Deutschland lebt von der Substanz. Nach Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln sind 27,4 Prozent der Schienenwege, 39,4 Prozent der Straßen und Brücken und 53,2 Prozent der Wasserstraßen älter als 30 Jahre. Über Jahre wurden die Investitionsmittel zurückgefahren. Noch heute liegen die realen Investitionen in die Fernstraßen unter dem Niveau des Jahres 2008. Seit 25 Jahren dümpelt die Investitionsquote des Gesamtstaates bei rund 2 Prozent dahin. Selbst die Anlageinvestitionen der Wirtschaft sind, den Werteverzehr berücksichtigend, von 9,3 Prozent (1991) auf 2,8 Prozent (2017) zurückgegangen. Private Investitionen in den Wohnungsbau nehmen zwar derzeit wieder zu, sie liegen aber immer noch unter dem Niveau der 1990er
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Deutschland lebt von der Substanz. Nach Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln sind 27,4 Prozent der Schienenwege, 39,4 Prozent der Straßen und Brücken und 53,2 Prozent der Wasserstraßen älter als 30 Jahre. Über Jahre wurden die Investitionsmittel zurückgefahren. Noch heute liegen die realen Investitionen in die Fernstraßen unter dem Niveau des Jahres 2008. Seit 25 Jahren dümpelt die Investitionsquote des Gesamtstaates bei rund 2 Prozent dahin. Selbst die Anlageinvestitionen der Wirtschaft sind, den Werteverzehr berücksichtigend, von 9,3 Prozent (1991) auf 2,8 Prozent (2017) zurückgegangen. Private Investitionen in den Wohnungsbau nehmen zwar derzeit wieder zu, sie liegen aber immer noch unter dem Niveau der 1990er Jahre. Real sinkt der Kapitalstock in Deutschland wahrscheinlich derzeit.
Die öffentliche Wahrnehmung ist dagegen eine ganz andere. Wahrscheinlich ist es der relative Vergleich zu den anderen. Es herrscht eine allgemeine Zufriedenheit über den Standort Deutschland. Nach Zahlen des Instituts Allensbach halten 87 Prozent der Befragten den Standort Deutschland für „gut“ oder „sehr gut“ und lediglich 8 Prozent für „weniger gut“ oder „gar nicht gut“. Daher glauben auch 74 Prozent der Bevölkerung, dass Deutschland in 10 und 15 Jahren noch zu den führenden Wirtschaftsnationen gehören wird und 68 Prozent glauben sogar, dass Deutschland in dieser Zeit ökonomisch an Bedeutung gewinnen wird. Soviel Optimismus war selten. Und so viel Diskrepanz zur realen Wirklichkeit auch. Doch es gilt: Müßiggang ist aller Laster Anfang. Sattheit macht blind für die Zukunft. Die Erklärung dafür hat sehr viel mit der gemeinsamen Währung, dem Euro, zu tun.
Der real existierende Euro geht Deutschland an die Substanz. Er führt dazu, dass Deutschland Risiken außerhalb des Landes übernimmt, um insbesondere im Euroraum öffentliche und private Investitionen zu finanzieren. Durch die Nullzinspolitik der EZB werden unterschiedliche Risiken und deren Bepreisung innerhalb des Euro-Raumes nivelliert. Es ist egal, ob Investitionen in Italien, den Niederlanden oder Deutschland stattfinden. Sie sind in den Augen der EZB und der Finanzmärkte fast gleich sicher.
Auch das Zahlungssystem Target II der EZB dokumentiert diesen Umstand. Innerhalb des Target II-Systems hat die Bundesbank 923 Mrd. Euro Forderungen gegenüber anderen Notenbanken des Euro-Systems. Diese Forderungen werden bekanntlich nicht ausgeglichen, sondern unendlich fortgeschrieben. So ist es auch mit dem Europäischen Stabilitätsmechnismus ESM. Auch er verzerrt letztlich die Realität. Er vergemeinschaftet einen Teil der Schulden in der Eurozone. Die geplante europäische Einlagensicherung EDIS soll zusätzlich die Haftung bei Bankenschieflagen vergemeinschaften und dies die Einleger in der ganzen Euro-Zone bezahlen lassen. Auch dies schleift die Substanz.
Aus diesem Grund reicht sparen bei den öffentlichen Haushalten in Deutschland alleine nicht aus. Was nützt es in Deutschland, die öffentliche Verschuldung abzubauen, wenn gleichzeitig ex- und implizite neue Schulden im Euro-Raum übernommen werden. Unterm Strich steigt der Schuldenberg in Deutschland und die Infrastruktur wird noch schlechter.
So wichtig es ist, dass Kommunen, Länder und der Bund zurückhaltend mit dem Aufwuchs der Ausgaben sind, so entscheidend ist, dass verstärkt Investitionen in Deutschland notwendig sind. Hier bilden die Wähler und die politische Ebene noch am Ehesten eine Einheit. Hier fallen Haftung und Verantwortung noch am Wenigsten auseinander. Innerhalb der Euro-Zone ist dies nicht der Fall. Auf die Entscheidungen in Italien, Portugal oder Spanien hat der Bürger in Deutschland keinen Einfluss. Das ist gut und richtig so. Doch entscheidend ist dann aber auch, dass die Bürger in Deutschland nicht für die (Fehl-)Entscheidungen dort herangezogen werden dürfen. Viele dieser oben beschriebenen Konstruktionsfehler der Euro-Zone können nicht von heute auf morgen beseitigt werden. Sie können abgemildert, verändert oder wie bei EDIS verhindert werden.
Daher muss eine deutsche Regierung im eigenen Land das Beste daraus machen. So wichtig es ist, die staatliche Infrastruktur zu ertüchtigen, entscheidend sind die Rahmenbedingungen für private Investitionen. Sie übersteigen in einer Marktwirtschaft die öffentlichen Investitionen um ein Vielfaches. Wer den Verfall der Substanz in Deutschland daher verhindern will, muss Bürger und Unternehmen entlasten und sie damit einladen, hier zu investieren. Das sichert dauerhaft unseren Wohlstand für uns alle.