Covid-19 hat einen großen Einfluss auf die Nutzung der Angebote der sogenannten Sharing Economy. Dieser Beitrag diskutiert mögliche Implikationen der Krise für Car Sharing in Deutschland. Der Diskussion liegt dabei die Frage zugrunde, ob bzw. in welchem Maße Car Sharing ein Ersatz für privaten Autobesitz darstellt. Car Sharing hat sich hierzulande zu einem prägenden Element der Mobilitätslandschaft entwickelt. Gemäß dem Mantra teilen statt besitzen, werden traditionelle Modelle des Individualverkehrs durch eine innovative Idee des Teilens ersetzt. Nutzungsrechte werden temporär und on demand vergeben, sodass NutzerInnen per App schnell, flexibel und unkompliziert Zugang zu Fahrzeugen erlangen können. Mit dem zugrundeliegenden as a service Gedanken lässt sich Mobilität in der
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Covid-19 hat einen großen Einfluss auf die Nutzung der Angebote der sogenannten Sharing Economy. Dieser Beitrag diskutiert mögliche Implikationen der Krise für Car Sharing in Deutschland. Der Diskussion liegt dabei die Frage zugrunde, ob bzw. in welchem Maße Car Sharing ein Ersatz für privaten Autobesitz darstellt.
Car Sharing hat sich hierzulande zu einem prägenden Element der Mobilitätslandschaft entwickelt. Gemäß dem Mantra teilen statt besitzen, werden traditionelle Modelle des Individualverkehrs durch eine innovative Idee des Teilens ersetzt. Nutzungsrechte werden temporär und on demand vergeben, sodass NutzerInnen per App schnell, flexibel und unkompliziert Zugang zu Fahrzeugen erlangen können. Mit dem zugrundeliegenden as a service Gedanken lässt sich Mobilität in der Theorie effizienter und nachhaltiger gestalten. Doch wie robust ist diese Idee des Teilens in der gegenwärtigen Krise? In diesem Artikel diskutieren wir die (möglichen) Auswirkungen von Covid-19 auf Car Sharing in Deutschland.
Car Sharing in Deutschland
Zunächst gilt es im deutschen Car Sharing Markt im Wesentlichen zwischen zwei Modellen zu unterscheiden. Bei stationsgebundenen Angeboten holen die KundInnen die Autos an einem festgelegten Ort ab und geben sie dort auch wieder ab. Zurzeit bieten über 200 Anbieter solche Dienste in über 800 deutschen Städten an. Bei stationsungebundenen („free-floating“) Angeboten orten KundInnen die Fahrzeuge innerhalb eines festgelegten Geschäftsgebiets per App und holen sie dort ab, wo sie von der letzten KundIn geparkt wurden. Während diese Dienste vor allem in Großstädten verbreitet sind, spielen einige wenige Anbieter mit meist großen Firmen als Anteilseigner – etwa ShareNow (Daimler und BMW), Sixt share (Sixt) und WeShare (Volkswagen) – eine dominante Rolle.
Ein Blick auf die Entwicklung von Car Sharing in Deutschland offenbart eine wachsende Relevanz und ausgeprägte Dynamik. Zum einen steigt die Gesamtzahl an geteilten Autos stetig, laut aktuellen Berichten[ a ] beläuft sie sich auf insgesamt rund 25.000 Fahrzeuge. Zum anderen sind viele Geschäftsmodellinnovationen sowie regelmäßige Fusionen als auch Marktzutritte und -austritte zu beobachten.
Welche Auswirkungen hat Car Sharing auf privaten Autobesitz?
Zentrales Versprechen des Car Sharing Narrativs ist dessen Beitrag zu einer effizienteren und nachhaltigeren Mobilität. Das zu Grunde liegende Mantra teilen statt besitzen wird an individuelle und gesellschaftliche Vorteile geknüpft. Auf der Ebene des Individuums bedeutet dies in erster Linie Teilhabe – die Autonutzung wird ermöglicht, ohne ein privates Auto anschaffen zu müssen. Gesellschaftlich betrachtet kann bspw. eine Reduktion der zur Bedienung des Mobilitätsbedarfs erforderlichen Anzahl an Fahrzeugen, zu einer Entlastung notorisch knapper Parkkapazitäten und einer Verringerung von Emissionen führen. Eine zentrale Frage zur Bewertung der Vorteile ist dabei eine empirische: Stellt Car Sharing ein Substitut für privaten Autobesitz dar?
Insbesondere der Erstautor dieses Artikels untersucht diese Frage im Rahmen eines laufenden Forschungsprojekts. Zu diesem Zweck wurde in einem ersten Schritt die relevante Literatur zusammengetragen und ausgewertet. Es zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen stationsgebundenem und -ungebundenem Car Sharing von wesentlicher Bedeutung ist. Eine Mehrheit der verfügbaren Studien deutet auf einen substitutiven Zusammenhang zwischen stationsgebundenem Car Sharing und privatem Autobesitz hin (Schreier et al. 2018, Hui et al. 2019). Im Gegensatz dazu sind die Ergebnisse bei ungebundenem Carsharing widersprüchlicher: Einzelne Studien liefern Indizien für eine Substitution (Firnkorn & Müller 2014, Becker et al. 2018), andere finden keinen oder sogar einen negativen und somit komplementären Zusammenhang (Hülsmann et al. 2018, Jung & Koo 2018).
Die Unterschiede in der Substitutionswirkung wird in der Nutzung der geteilten Fahrzeuge vermutet: Stationsgebundenes Car Sharing kommt in seiner Funktionalität näher an ein privates Auto heran. Dies umfasst insbesondere den flexiblen Zugang auch über längere Zeiträume bzw. Fahrten (z.B. für Einkäufe oder Urlaube). Im Gegensatz dazu bedient stationsungebundenes Car Sharing hauptsächlich eine Nachfrage nach innerstädtischer Mobilität, welche zwischen individueller Personenbeförderung (Taxi, Uber) und öffentlichem Nahverkehr zu verorten ist.
In einem zweiten Schritt wird im Rahmen des Forschungsprojekts eine empirische Analyse durchgeführt. Basierend auf amtlichen und öffentlich zugänglichen Daten bestätigen erste Ergebnisse vorangegangene Studien insofern, dass stationsgebundenes Car Sharing mit einer Reduktion von privaten Autokäufen verbunden ist. Für stationsungebundenes Car Sharing kann kein Zusammenhang festgestellt werden.
Car Sharing in der Krise – Was ändert Covid-19?
In wirtschaftlichen Krisenzeiten können sinkende Einkünfte sowie eine höhere Unsicherheit über zukünftige Einnahmen die Attraktivität von Car Sharing als Substitut zum privaten Autobesitz erhöhen. Schließlich ermöglicht Car Sharing die Nutzung eines Fahrzeugs, ohne die Kosten und Risiken der Anschaffung und Haltung eines Autos tragen zu müssen. Jedoch stellt die gegenwärtige Covid-19 Situation eine ganz eigene Form der Krise dar, deren Auswirkung auf Car Sharing Angeboten schwer abzuschätzen ist.
Die in Deutschland eingeführten Maßnahmen zur Eindämmung des hochkontagiösen Coronavirus beeinflussen massiv das Mobilitätsverhalten, insbesondere hinsichtlich einer sinkenden Gesamtnachfrage[ b ] nach Mobilität sowie einer veränderten Nachfragestruktur. Die Auswirkungen spürt auch die Car Sharing Branche. Der Bundesverband CarSharing[ c ] hat unter seinen Mitgliedsunternehmen einen Umsatzrückgang von im Schnitt rund 50 Prozent festgestellt, teilweise bis zu 80 Prozent. Während Anbieter von stationsgebundenem Car Sharing unter dem Rückgang längerer Buchungen leiden, verzeichnet auch stationsungebundenes Car Sharing teils dramatische Umsatzrückgänge.
Neben einer dramatischen Reduktion des Bedarfs an Nahverkehrsleistungen hat sich der Mobilitätsmix, d.h. die Verteilung des Verkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel und -träger, geändert. Individuelle Mobilität gewinnt an Attraktivität, geteilte Mobilität wird aufgrund der Gefahr einer Ansteckung eher vermieden. Beim Car Sharing kommen in dieser Sache zwei gegensätzliche Aspekte zusammen: Physische Nähe, auch nur mittelbar etwa durch Berührung der gleichen Flächen, wird in dieser Krise zum Problem. Im Unterschied zu Angeboten des öffentlichen Nahverkehrs oder anderen geteilten Verkehrsmitteln (z.B. Ride Hailing) kann aber der persönliche Kontakt und die Gefahr einer Tröpfcheninfektion weitestgehend vermieden werden.
Ungeachtet der Einführung verstärkter Hygienemaßnahmen und diverser Geschäftsmodellanpassungen wird erwartet, dass die gegenwärtige Krise[ d ] auch beim Car Sharing ihre Opfer fordern wird. So haben etwa einzelne Anbieter bereits eine Reduktion in der Anzahl von Fahrzeugen durchgeführt oder erwägen dies, so zum Beispiel der Branchenprimus ShareNow[ e ].
Ein Ausblick
Die aktuelle Krise begründet einen drastischen Rückgang der Nachfrage nach Mobilität – geteilte Mobilität ist davon stärker betroffen als individuelle Mobilität. Während ein entscheidender Faktor für die Beurteilung der Auswirkungen der gegenwärtigen Krise auf Car Sharing in Deutschland ihre Dauer sein wird, stellt sich die Frage, inwieweit die eingeführten Beschränkungen die Mobilitätsgewohnheiten und -nachfrage langfristig verändern werden.
Hinsichtlich der Nachfrage haben die eingeführten Beschränkungen das Potenzial, neue oder veränderte Verhaltensweisen zu etablieren. Konkret könnte sich die krisenbedingte Tendenz hin zu einer Individualisierung des Verkehrs – z.B. per Auto, Fahrrad oder Motoroller – verfestigen. Hiervon dürfte Car Sharing zumindest so lange profitieren, wie es dadurch eine Nachfrage nach individueller, aber unregelmäßiger Mobilität gibt. Ferner kann eine krisenbedingt schwierige Einkommenslage Haushalte dazu veranlassen, auf ein privates Auto zugunsten von Car Sharing zu verzichten.
Die Gretchenfrage könnte dabei sein, wie es sich nachfrageseitig mit der Attraktivität des Mantras teilen statt besitzen verhält. Geht die Attraktivität des Teilens aufgrund erhöhter Risikowahrnehmung verloren, könnte dies den Kauf privater Autos befördern. Steigt die Regelmäßigkeit der Nachfrage nach individueller Mobilität, etwa bei Berufspendlern, die nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wollen, kann das eigene Auto kostengünstiger und flexibler sein als Car Sharing. Darüber hinaus bietet dauerhaftes Eigentum einen maximalen Grad an Kontrolle über die Nutzung des eigenen Fahrzeugs und somit über mögliche Infektionsgefahren. Die Frage, ob Car Sharing Angebote ein Substitut für das eigene Auto darstellen, müsste dann neu bewertet werden.
Auf der Angebotsseite bleibt abzuwarten, wie bzw. wie lange Anbieter angesichts der aktuellen Nachfrageverhältnisse am Markt überleben können. Es ist zu erwarten, dass sich die ohnehin schon stattfindende Konsolidierung, insbesondere von ungebundenen Angeboten, krisenbedingt beschleunigt. Der Ruf nach finanzieller Unterstützung[ d ] seitens des Staates wurde bereits laut.
H. Schreier, C. Grimm, U. Kurz, B. Schwieger, S. Keßler, und G. Möser, „Analyse der Auswirkung des Car-Sharing in Bremen“, team red, 2018.
Y. Hui, Y. Wang, Q. Sun, und L. Tang, „The Impact of Car-Sharing on the Willingness to Postpone a Car Purchase: A Case Study in Hangzhou, China“, J. Adv. Transp., Bd. 2019, S. 12, 2019.
J. Firnkorn und M. Müller, „What will be the environmental effects of new free-floating car-sharing systems? The case of car2go in Ulm“, Ecol. Econ., Bd. 70, Nr. 8, S. 1519–1528, Juni 2011, doi: 10.1016/j.ecolecon.2011.03.014.
H. Becker, F. Ciari, und K. W. Axhausen, „Measuring the car ownership impact of free-floating car-sharing–A case study in Basel, Switzerland“, Transp. Res. Part Transp. Environ., Bd. 65, S. 51–62, 2018.
F. Hülsmann, J. Wiepking, W. Zimmer, G. Sunderer, K. Götz, und Y. Sprinke, „share – Wissenschaftliche Begleitforschung zu car2go mit batterieelektrischen und konventionellen Fahrzeugen“, Öko-Institut e.V.; ISOE, Berlin, Sep. 2018.
J. Jung und Y. Koo, „Analyzing the effects of car sharing services on the reduction of greenhouse gas (GHG) emissions“, Sustainability, Bd. 10, Nr. 2, S. 17, 2018.
©KOF ETH Zürich, 10. Jun. 2020