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Was die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern übersieht

Summary:
Die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland beträgt 18%. Dieser Wert übersieht jedoch die beträchtlichen Unterschiede im Arbeitsumfang. Der resultierende Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen beläuft sich auf 34%. Dieser sollte mehr Aufmerksamkeit erhalten - allein schon wegen der Folgen für die späteren Rentenzahlungen. Anfang März finden sich zwei Tage, die eine sehr ähnliche Zielsetzung haben: Am 8. März wird jedes Jahr der Internationale Frauentag begangen. Seit mehr als 100 Jahren dient der Tag weltweit dazu, auf die Gleichstellung der Geschlechter und bestehende Diskriminierung aufmerksam zu machen. Bereits einen Tag davor, am 7. März, fand 2022 in Deutschland der so genannte Equal Pay Day statt.[1] Dieser Tag markiert symbolisch die geschlechtsspezifische

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Alessandra Casarico, Silke Übelmesser considers the following as important:

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Die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland beträgt 18%. Dieser Wert übersieht jedoch die beträchtlichen Unterschiede im Arbeitsumfang. Der resultierende Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen beläuft sich auf 34%. Dieser sollte mehr Aufmerksamkeit erhalten - allein schon wegen der Folgen für die späteren Rentenzahlungen.

Anfang März finden sich zwei Tage, die eine sehr ähnliche Zielsetzung haben: Am 8. März wird jedes Jahr der Internationale Frauentag begangen. Seit mehr als 100 Jahren dient der Tag weltweit dazu, auf die Gleichstellung der Geschlechter und bestehende Diskriminierung aufmerksam zu machen. Bereits einen Tag davor, am 7. März, fand 2022 in Deutschland der so genannte Equal Pay Day statt.[1] Dieser Tag markiert symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke, auch Gender Pay Gap genannt. Laut Statistischem Bundesamt[ a ] verdienten Frauen in Deutschland im Jahr 2021 brutto pro Stunde 18 Prozent weniger als Männer. Angenommen, Männer und Frauen würden den gleichen Stundenlohn erhalten: Dann ist der Equal Pay Day der Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden.

Von der unbereinigten zur bereinigten Lohnlücke

Für diese unbereinigte Lohnlücke lassen sich viele mögliche Gründe aufzählen. Frauen und Männer unterscheiden sich oftmals in ihren Erwerbsbiographien. Frauen erlernen Berufe und arbeiten in Branchen, in denen die Löhne niedriger sind. Sie schlagen Karrierepfade ein, die seltener zu Führungspositionen führen. Auch finden sich Frauen häufiger in Teilzeit- oder in Minijobs mit niedrigeren Stundenlöhnen. Oft wird vorgebracht, dass die daraus folgenden Lohnunterschiede auf Entscheidungen der Frauen zurückgehen und somit keine Diskriminierung im engeren Sinne darstellen. Wenn man entsprechend die damit verbundenen Lohnunterschiede herausrechnet und Männer und Frauen in gleichen Berufen und mit gleichen Karrieren, die gleich viel arbeiten, miteinander vergleicht, dann sinkt die Lücke zwar; die so genannte bereinigte Lohnlücke beträgt aber weiterhin 6%.

Es zählt der Kontext, in dem Entscheidungen getroffen werden

Möchte man die Ungleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt und darüber hinaus verringern, so lohnen sich ein paar grundlegendere Gedanken. Welche der auf den ersten Blick freien Entscheidungen auf dem Lebensweg sind auch tatsächlich solche? Wo spielen dagegen gesellschaftliche Normen, arbeitsmarktliche Realitäten und der staatliche Rahmen eine wichtige Rolle, wobei zu letzterem das Ehegattensplitting ebenso wie die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen zählen? Und wie beeinflusst all das die Entscheidungen von Frauen, wenn es darum geht, Work-Life Balance und Karriereüberlegungen in Einklang zu bringen? Einen Hinweis, dass historisch gewachsene, gesellschaftliche Vorstellungen und Rahmenbedingungen von Bedeutung sein können, liefert ein Blick nach Ost- und Westdeutschland. Während die unbereinigte Lohnlücke im Westen bei 19% liegt, ist diese im Osten mit 6% viel geringer.

Passenderweise lautet das Motto der Vereinten Nationen für den Weltfrauentag 2022 „Break the Bias.“ Auf Deutsch lässt sich das etwas holprig mit „Stoppt die Voreingenommenheit“ übersetzen. Ziel ist es, Stereotype und Vorurteile zu durchbrechen und dadurch für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Der „Bias“ kann die Arbeitswelt genauso betreffen wie das soziale Umfeld der Frauen und kann sich entsprechend in den Entscheidungen der Frauen niederschlagen, die selbst auch von Stereotypen beeinflusst sein können. Zwischen Entscheidungen auf der einen Seite und Diskriminierung auf der anderen Seite zu unterscheiden ergibt somit keinen Sinn, wie die Ökonomin Shelly Lundberg kürzlich vor dem Hintergrund umfassender Evidenz argumentierte.

Was nicht viel Beachtung findet, aber bei einem genaueren Blick nicht so harmlos ist:  Die beiden Maße der Lohnlücke basieren jeweils auf Stundenlöhnen. Somit gehen Unterschiede im Arbeitsumfang nur insoweit ein, als eine Teilzeitbeschäftigung im Durchschnitt auch eine geringere Entlohnung pro Stunde mit sich bringt als eine vergleichbare Vollzeitbeschäftigung. Die Überlegungen und Beschränkungen, auf denen eine bestimmte Wochenarbeitszeit basiert, werden völlig ausgeklammert.

Auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Arbeitseinkommen kommt es an

Es scheint Konsens zu bestehen, dass dies die freie Entscheidung der Frauen widerspiegelt und somit ihren Präferenzen entspricht. Das ist verwunderlich, da der Umfang der Arbeitsmarktbeteiligung eine sehr große, wenn nicht die größte Auswirkung auf den monatlichen Verdienst hat. Noch wichtiger: ein geringerer Verdienst aus einer Teilzeit- oder Minijob-Beschäftigung führt zu entsprechend niedrigeren Rentenansprüchen. Die Rentenzahlungen später hängen von den Beitragszahlungen ab, die wiederum am Monatsverdienst ansetzen. Stundenlöhne spielen hier nur mittelbar eine Rolle. Altersarmut rührt oft von unterbrochenen Erwerbsbiographien und insgesamt geringeren Arbeitszeiten. Auch wenn mittlerweile fast drei von vier Frauen arbeiten, so geht doch knapp die Hälfte von ihnen einer Teilzeitbeschäftigung nach.

Die Daten des Statistischen Bundesamts ermöglichen es, auch den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern zu berechnen, wenn sowohl Vollzeit-, als auch Teilzeit- und geringfügige Beschäftigung berücksichtigt werden. Nicht überraschend vergrößert sich die Lücke deutlich auf dann 34%. Möchte man einen Tag bestimmen, der diese Verdienstlücke veranschaulicht, so wäre das 2022 der 4. Mai. Dieser Tag befindet sich in enger Nachbarschaft zum Muttertag nur vier Tage später. Wenn das ein Zufall ist, dann doch für sich genommen einer mit viel Symbolkraft.


[1] In Österreich fand der Equal Pay Day 2022 am 15. Februar statt, in der Schweiz am 20. Februar.

©KOF ETH Zürich, 10. Mär. 2022

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