Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus. Die gemeinsame Währungspoltik im Euroraum sorgt für einen einheitlichen Leitzins. Das führt zu großen Problemen, denn die Volkswirtschaften der Eurozone sind zu heterogen dafür. Während er für die einen zu niedirg ist, ächzen die anderen unter der Höhe des EZB-Zinses. Der sogenannte Taylor-Zins macht das Dilemma deutlich. Seit Einführung des Euros im Jahr 1999 setzt die Europäische Zentralbank den Hauptrefinanzierungssatz für die gesamte Eurozone und legt damit fest, zu welchen
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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.
Die gemeinsame Währungspoltik im Euroraum sorgt für einen einheitlichen Leitzins. Das führt zu großen Problemen, denn die Volkswirtschaften der Eurozone sind zu heterogen dafür. Während er für die einen zu niedirg ist, ächzen die anderen unter der Höhe des EZB-Zinses. Der sogenannte Taylor-Zins macht das Dilemma deutlich.
Seit Einführung des Euros im Jahr 1999 setzt die Europäische Zentralbank den Hauptrefinanzierungssatz für die gesamte Eurozone und legt damit fest, zu welchen Konditionen Geschäftsbanken bei ihr Kredite aufnehmen können. Da die Geschäftsbanken die ihnen gewährten Konditionen an ihre Kunden weitergeben, beeinflusst die EZB über den umgangssprachlich auch als Leitzins bezeichneten Hauptrefinanzierungssatz das Ausmaß der Kreditschöpfung und damit auch die konjunkturelle Entwicklung aller Länder der Eurozone.
Spätestens seit Beginn der Finanzkrise 2008 mehrt sich Kritik an der einheitlichen Zinssetzung der EZB. So halten viele deutsche Kommentatoren den Zinssatz für zu niedrig, während andere vor den negativen Folgen höherer Zinsen für die südeuropäischen Krisenstaaten warnen. Angesichts der Größe der Eurozone und der Verschiedenheit der in ihr zusammengefassten Volkswirtschaften ist es nicht überraschend, dass die einheitliche Geldpolitik zu keinem Zeitpunkt vollständig auf die Bedürfnisse aller Mitgliedsländer abgestimmt ist.
Die Taylor-Regel bietet eine Möglichkeit, um einzuschätzen, wie stark die Diskrepanz zwischen den geldpolitischen Bedürfnissen der Eurozonenstaaten ausfällt. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Geldpolitik die Auswirkungen von Zinsänderungen sowohl auf die Inflationsrate als auch auf die konjunkturelle Entwicklung berücksichtigen sollte.
Berechnungen für einige Länder der Eurozone offenbaren starke Abweichungen zwischen dem landesspezifischen Taylor-Zinssatz und dem einheitlichen EZB-Leitzins. Auch 20 Jahre nach Gründung der EZB gibt es weiterhin wenig Anzeichen dafür, dass die Eurozone einen optimalen Währungsraum formt. Deshalb ist zu erwarten, dass der einheitliche Leitzins der EZB auch in Zukunft zu hohen Kosten für die betroffenen Volkswirtschaften führen wird – inklusive weiterer kreditinduzierter Booms und Busts.
Leitzins seit 1999: Von fast 5 % auf 0 %
Mit ihrer Geldpolitik verfolgt die EZB primär das Ziel, das Preisniveau in der Euro-Zone stabil zu halten – in der Praxis strebt sie eine Inflationsrate von 2 % an. Sofern sie die Preisniveaustabilität dabei nicht gefährdet, unterstützt die EZB laut AEU-Vertrag ferner die allgemeinen wirtschaftspolitischen Ziele der EU.
Der Hauptrefinanzierungssatz ist das wichtigste Instrument der EZB. Sie hat ihn seit Einführung des Euros 1999 vielfach angepasst. Lag er 1999 bei 3 %, stieg er im Laufe des Jahres 2000 auf ein Maximum von 4,75 %. Bis 2003 senkte die EZB den Satz auf 3 %, hob ihn anschließend bis Mitte 2008 aber wieder auf 4,25 % an. Seit Krisenausbruch sank der Hauptrefinanzierungssatz. 2016 erreichte er 0 %.
Optimale Sätze nach der Taylor-Regel
Ob die Geldpolitik der letzten Jahre für die Preisentwicklung und die konjunkturelle Lage in den Euro-Staaten angemessen war, wird kontrovers diskutiert. Eine Möglichkeit zur Einschätzung bietet die nach dem Ökonom John Taylor benannte Taylor-Regel. Laut dieser sollte die Zentralbank die Abweichung der aktuellen Inflationsrate von der erwünschten Inflationsrate sowie die konjunkturelle Situation berücksichtigen.
Wird mit π die aktuelle Inflationsrate, mit r der reale Gleichgewichtszins und mit y_gap die prozentuale Abweichung des realen Bruttoinlandprodukts von seinem langfristigen Potential – die sogenannte Outputlücke – bezeichnet, so lautet die Taylor-Regel in ihrer ursprünglichen Form:
Abweichende Taylor-Zinsen für Euroländer
Mittels Daten des Internationalen Währungsfonds lässt sich der Taylor-Zinssatz für die Eurozonen-Länder berechnen. Als Indikator für den Gleichgewichtszins eines Landes verwenden wir das durchschnittliche Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts einzelner Länder zwischen 1980 und 2010.
Deutlich wird, dass der Hauptrefinanzierungssatz der EZB von 1999 bis zu Beginn der Krise 2009 nahe am für Deutschland optimalen Taylor-Zinssatz lag, wenngleich er ab 2004 auch aus deutscher Sicht zunehmend zu niedrig ausfiel.
2000er: Zu niedrige Zinsen für boomende Länder Südeuropas
Für einige Länder Südeuropas, in denen vor allem in den 2000er Jahren das Bruttoinlandsprodukt deutlich über dem langfristigen Potential und die Inflationsraten deutlich über dem Ziel von 2 % lagen, war der durch die EZB gesetzte Zins dauerhaft deutlich zu niedrig.
So wäre beispielsweise in Griechenland während der Boom-Jahre vor Ausbruch der Finanzkrise nach der Taylor-Regel ein deutlich höheres Zinsniveau angemessen gewesen – 2008 betrug die Differenz 8,6 Prozentpunkte. Die aus Sicht Griechenlands zu niedrigen Zinsen haben maßgeblich zur exzessiven Verschuldung beigetragen, die das Mittelmeerland bis heute belastet.
Wie in Griechenland dürften die relativ zum Taylor-Satz zu niedrigen Zinsen in den Vorkrisenjahren auch in Portugal, Spanien und Irland sowie in geringerem Maße in Frankreich und Italien zu exzessiver Kreditaufnahme durch private und/oder staatliche Akteure geführt haben.
Nach 2009: Zu niedrige Zinsen für Irland und Deutschland
Im Krisenjahr 2009 hätte Deutschland gemäß der Taylor-Regel kurzfristig eine stärkere Zinssenkung benötigt, doch seit 2010 liegt der Zins niedriger als die Taylor-Regel empfiehlt – 2011 betrug die Differenz 4 Prozentpunkte. Der Taylor-Regel folgend liegt das Zinsniveau aus griechischer Sicht hingegen seit 2012 zu hoch – für Griechenland wäre ein negativer Nominalzinssatz angemessen.
Heute befinden wir uns folglich noch immer in einer Situation, in der der einheitliche Leitzins der EZB vom länderspezifischen Taylor-Zins abweicht. Derzeit gehören Deutschland und Irland gemäß der Taylor-Regel zu den Ländern für die der Zins der EZB deutlich zu niedrig ist.
Krisenanfälligkeit bleibt
Langfristige Untersuchungen zeigen, dass niedrige Leitzinsen zu den zentralen Ursachen für durch übermäßiges Kreditwachstum ausgelöste Wirtschaftskrisen gehören. Der zwangsläufig für alle Länder der Eurozone einheitliche Leitzins der EZB hat also das Potential, in Ländern, für die er zu niedrig ist, kreditinduzierte Krisen hervorzurufen. Gleichzeitig hemmt er in jenen Ländern die wirtschaftliche Aktivität, für die der Zins zu hoch ausfällt. Fast 20 Jahre nach Gründung der EZB ist eine einheitliche Geldpolitik für die gesamte Eurozone auch aus diesen Gründen weiterhin nicht sonderlich attraktiv.
Erstmals erschienen bei IREF.