Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin. Die Politik von Mario Draghi und der EZB hat die Märkte während der Eurokrise stabilisiert und Unternehmens- und Bankinsolvenzen reduziert beziehungsweise vermieden. Doch man sollte dies nicht leichtfertig als Erfolg feiern. Hohe Summen sind in nicht überlebensfähige Zombiefirmen geflossen. Dieses Geld hätte man weit produktiver einsetzen können. Als die Zinssätze auf Staatsanleihen strauchelnder Regierungen im Euroraum bis zum Sommer 2012 enorm stiegen, kündigte EZB-Präsident Mario Draghi am 26. Juli 2012 an, dass die EZB „innerhalb ihres
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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.
Die Politik von Mario Draghi und der EZB hat die Märkte während der Eurokrise stabilisiert und Unternehmens- und Bankinsolvenzen reduziert beziehungsweise vermieden. Doch man sollte dies nicht leichtfertig als Erfolg feiern. Hohe Summen sind in nicht überlebensfähige Zombiefirmen geflossen. Dieses Geld hätte man weit produktiver einsetzen können.
Als die Zinssätze auf Staatsanleihen strauchelnder Regierungen im Euroraum bis zum Sommer 2012 enorm stiegen, kündigte EZB-Präsident Mario Draghi am 26. Juli 2012 an, dass die EZB „innerhalb ihres Mandats alles Erforderliche tun [werde], um den Euro zu erhalten“. Das bis heute ungenutzte OMT-Programm war geboren, das einen unbegrenzten Ankauf europäischer Staatsanleihen am Sekundärmarkt ermöglicht. Die Ankündigung ließ den Kurs von Staatsanleihen steigen. Auch Banken hielten diese Staatsanleihen und wurden so indirekt rekapitalisiert. Sie konnten wieder mehr Kredite vergeben. Statt an profitable Firmen gingen viele dieser Kredite jedoch an unprofitable und im Grunde kreditunwürdige Unternehmen. Sichtbar mag das OMT-Programm die Teilnehmer an den Finanzmärkten beruhigt haben, unsichtbar hat es jedoch die Finanzierung lukrativer Firmen erschwert, Investitionen gehemmt und somit das Wachstum geschwächt.
„Whatever it takes“
Im Juni 2012 befanden sich die Refinanzierungskosten für die Regierungen Griechenlands, Irlands, Italiens, Portugals und Spaniens (GIIPS) auf einem Höhepunkt: Der Zinssatz auf 10-jährige griechische Staatsanleihen betrug beispielsweise etwa 28 %. Investoren verloren nicht nur das Vertrauen in die Regierungen, sondern auch in die Banken der GIIPS-Staaten, die viele Staatsanleihen ihrer jeweiligen Regierung hielten und unter deren Kursrückgang litten. Speziell an kleine und mittlere Unternehmen vergaben Banken angesichts ihrer eigenen schwachen Eigenkapitalausstattung kaum noch Kredite.
Die Ankündigung Mario Draghis, dass die EZB „alles Erforderliche tun [werde], um den Euro zu erhalten“, spätestens jedoch der Beschluss des OMT-Programms am 6. September 2012, machte die Staatsanleihen strauchelnder Staaten wieder attraktiver. Anschließend schätzten die Marktteilnehmer das Risiko eines Zahlungsausfalls als deutlich niedriger ein. Seitdem vertrauen die Marktteilnehmer darauf, dass die EZB im Notfall die Staatsanleihen eines schlingernden Staates kaufen wird. Das Bankensystem der Eurozone wurde so kurzfristig stabilisiert. Anscheinend verbesserte die Ankündigung Draghis kurzfristig auch den Zugang zu Krediten für Firmen in den GIIPS-Staaten.
Künstliche Beatmung von Zombie-Firmen
Ökonom Viral Acharya von der New York University und weitere Autoren finden ebenfalls Hinweise darauf, dass die OMT-Ankündigung der EZB den europäischen Bankensektor stabilisierte und die teilweise rekapitalisierten Banken wieder mehr Kredite vergaben. Aber welche Unternehmen profitierten durch zusätzliche Bankkredite vom Kursanstieg der GIIPS-Staatsanleihen? Acharya und seine Kollegen präsentieren überzeugende Hinweise darauf, dass Banken mehr Kredite an Unternehmen mit schlechter Bonität vergaben, während sie ihre Kredite an Unternehmen mit guter Bonität nach der OMT-Ankündigung nicht ausweiteten. Gemäß Acharya und seine Mitautoren sind dafür zumindest zum Teil Banken verantwortlich, die nach der OMT-Ankündigung weiterhin schwach kapitalisiert waren und einen Anreiz hatten, Kredite vor allem an sogenannte Zombie-Firmen zu vergeben.
Zombie-Firmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht in der Lage sind, die Zinszahlungen laufender Kredite zu tätigen – von der Tilgung der Darlehen ganz zu schweigen. Durch frische Kredite an Zombie-Firmen kann eine Bank vermeiden, dass bestehende Kredite an Zombie-Firmen als „non-performing“ klassifiziert oder gar abgeschrieben werden müssen. So kann eine Bank durch erneute Kredite an zahlungsunfähige Firmen ihre Eigenkapitalquote künstlich hoch halten und den Anforderungen an ihre eigene Kapitalausstattung genügen.
Laut IWF entfielen im Jahr 2013 in Portugal, Spanien und Italien 50 %, 40 % bzw. 30 % der Schulden auf Firmen, die ihre Zinszahlungen nicht aus ihren Vorsteuereinkünften begleichen konnten.
Profitable Unternehmen: Weniger Investition, weniger Wachstum
Endloskredite an Zombie-Unternehmen haben in den GIIPS-Ländern nicht nur Zombie-Firmen vor der Insolvenz bewahrt, sondern zudem den Anteil an Zombie-Firmen erhöht. Darunter leiden ihre gesunden Wettbewerber ebenso wie die übrigen Mitglieder der Gesellschaft. Zum einen treiben Zombie-Firmen die Kreditnachfrage und damit auch den Zinssatz für kreditwürdige Unternehmen in die Höhe. Zum anderen binden die ineffizienten Zombie-Unternehmen Ressourcen an sich, die andere profitable Unternehmen effizienter eingesetzt hätten. Investitionen und Beschäftigungswachstum profitabler Firmen werden so durch die Kreditvergabe unterkapitalisierter Banken beeinträchtigt.
Ähnliches geschah während der 1990er in Japan, als eine lockere Geldpolitik und Bank-Bailouts der japanischen Regierung immer mehr Zombie-Unternehmen entstehen ließen, wie Ricardo Caballero und andere Ökonomen zeigen.
Die Zerstörung der Schöpferischen Zerstörung
Natürlich ist die Insolvenz für Anteilseigner und Beschäftigte unprofitabler Unternehmen nicht erfreulich – und doch ist sie gesamtgesellschaftlich wünschenswert. Durch ihre Kaufentscheidungen teilen Kunden in Insolvenz geratenen Unternehmen mit, dass sie die Ressourcenverwendung anderer Unternehmen höher wertschätzen. Eine verschwenderische Ressourcenverwendung von Unternehmen wird so in einem Lernprozess des Versuchs und Irrtums minimiert.
Dieser von Joseph Schumpeter beschriebene Prozess der Schöpferischen Zerstörung beschreibt die fortwährende Neukombination von Produktionsfaktoren, durch die Fortschritt ermöglicht wird, während alte und ineffiziente Produktionsstrukturen samt den sie nutzenden Unternehmen verschwinden.
Die Finanzierung von Zombie-Firmen, die zum Teil durch die implizite Preisgarantie der EZB für Anleihen von Staaten der Eurozone ermöglicht wird, verlangsamt den Prozess der Schöpferischen Zerstörung.
OMT-Ankündigung: Sichtbar und unsichtbar
Die OMT-Ankündigung mag das europäische Bankensystem stabilisiert haben. Dieser kurzfristige Effekt war gut sichtbar. Ebenfalls gut sichtbar waren die durch die OMT-Ankündigung vermiedenen Entlassungen. Auf den ersten Blick unsichtbar hingegen sind die verlorenen Innovationen und das nicht erfolgte (Beschäftigungs-)Wachstum, das die Schließung unproduktiver Unternehmen und das stärkere Wachstum effizienterer Unternehmen mit sich gebracht hätten. Dass Draghis „Whatever it takes“ gepaart mit der Ankündigung des OMT-Programms den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Krise hemmte und es vermutlich noch heute tut, wird erst bei genauerer Betrachtung sichtbar.