Wie kann die drückende Schuldenlast der Corona-Krise wieder abgebaut werden? Viele fordern, Erträge aus den Währungsreserven der Schweizerischen Nationalbank direkt für konkrete Aufgaben wie AHV oder ALV zu verwenden. Das löst aber deren Probleme nicht und setzt darüber hinaus die SNB unter Druck. Die Kosten der Corona-Krise sind dramatisch. Der Bundesrat rechnet mit einem Defizit von 30 bis 50 Mia. Franken im Bundeshaushalt und die Arbeitslosenversicherung wird trotz Milliardenzuschuss tiefrote Ergebnisse vorweisen. Es macht keinen Sinn, in der Krise die Ausgaben zu kürzen oder noch schlimmer Steuern und Lohnbeiträge zu erhöhen, aber irgendwann müssen die Löcher gestopft werden. Woher soll man das Geld hierfür nehmen? In den letzten Tagen haben die Vorschläge zugenommen,
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Wie kann die drückende Schuldenlast der Corona-Krise wieder abgebaut werden? Viele fordern, Erträge aus den Währungsreserven der Schweizerischen Nationalbank direkt für konkrete Aufgaben wie AHV oder ALV zu verwenden. Das löst aber deren Probleme nicht und setzt darüber hinaus die SNB unter Druck.
Die Kosten der Corona-Krise sind dramatisch. Der Bundesrat rechnet mit einem Defizit von 30 bis 50 Mia. Franken im Bundeshaushalt und die Arbeitslosenversicherung wird trotz Milliardenzuschuss tiefrote Ergebnisse vorweisen. Es macht keinen Sinn, in der Krise die Ausgaben zu kürzen oder noch schlimmer Steuern und Lohnbeiträge zu erhöhen, aber irgendwann müssen die Löcher gestopft werden.
Woher soll man das Geld hierfür nehmen? In den letzten Tagen haben die Vorschläge zugenommen, Erträge aus den Währungsreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in die ALV zu leiten und die zusätzlichen Schulden des Bundes zurückzuzahlen. Schon vor COVID-19 machten darüber hinaus Vorschläge die Runde, mithilfe von SNB-Geldern die Klimawende zu meistern und die AHV zu sanieren.
SNB-Geld macht politische Wünsche scheinbar gratis
Die hohen Reserven und die jüngsten Sonderausschüttungen der SNB haben schon jetzt den Effekt, dass kurzzeitig politische Wünsche aller Art vom grünen Umbau der Wirtschaft, über die Unterstützung der Bauern bis zur Finanzierung von Profi-Sportvereinen quasi gratis finanzierbar scheinen. Welche Bereiche besonders förderungswürdig erscheinen, wechseln aber selbstredend im Verlaufe der Zeit. Erhöhen sich nun die Ausschüttungen der SNB, liegt es für die Politik nahe, für dieses Manna vom Himmel eine Zweckbindung für eine bestimmte Interessengruppe fordern, weil man das Geld ja scheinbar niemand anderem wegnehmen muss. Dies führt aber nur zu weiteren Begehrlichkeiten und letztlich dazu, dass schlechte Ideen im politischen Prozess weniger aussortiert und nötige Reformen im Sozialversicherungsbereich auf die lange Bank geschoben werden, weil eben die Kosten nicht richtig sichtbar sind. Dieser Teufelskreis eines politischen «Rent-Seeking» kann nicht im Interesse der Schweiz sein.
Ebenso gefährlich wäre eine Zweckbindung der Ausschüttung für die SNB selber. Um die Preisstabilität unter Berücksichtigung der Konjunktur sichern zu können, muss sie die Geldpolitik unabhängig führen können. Wenn die SNB am Devisenmarkt interventioniert, kann sie nicht gleichzeitig auch noch die Erträge beispielsweise für die AHV im Blick haben. Eine zu hohe Ausschüttungserwartung engt damit den Spielraum der SNB ein. Angenommen, sie will die Währungsreserven aus geldpolitischen Gründen in Zukunft zurückfahren, reduzieren sich auch die Erträge daraus. Eine verstetigte Ausschüttung an ein Sozialwerk sendet damit ein fatales geldpolitisches Signal, die Währungsreserven dürfen gar nicht zu weit fallen, weil sonst die Ausschüttungen in Gefahr wäre. Noch schlimmer, wenn die SNB am Schluss systematisch zur Finanzierung von Staatsschulden herangezogen wird, dann würde die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik am Ende grossen Schaden nehmen.
Den wirtschaftspolitischen Kollateralschaden vermeiden
Solange die Währungsreserven so hoch sind, werden wir aber um die Diskussion, wie die Erträge der SNB verwendet werden sollen, nicht herumkommen. Die SNB legt ihre Reserven in Anleihen und zu einem geringeren Anteil in Aktien an, mittelfristig ist auf einem solchen Portfolio wohl eine Realverzinsung von gegen 2 Prozent möglich. Wenn wir bei 800 Mia. Franken Währungsreserven bleiben, kann man also durchschnittlich mit rund 15 Mia. Franken Erträgen pro Jahr rechnen. Natürlich braucht die SNB gerade in der jetzigen Krise ein Polster, aber die bisherige Ausschüttung von nur 2 bis 4 Mia. Franken wird auf Dauer kaum haltbar sein.
Wie soll aber die SNB mehr auszahlen, ohne breiten wirtschaftspolitischen Flurschaden anzurichten und ohne auf Dauer von der Politik an ein überhöhtes haltbares Ausschüttungsniveau gebunden zu werden, das geldpolitisch auf lange Frist nicht haltbar wäre? Das Problem der hohen Ausschüttungen fusst wie oben dargelegt darauf, dass gut organisierte Lobbygruppen ihre Einzelforderungen leicht als gratis darstellen können. Eine allfällige Mehrausschüttung muss daher an eine möglichst breite Gruppe gehen, die nicht im politischen Prozess instrumentalisierbar ist. Nun sind die Währungsreserven aufgrund der Bemühungen entstanden, den Franken nicht zu stark aufwerten zu lassen. Netto hat also die SNB – statt Privatunternehmen oder Einzelpersonen – einen wesentlichen Teil des Schweizer Leistungsbilanzüberschusses im Ausland investiert. Überdies ist die SNB ohnehin ein Teil der öffentlichen Hand. Eine Ausschüttung direkt an die steuerzahlenden Haushalte und Firmen liegt darum nahe, das ist die breitest mögliche Gruppe und verhindert, das Partikularinteressen bedient werden. Eine Mehrausschüttung könnte so ausgestaltet werden: Auf den Mehrwertsteuern oder einfacher auf den Einkommens- und Gewinnsteuern wird ex post aufgrund der Ausschüttung ein Steuerrabatt gewährt. Die Steuern sind natürlich unterschiedlich progressiv. Um die Verteilungswirkungen klein zu halten, ist darum anzustreben, dass die Rabatte dem relativen Anteil der Einnahmen aus den verschiedenen Steuern entsprechen.
Dank dem Steuerrabatt würden die Erträge aus dem SNB-Vermögen so teilweise direkt in die Privatwirtschaft zurückfliessen, was die Wirtschaft in ihrem Aufholungsprozess nur unterstützen kann. Und das Wirtschaftswachstum dank der verminderten Steuerlast wird eine Rückführung der angewachsenen Staatsschuld erleichtern, allerdings ohne toxische Nebenwirkungen für eine verlässliche Wirtschaftspolitik und ohne die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik in Frage zu stellen.
©KOF ETH Zürich, 9. Jun. 2020