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Open Economics: Die Durchdringung von Open-Science-Praktiken in den Wirtschaftswissenschaften

Summary:
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur Rolle von Transparenz und Offenheit im Forschungsalltag von Ökonom*innen zeigt noch große Lücken zwischen Akzeptanz und Anwendung von Open-Science-Prinzipien. Die Corona-Krise verändert unsere Wissenschaftskommunikation gerade erheblich. Wir können beobachten, dass Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler*innen Publikationen, Preprints, Daten und Codes aus Corona-bezogenen Forschungsaktivitäten schneller als je zuvor offen teilen. Sie arbeiten interdisziplinär zusammen und kommunizieren ihre Forschungsergebnisse an Gesellschaft und Politik, um gesellschaftliche Probleme, wie die derzeitige Corona-Krise, kooperativ zu meistern. Diese Offenheit wird in der Gesellschaft enorm wertgeschätzt. Dies zeigt das „Wissenschaftsbarometer

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Guido Scherp, Doreen Siegfried considers the following as important:

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Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur Rolle von Transparenz und Offenheit im Forschungsalltag von Ökonom*innen zeigt noch große Lücken zwischen Akzeptanz und Anwendung von Open-Science-Prinzipien.

Die Corona-Krise verändert unsere Wissenschaftskommunikation gerade erheblich. Wir können beobachten, dass Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler*innen Publikationen, Preprints, Daten und Codes aus Corona-bezogenen Forschungsaktivitäten schneller als je zuvor offen teilen. Sie arbeiten interdisziplinär zusammen und kommunizieren ihre Forschungsergebnisse an Gesellschaft und Politik, um gesellschaftliche Probleme, wie die derzeitige Corona-Krise, kooperativ zu meistern.

Diese Offenheit wird in der Gesellschaft enorm wertgeschätzt. Dies zeigt das „Wissenschaftsbarometer Corona-Spezial[ a ]“. Demnach ist das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft und Forschung in den letzten Monaten erheblich gestiegen. Sagten 2019 noch 46 Prozent der Bevölkerung, dass sie Wissenschaft vertrauten, waren es im April 2020 schon 73 Prozent.

Die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft als einer der ersten Akteure zu Open Science in Deutschland möchte diesen Wandel hin zu mehr Offenheit und Transparenz unterstützen. Die ZBW möchte Angebote zur Unterstützung von Open Science verbessern und an den Bedürfnissen von Wirtschaftswissenschaftler*innen in Deutschland ausrichten.

In diesem Kontext hat die ZBW untersucht, welche Rolle Open Science und offene Wissenschaftspraktiken im Arbeitsalltag von Wirtschaftswissenschaftler*innen aktuell spielen. Die Feldphase erfolgte Ende 2019 in Form eines Online-Fragebogens an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Auswertung basiert auf 300 vollständig ausgefüllten Fragebögen. Die vollständige Studie ist hier[ b ] einsehbar.

Hohe Zustimmung zu den allgemeinen Prinzipien von Open Science

Vier von fünf Wirtschaftsforschenden haben den Begriff “Open Science” beziehungsweise “offene Wissenschaft” vorher schon einmal gehört. Darüber hinaus gibt es eine breite Zustimmung zu den allgemeinen Prinzipien von Open Science. Beispielsweise stimmen 96 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Replizierbarkeit von Forschungsergebnissen ein wichtiges Qualitätskriterium ist, um die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft zu erhöhen. Ähnlich hoch mit 91 Prozent ist die Zustimmung zur Aussage, dass Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung frei zugänglich sein sollten. Insgesamt gibt es Zustimmungswerte von 85 bis 96 Prozent zu den Open-Science-Prinzipien[ c ]. Lediglich der Einbindung von gesellschaftlichen Akteuren in Forschungsprozesse (Community Science / Citizen Science) stimmten nur 56 Prozent zu. 

Open-Science-Praktiken werden noch nicht in der Breite angewendet

Bei der Frage nach der allgemeinen Rolle von Open-Science-Praktiken im Forschungsalltag spielen Open Source mit 64 Prozent und Open Access mit 62 Prozent eine tendenziell wichtige bis sehr wichtige Rolle. Die geringste Rolle spielen Community/Citizen Science[ 1 ] mit 14 Prozent und Altmetrics[ 2 ] mit 8 Prozent. Der hohe Wert von Open Source ist interessant; vermutlich korreliert er mit einer hohen Nutzungsintensität von Open-Source-Lösungen. 

Konkreter gefragt, haben 34 Prozent aller Ökonominnen und Ökonomen nach eigenen Angaben schon einmal im Open Access publiziert, davon 61 Prozent ein Working Paper in einem Repository und 59 Prozent in einem Open-Access-Journal. Die Prominenz von Open-Access-Journals erstaunt dabei etwas, da der Anteil von reinen Open-Access-Journals in den Wirtschaftswissenschaften noch gering ist. Universitätsprofessor*innen publizieren mit 59 Prozent deutlich häufiger im Open Access als wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit 24 Prozent. Es wird auch in anderen Studien bestätigt, dass wissenschaftliche Mitarbeiter*innen stärker ihre wissenschaftliche Karriere im Blick haben und statt in Open-Access-Journals eher in Zeitschriften mit hohem Impact-Faktor publizieren. 

Mit Forschungsdaten arbeiten 78 Prozent aller Ökonom*innen. Von ihnen nutzen 56 Prozent dabei die Daten anderer und 51 Prozent nutzen freie Software zur Datenanalyse (dies korreliert mit der großen Rolle von Open Source siehe oben). 44 Prozent haben schon einmal eine Publikation mit zugrundeliegenden Daten ergänzt/verlinkt. Lediglich 15 Prozent haben reine Daten über ein Repository zugänglich gemacht.  

Reputation und Zeit sind zentrale Stellschrauben

Bereits andere Studien haben gezeigt, dass Reputation und Anerkennung zentrale Trigger für Open Science sind. Auch Zeit spielt eine wichtige Rolle. Die am häufigsten genannten Hinderungsgründe für die Anwendung von Open-Science-Praktiken waren somit fehlende Zeit (43 Prozent), fehlende Unterstützung (32 Prozent) sowie mangelnde Anerkennung in der Community (30 Prozent). 

Nach Anreizen gefragt, dominieren Aspekte rund um Reputation und Anerkennung. Als Anreize genannt wurden: 

  • Forschende/Laien interessieren sich mehr für die Arbeit (54 Prozent), 
  • Zitationen steigen durch Open Access (52 Prozent), 
  • die Anwendung wird in der Wissenschaft anerkannt (51 Prozent), 
  • und es gibt Zitationen für veröffentlichte Daten (49 Prozent). 

Die Anerkennung in der Wissenschaft spielt dabei für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit 63 Prozent eine deutlich wichtigere Rolle als für Professor*innen mit 39 Prozent. 

Hoher Unterstützungsbedarf vorhanden

Es gibt allgemein einen hohen Unterstützungsbedarf seitens der Ökonom*innen für die Durchführung von Open Science. Dieser erstreckt sich von einem Überblick zu Plattformen, Werkzeugen und Anwendungen (84 Prozent) bis hin zur Unterstützung für eine verbesserte Replizierbarkeit eigener Forschungsergebnisse (50 Prozent). Dahinter, mit 40 Prozent der niedrigste Wert, wünschen sich die Befragten Unterstützung bei der Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure (Community/Citizen Science). Bei diesem Thema wird auch die geringste Rolle im Forschungsalltag gesehen (siehe oben).  Fachhochschulprofessor*innen scheinen dabei einen größeren Bedarf an Unterstützung zu haben als Universitätsprofessor*innen.

Die Zukunft ist global verteiltes und vernetztes Wissen

Gelebte Open Science ist wichtig, denn wissenschaftlicher Fortschritt lebt davon, dass Theorien und empirische Befunde immer wieder kritisch überprüft werden können. Und replizierbare Forschungsergebnisse tragen wesentlich zur Glaubwürdigkeit der Wissenschaft bei. Open Science ist daher gerade in der Wirtschaftsforschung insbesondere in Bezug auf Methoden und verwendete Daten von überragender Bedeutung. In der Wirtschaftsforschung deshalb, weil deren Aufgabe und Verantwortung auch darin liegt, Politik und Gesellschaft umfassend zu beraten. Wie wir zusammen unsere Wissenschaftskommunikation organisieren, ist weit über die akademische Welt hinaus von Bedeutung.

Es heißt daher Umdenken im Publikationswesen, Umdenken beim Umgang mit Forschungsdaten, Umdenken bei der Datenvernetzung und in der Zusammenarbeit mit Informationsinfrastrukturen und wissenschaftlichen Bibliotheken. Die Zukunft ist global verteiltes und vernetztes Wissen.

Die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft als Open-Science-Partner für die Wirtschaftswissenschaften bietet Ökonom*innen unter open-science-future.zbw.eu[ d ] konkrete Leitlinien und Unterstützung.

Antelman, K., Do Open-Access Articles Have a Greater Research Impact? in: College & Research Libraries, [S.l.], v. 65, n. 5, p. 372-382, sep. 2004. ISSN 2150-6701. Online im Internet: URL: http://crl.acrl.org/index.php/crl/article/view/15683[ e ]. (Abrufdatum: 15. Juni 2020) doi: https://doi.org/10.5860/crl.65.5.372[ f ].

Communications, Nature, Nature Communications dataset, 2014. figshare. Online im Internet: URL: https://doi.org/10.6084/m9.figshare.1108068.v1[ g ] (Abrufdatum: 15. Juni 2020)

European Commission, Realising the European Open Science Cloud, First report and recommendations on the European Open Science Cloud of the Commission High Level Expert Group, 2017, Online im Internet: URL: https://ec.europa.eu/research/openscience/pdf/report.pdf#view=fit&pagemode=none[ h ] (Abrufdatum: 15. Juni 2020)

Piwowar H.A., Vision T.J, Data reuse and the open data citation advantage. PeerJ 1:e175, 2013, Online im Internet: URL: https://doi.org/10.7717/peerj.175[ i ] . (Abrufdatum: 15. Juni 2020)

Wohlrabe, K., Birkmeier, D., Do open access articles in economics have a citation advantage? MPRA Paper No. 56842, posted 28. June 2014, Online im Internet: URL: Online at http://mpra.ub.uni-muenchen.de/56842/[ j ] (Abrufdatum: 15. Juni 2020)


©KOF ETH Zürich, 26. Jun. 2020

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