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Ein neues Instrument für die EZB?

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EZB-Präsidentin Lagarde hat ein “neues Instrument” zur Verbilligung der italienischen Staatsfinanzierung angekündigt. Dabei kann es sich nur um gezielte Käufe italienischer Staatsanleihen handeln. Die Verbilligung der italienischen Staatsfinanzierung ist keine Aufgabe der Notenbank. Dafür kommt nur der ESM in Frage. EZB-Präsidentin Lagarde sieht in den Zinsunterschieden für italienische und deutschen Staatsanleihen eine “Fragmentation” der Eurozone. Der Begriff ist irreführend. Ökonomen verstehen unter Fragmentierung Zinsunterschiede für identische Wertpapiere in verschiedenen Ländern. Wenn italienische Staatsanleihen an den italienischen Börsen zu anderen Zinsen gehandelt würden als an deutschen Börsen, wäre der Markt fragmentiert. EZB-Präsidentin Lagarde möchte erreichen, dass

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EZB-Präsidentin Lagarde hat ein “neues Instrument” zur Verbilligung der italienischen Staatsfinanzierung angekündigt. Dabei kann es sich nur um gezielte Käufe italienischer Staatsanleihen handeln. Die Verbilligung der italienischen Staatsfinanzierung ist keine Aufgabe der Notenbank. Dafür kommt nur der ESM in Frage.

EZB-Präsidentin Lagarde sieht in den Zinsunterschieden für italienische und deutschen Staatsanleihen eine “Fragmentation” der Eurozone. Der Begriff ist irreführend. Ökonomen verstehen unter Fragmentierung Zinsunterschiede für identische Wertpapiere in verschiedenen Ländern. Wenn italienische Staatsanleihen an den italienischen Börsen zu anderen Zinsen gehandelt würden als an deutschen Börsen, wäre der Markt fragmentiert.

EZB-Präsidentin Lagarde möchte erreichen, dass sich der italienische Staat zu demselben niedrigen Zins finanzieren kann wie der deutsche Staat. Man kann davon ausgehen, dass der Anstoß von dem italienischen Ministerpräsident Draghi kam. Die EZB kann den Zins der italienischen Staatsanleihen nur dadurch auf das Niveau der deutschen Staatsanleihen drücken, dass sie italienische Staatsanleihen kauft oder solche Käufe ankündigt und dadurch die Erwartungen der Marktteilnehmer verändert. Bislang hat sich EZB-Präsidentin Lagarde auf Ankündigungen beschränkt, um deren Wirkung zu testen. Anleihekäufe als “Instrument” zu bezeichnen ist unter Ökonomen ungewöhnlich. Die Anleihen selbst sind (Finanz-) Instrumente, aber die Käufe würden ein neues “Programm” konstituieren.

Die EZB hat sich festgelegt, dass sie keine “Nettoanleihekäufe” mehr tätigen will. Aber sie wird die fällig werdenden Anleihen in ihrem Bestand durch neue Anleihen ersetzen. Das könnten anstelle eines – wie bisher – etwa repräsentativen Marktportfeuilles nur noch italienische Staatsanleihen sein. Wenn der Umfang der Käufe italienischer Staatsanleihen durch den Umfang der fällig werdenden Anleihen begrenzt würde, wäre die Ankündigung der EZB, die Zinsen der italienischen Staatsanleihen auf das Zinsniveau der deutschen Staatsanleihen zu drücken, aber nur begrenzt glaubwürdig. “Whatever it takes” sieht anders aus; es duldet keine Begrenzung. Das gilt auch in geringerem Maße, wenn die EZB sich vorbehält, alle nicht-italienische Anleihen, die in ihrem Bestand sind, also nicht nur die fälligen, durch italienische zu ersetzen.

Wäre ein solches Programm mit dem Verbot der monetären Staatsfinanzierung aus Art. 123 AEUV zu vereinbaren? In einem von 136 Wirtschaftsprofessoren unterzeichneten Aufruf, der am 12. September 2013 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien, heißt es dazu:

Art. 123 AEUV untersagt der EZB den “unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln” der Mitgliedstaaten. Damit ist klargestellt, dass eine monetäre Staatsfinanzierung der Mitgliedstaaten verboten ist. Anleihekäufe im Sekundärmarkt sind nur zulässig, wenn sie nicht der monetären Staatsfinanzierung, sondern geldpolitischen Zielen dienen. Wenn die Anleihekäufe der EZB geldpolitisch motiviert wären, würde sie ein repräsentatives Portefeuille … kaufen.

In der Folgezeit hat die EZB genau dies getan. Aber auch schon davor unterschied sich Trichets damalige Strategie von Lagardes Strategie heute. Zwar kaufte die EZB im Rahmen von Trichets “Securities Markets Programme” (SMP) gezielt nur die Anleihen einiger Mitgliedstaaten (Griechenland, Italien, Spanien), aber er machte zur Bedingung, dass die Mitgliedstaaten zur längerfristigen Lösung der Schuldenprobleme einen Fonds – erst die EFSF, dann den ESM – einrichteten, der wirtschaftspolitische Auflagen verhängen würde. Weshalb verweist EZB-Präsidentin Lagarde Italien nicht an den ESM? Auch durch geeignete Auflagen könnte der Zins der italienischen Staatsanleihen kräftig gesenkt werden. Das ist die bessere Methode, weil sie bei den Ursachen der italienischen Malaise ansetzt.

©KOF ETH Zürich, 30. Jun. 2022

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