikanische Traum von Aufstieg und Freiheit. Auch für Sie und mich enden die letzten
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„Die Große Freiheit“ endet und es beginnt die neue Prometheus-Kolumne „Land of the Free“. Genau der richtige Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme: Wie steht es um die deutsch-amerikanische Freundschaft?
Die „Große Freiheit“ endet
Schon immer waren Hamburg und sein Hafen der Startpunkt gehegter und gelebter Träume von der großen weiten Welt. So manch abenteuerlustige Draufgänger heuerten wohl am Morgen nach einer auf der „Großen Freiheit“ durchzechten Nacht auf einem Frachtschiff der altehrwürdigen Amerika-Linie HAPAG an. Tatsächlich emigrierten zwischen 1896 und 1913 1,7 Millionen Deutsche allein von Hamburg aus in die Vereinigten Staaten. Abfahrt: Amerika-Kai, Ziel: Der amerikanische Traum von Aufstieg und Freiheit. Auch für Sie und mich enden die letzten drei Kolumnen-Jahre mit der Transatlantikpassage:
Die „Große Freiheit“ ist zu Ende, willkommen im „Land of the Free“.
Von nun an werde ich in regelmäßigen Abständen von der Ostküste der Vereinigten Staaten aus an Sie schreiben. In der neuen Prometheus-Kolumne „Land of the Free“ lesen Sie natürlich Innenansichten aus dem noch immer mächtigsten Land der Welt. Aber auch Außenansichten auf deutsche, europäische und darüber hinaus internationale Debatten. Im Gegensatz zur Queen Mary 2 brauchen wir keine 7 Nächte, um den Atlantik zu überqueren. Beginnen wir also mit einer Bestandsaufnahme:
Was ist geworden aus dieser einzigarten Freundschaft?
„So wie wir im 20. Jahrhundert die Kraft hatten, eine Mauer aus Stacheldraht und Beton zu Fall zu bringen, so haben wir auch heute die Kraft, Mauern des 21. Jahrhunderts zu überwinden – Mauern in unseren Köpfen, Mauern eines kurzsichtigen Eigeninteresses, Mauern zwischen Gegenwart und Zukunft.“ Das sagte Angela Merkel 2009, als sie als erste deutsche Regierungschefin vor dem versammelten Kongress der Vereinigten Staaten sprechen durfte. Heute, 11 Jahre später, scheinen die Mauern zwischen des USA und Deutschland so hoch wie lange nicht. Was ist aus dieser einzigarten Freundschaft geworden?
Der transatlantische Geist scheint nicht mehr getragen zu sein von Dankbarkeit, einem gemeinsamen Werteverständnis und Faszination, sondern von Unverständnis, Misstrauen und gar Häme. Das gilt insbesondere seitdem wir uns in einer globalen Pandemie befinden. Auf die Frage, wer der wichtigste Bündnispartner Deutschlands sei, gaben in einer Umfrage der Körber-Stiftung gar nur noch 37 Prozent der Deutschen die USA an. Bereits 36 Prozent sehen China als wichtigsten Bündnispartner. Das China, das Abtrünnige in Umerziehungslagern interniert, das nicht einmal mehr den Anschein von Demokratie erwecken möchte, und das von Hong-Kong bis Taiwan einige der wichtigsten Bastionen der Freiheit in Ostasien bedroht.
Die deutsche Sichtweise auf die USA verstört
Sicher, die US-amerikanische Demokratie ist alles andere als in einem guten Zustand. Drei Jahre Trump haben gereicht, um sie in die womöglich größte Krise seit dem Bürgerkrieg zu stürzen. Die USA haben viele sehr ernsthafte Probleme: Polizeigewalt, fortbestehender struktureller Rassismus, die Folgen des Klimawandels und eine vollkommen überhitzte Parteienlandschaft. Als ob dies nicht genug wäre, traf die Covid-19-Pandemie die USA dann auch noch besonders hart, woran die politische Elite des Landes mit Sicherheit einen Anteil hat. Wobei selbst dezidiert Trump-kritische Kommentatoren überzeugend die Meinung vertreten, es hätte schon einen Über-Präsidenten gebraucht, um das Land wesentlich besser durch die Pandemie zu bringen. Schließlich hat die Untätigkeit der Seuchenschutzbehörde (CDC) ebenso ihren Anteil an der grenzenlosen Ausbreitung von Covid-19 gehabt wie die schlechten Startbedingungen (New York City war einer der ersten großen Hotspots).
Was verstört, ist jedoch die Stimmung, mit der diese Lage in Deutschland rezipiert wird. Bisweilen gewinnt man den Eindruck, der ein oder andere ergötze sich am vermeintlichen Scheitern der USA: Hier der Musterknabe Deutschland, dem selbst Corona nicht viel anhaben kann. Dort die alten rassistischen und waffenstarrenden USA mit ihrem psychopatischen Präsidenten, die von ihrem hohen Ross fallen. Dabei wäre es gerade in Zeiten der Krise der richtige Moment, um Solidarität zu zeigen. Trump macht einem das wahrlich nicht leicht. Allerdings: Ist es richtig, einem ganzen Land die kalte Schulter zu zeigen, nur weil dessen demokratisches System eine unkluge Entscheidung hervorgebracht hat?
Die Vereinigten Staaten sind mehr als das Weiße Haus
Tatsächlich hat das Staatsversagen zu Beginn der Corona-Pandemie durchaus dazu geführt, dass die Menschen jenseits von Washington selbst Verantwortung übernommen haben. Auch wenn das selbstverständlich nur die „second best option“ ist. Die Quote der Maskenträger ist in den USA höher als in Deutschland, und viele zivilgesellschaftliche Organisationen wie private Universitäten, aber auch Kommunen, haben die Pandemie erfolgreiche zurückgedrängt. Und sollte es demnächst tatsächlich einen Corona-Impfstoff geben, ist dies auch der Finanzkraft amerikanischer Pharma-Unternehmen sowie der massiven Forschungsunterstützung zu verdanken.
Es geht bei der Freundschaft zwischen Deutschland und den USA um viel mehr als um die aktuelle Pandemie. Die USA waren immer ein Ort der Zuflucht für Deutsche. Erst für religiös Verfolgte, dann für die Perspektivlosen und Verarmten, und schließlich für jene, die rechtzeitig Nazi-Deutschland verlassen konnten. Zu all diesen Zeiten, während des anschließenden Kalten Krieges und danach war dieses Land ein Symbol der Freiheit. Und auch wenn es gerade ins Wanken geraten ist, wäre es doch viel zu früh sich abzuwenden, erst recht nicht mit Hochmut. Im November sind Wahlen – es bleibt spannend im Land of the Free.