Ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen sowie BerufseinsteigerInnen sind in der Covid-19-Krise besonders durch Arbeitslosigkeit gefährdet, welche neben materiellen Einbußen auch mit erheblichen Verlusten an sozialer Teilhabe verbunden ist. Staatliche Beschäftigungsprogramme haben jedoch positive Auswirkungen auf die soziale und psychische Situation der Teilnehmenden. Arbeitslosigkeit nimmt zu Bis zum Juni dieses Jahres erhöhte sich die Arbeitslosenquote in Deutschland auf 6,2 Prozent (von 4,9 Prozent im Dezember 2019, Bundesagentur für Arbeit 2020). Dieser bislang geringe Anstieg ist wesentlich auf den umfangreichen Einsatz von Kurzarbeit zurückzuführen. Im Monat Mai waren über sieben Millionen Personen in Kurzarbeit (Ifo Institut 2020). Das sind mehr als 15 Prozent der
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Ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen sowie BerufseinsteigerInnen sind in der Covid-19-Krise besonders durch Arbeitslosigkeit gefährdet, welche neben materiellen Einbußen auch mit erheblichen Verlusten an sozialer Teilhabe verbunden ist. Staatliche Beschäftigungsprogramme haben jedoch positive Auswirkungen auf die soziale und psychische Situation der Teilnehmenden.
Arbeitslosigkeit nimmt zu
Bis zum Juni dieses Jahres erhöhte sich die Arbeitslosenquote in Deutschland auf 6,2 Prozent (von 4,9 Prozent im Dezember 2019, Bundesagentur für Arbeit 2020). Dieser bislang geringe Anstieg ist wesentlich auf den umfangreichen Einsatz von Kurzarbeit zurückzuführen. Im Monat Mai waren über sieben Millionen Personen in Kurzarbeit (Ifo Institut 2020). Das sind mehr als 15 Prozent der Beschäftigten.
Zwar scheint in Finanzmarktkreisen die Zuversicht für einen volkswirtschaftlichen Aufschwung bereits wieder zuzunehmen, wie die aktuelle ZEW Konjunkturumfrage zeigt (ZEW 2020). Jedoch wird es erfahrungsgemäß dauern, bis dies zu neuen Unternehmensinvestitionen führt und damit zu Neueinstellungen auf dem Arbeitsmarkt. So waren im Juni 2020 nur noch 570.000 unbesetzte Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet – 228.000 weniger als noch vor einem Jahr (Bundesagentur für Arbeit 2020). Dies entspricht einem Rückgang um 28,6 Prozent.
Als Folge der Covid-19 Krise ist mit einer weiteren Zunahme der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Arbeitslosigkeit bedeutet für viele Betroffene negative soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet in der Regel neben Einkommenseinbußen auch psychische Probleme, eine Reduktion des sozialen Status sowie ein Verlust des Zugehörigkeitsempfindens zur Gemeinschaft. Zwei aktuelle ZEW-Studien geben Aufschluss darüber, wie sich ein Arbeitsplatzverlust für zuvor Beschäftigte bzw. die Teilnahme an einem staatlichen Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose auf vier Indikatoren der sozialen Teilhabe auswirken. Die Ergebnisse können helfen, das mögliche Ausmaß sozialer Verwerfungen durch Arbeitslosigkeit für die Gruppe der Betroffenen zu verstehen.
Arbeitslosigkeit führt zu mehr psychischen Problemen und mindert soziale Integration
Die ZEW-Studie von Pohlan (2019) schätzt mithilfe von Individualdaten für die Jahre 2007 bis 2015, wie sich ein Arbeitsplatzverlust auf die soziale Teilhabe der Betroffenen bis zu einem Jahr später auswirkt. Um die kausale Wirkung abzuschätzen, nutzt die Studie ein quasiexperimentelles Analyseverfahren, mit dessen Hilfe vom Arbeitsplatzverlust Betroffene mit Beschäftigten verglichen werden, die sehr ähnliche Eigenschaften (u. a. gleiches Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Erwerbshistorie) wie die Betroffenen aufweisen, selbst aber nicht arbeitslos geworden sind.
Der Verlust des Arbeitsplatzes führt zu einem deutlichen Rückgang an sozialer Teilhabe. Gemessen am maximal möglichen Wert nehmen die psychischen Probleme ehemals Beschäftigter um 8,9 Prozentpunkte zu, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Ferner sinken die allgemeine Lebenszufriedenheit um 7,3 Prozentpunkte, die soziale Integration und der Status um 6,1 bzw. 3,8 Prozentpunkte. Die ZEW-Studie kommt auch zu dem Schluss, dass diese durchschnittlichen Effekte mit der Dauer der Arbeitslosigkeit tendenziell zunehmen und auch dann nicht wieder vollständig zurückgehen, wenn die Betroffenen eine neue Beschäftigung aufnehmen.
Ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen sowie BerufseinsteigerInnen in der Covid-19-Krise besonders gefährdet
Die oben dargestellten Ergebnisse erlauben keine direkten Vorhersagen für die sozialen Folgen der Covid-19-Pandemie, denn diese stellt für die meisten Menschen eine bisher ungekannte Krise dar. Inwiefern können die Ergebnisse dennoch helfen, die durch Covid-19 bedingten Risiken für Beschäftigte zu verstehen? Nach einer aktuellen Prognose des Sachverständigenrates (2020) wird der Einbruch der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 größer sein als in der letzten Rezession im Jahr 2009 (damals 5,9 Prozent), sodass diesmal auch mehr Beschäftigte arbeitslos werden könnten.
Hinzu kommen für viele Betroffene in der Covid-19-Krise die Kontaktbeschränkungen und die Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung, die die negativen Wirkungen von Arbeitslosigkeit auf die soziale Teilhabe nochmals verstärken können. Somit stehen womöglich auch ältere Erwerbstätige und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen vor schwierigen Herausforderungen: Sie gehören nicht nur in Bezug auf die gesundheitlichen Folgen einer Corona-Infektion zur Risikogruppe, sondern sie haben im Falle eines Arbeitsplatzverlustes auch ein höheres Risiko, länger erwerbslos zu bleiben.
Zu bedenken sind ferner schlechtere Arbeitsmarktperspektiven für Schul- und Hochschulabgängerinnen und -abgänger, die in der Krise einen Ausbildungslatz oder einen Erwerbseinstieg suchen. Die sozialen Auswirkungen der Covid-19-Krise könnten demnach im Falle einer Arbeitslosigkeit noch größer ausfallen und zudem junge Menschen betreffen, die es während der Krise schwerer haben, eine Ausbildung oder eine Beschäftigung zu finden.
Positive Wirkung von Beschäftigungsprogrammen für Langzeitarbeitslose
Die zweite ZEW-Studie untersucht, wie sich die Teilnahme an dem staatlichen Beschäftigungsprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (STAA) auf die soziale Teilhabe von Langzeitarbeitslosen auswirkt (Ivanov, Pfeiffer und Pohlan 2020). Als Zielgrößen der ZEW-Studie dienten dieselben vier Teilhabeindikatoren, die auch in der vorherigen Studie von Pohlan (2019) verwendet wurden. Die Studie zeigt, dass die Teilnehmenden während der Programmlaufzeit im Durchschnitt eine deutliche Verbesserung der sozialen Teilhabe erfahren. So haben Teilnehmende nach etwa sieben Monaten im Programm eine im Mittel um ca. 14 Prozentpunkte höhere Lebenszufriedenheit und eine um 11 Prozentpunkte höhere mentale Gesundheit als Nicht-Teilnehmende in der Kontrollgruppe. Die wahrgenommene soziale Integration und der soziale Status steigen um durchschnittlich 10,7 bzw. 4,6 Prozentpunkte.
Der Vergleich der beiden Studien zeigt, dass der Zugewinn an Teilhabe durch die Programmteilnahme größer ist als der Rückgang, der nach dem Verlust eines regulären Arbeitsplatzes eintritt. Dies lässt sich durch den expliziten Fokus von STAA auf Langzeitarbeitslose mit geringen Beschäftigungsaussichten erklären. In dieser Personengruppe liegt die allgemeine Lebenszufriedenheit vor dem Eintritt in eine Beschäftigung auf einer Skala von null bis zehn im Mittel bei 5,9, während sie bei Beschäftigten im Mittel bei 7,4 liegt. Langzeitarbeitslose sind somit in besonderem Maße von den negativen sozialen und materiellen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit betroffen, scheinen aber umgekehrt auch prozentual stärker von einer Beschäftigung zu profitieren.
Fazit
Insgesamt verdeutlichen die ZEW-Studien, wie wichtig eine Beschäftigung für das subjektive Wohlbefinden und das Gefühl der sozialen Zugehörigkeit ist. Wenn infolge der Corona-Pandemie Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren oder keine Beschäftigung finden, so sind damit neben den materiellen Einbußen auch erhebliche Verluste an sozialer Teilhabe verbunden. Es wird sich zeigen, ob das staatliche Konjunkturprogramm mit der gewünschten Stabilisierung und Stimulierung der Beschäftigung einhergeht und damit auch die sozialen Folgen der Covid-19-Pandemie durch Arbeitsplatzverluste oder Erwerbslosigkeit in Grenzen halten kann.
Bundesagentur für Arbeit (2020): Arbeitsmarkt im Überblick - Berichtsmonat Juni 2020 - Deutschland. Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Online verfügbar unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Regionen/Politische-Gebietsstruktur-Nav.html (Zugriff am 02.07.2020)
ifo Institut (2020): Im Mai waren 7,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Pressemitteilung vom Pressemitteilung - 02.06.2020. Online verfügbar unter: https://www.ifo.de/node/55800 (Zugriff am 16.06.2020)
Ivanov, Boris; Pfeiffer, Friedhelm; Pohlan, Laura (2020): Do job creation schemes improve the social integration and well-being of the long-term unemployed? In: Labour Economics. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.labeco.2020.101836 (Zugriff am 15.06.2020)
Pohlan, Laura (2019): Unemployment and Social Exclusion. In: Journal of Economic Behavior & Organization 164, S. 273-299. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.jebo.2019.06.006 (Zugriff am 15.06.2020)
Sachverständigenrat (2020): Konjunkturprognose 2020 und 2021 vom 23. Juni 2020. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Wiesbaden. Online verfügbar unter: https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/ (Zu-griff am 30.06.2020)
ZEW (2020): Verbesserung der Erwartungen und der Lageeinschätzung: Der ZEW-Indikator liegt bei 63,4 Punkten. Pressemeldung vom 16.06.2020. Online verfügbar unter: https://www.zew.de/de/presse/pressearchiv/verbesserung-der-erwartungen-und-der-lageeinschaetzung/?cHash=6d7e9cbf80317b965b80487402cae705 (Zugriff am 16.06.2020)
©KOF ETH Zürich, 7. Aug. 2020