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Ohne strukturelle Änderungen keine Erholung

Summary:
Die Reaktionen auf die durch Covid-19 ausgelöste Wirtschaftskrise müssen langfristige Ziele unterstützen. Entsprechend darf die Krise auch kein Grund sein, Fehler aus der Finanzkrise zu wiederholen, Umweltziele zu verschieben oder die Steuerquoten zu erhöhen. Die schnellste und stärkste Reaktion Die Covid-19 Krise könnte tiefer werden als die Finanzkrise 2008/09. Die Gegensteuerung war allerdings schneller und entschlossener als bei der Finanzkrise (Aiginger 2010 A), als die deutsche Kanzlerin noch ein halbes Jahr nach deren Ausbruch ein „Konjunkturpaket“ abgelehnt und Notenbanken gezögert hatten. Die jüngste Krise ist „symmetrischer“ in Ursache und Zeitpunkt; dennoch war die Ausgangslage in den Ländern unterschiedlich. Die Zahl der Todesopfer ist höher als in

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Die Reaktionen auf die durch Covid-19 ausgelöste Wirtschaftskrise müssen langfristige Ziele unterstützen. Entsprechend darf die Krise auch kein Grund sein, Fehler aus der Finanzkrise zu wiederholen, Umweltziele zu verschieben oder die Steuerquoten zu erhöhen.

Die schnellste und stärkste Reaktion

Die Covid-19 Krise könnte tiefer werden als die Finanzkrise 2008/09. Die Gegensteuerung war allerdings schneller und entschlossener als bei der Finanzkrise (Aiginger 2010 A), als die deutsche Kanzlerin noch ein halbes Jahr nach deren Ausbruch ein „Konjunkturpaket“ abgelehnt und Notenbanken gezögert hatten.

Die jüngste Krise ist „symmetrischer“ in Ursache und Zeitpunkt; dennoch war die Ausgangslage in den Ländern unterschiedlich. Die Zahl der Todesopfer ist höher als in Wirtschaftskrisen, wenn auch deutlich niedriger als durch Klima, Armut und Kriege.

In der Literatur zum Krisenmanagement dominiert das Lob für die Intensität der Gegensteuerung (Baldwin, Weder di Mauro, 2020). Sogar die Ziellosigkeit wird als problemlos dargestellt („Bazooka“), und Krugman (2020) verlangt sogar eine Dauerhaftigkeit höherer Staatsausgaben („permanent stimulus“), auch sollten hochverschuldete Länder billiges Geld bekommen. Die Begründung dafür ist, dass diesmal kein asymmetrischer Schock vorläge und auch kein „moral hazard“ zu befürchten sei.

Dieser Artikel akzeptiert die Symmetrie der Ursachen und das Fehlen von „moral hazard“ nicht ohne Einschränkung. Die Schulden wurden nicht abgebaut, weil die Länder sicher sein konnten, sich billig zu refinanzieren. Es liegt auch im Interesse der hochverschuldeten Länder, die Covid-Krise für Reformen zu nutzen. Das sollten die EU verlangen. Als Modell zur Durchsetzung dieser „sanften Konditionalität“, die für den Adressaten akzeptierbar sein sollten, könnte die Marshallplanhilfe der USA dienen. Das wäre noch leichter, wenn auch die „tugendhaften“ Länder reformfreudiger wären. Mit der Bazooka herumschießen ist für alle Länder falsch.

Nach der Krise ist nicht vor der Krise

Die Krise zeigt Möglichkeiten auf, was besser gemacht werden könnte. 

Die Digitalisierung gezielter nutzen. Durch sie können SchülerInnen, Lehrende und die ältere Generation viel lernen. Wir kommunizieren dann mehr mit Bild und Video, kaufen regionaler, bestellen das meiste per Internet, kleine Firmen liefern gemeinsam.

Starre Arbeitszeiten und lange Arbeitswege überdenken. Die Fünftagewoche, fixe Bürozeiten und tägliches Pendeln sind nicht sinnvoll. Bock-Schappelwein (2020) schätzt, dass 45% der Tätigkeiten im Home-Office stattfinden können.

Vererbung von Bildung beenden. Der Zugang zur Bildung hängt immer noch vom Einkommen der Eltern ab. Die Lebenserwartung variiert parallel zur Ausbildung um 4 Jahre, die Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit zwischen 2% und 15%.

Wir dürfen Fehler aus der Finanzkrise nicht wiederholen

Diesmal keine Abwrackprämie. Auch in der Finanzkrise gingen die Autokäufe zurück. Eine Prämie für den Neukauf von Autos wurde argumentiert, weil ein neues Auto geringere Emissionen habe. Das ist zu wenig, um den Klimapakt zu erfüllen. Jetzt verlangt die Autoindustrie wieder eine Prämie. Niemand berichtet den teuren Fehler in der Finanzkrise.

Keine Verschiebung von Umweltzielen. Diese Forderung, keimt in Medien und bei Rechtspopulisten auf, obwohl frühes Handeln wirtschaftliche Vorteile und Lebensqualität bringt. Es gibt in Europa zehnmal mehr Klimatote verglichen zum Straßenverkehr.

Kein Grund für höhere Steuerquoten. KritikerInnen des Neoliberalismus fordern schon wieder die Stabilisierung durch höhere Steuern nach der Krise. Aber wenn ein Land immer schon hohe Ausgaben hatte, dann hilft nicht ein größerer Staat, sondern gutes "Public Sector Management“.

Vorsicht bei Sozialausgaben ohne Schulung. Ein bedingungsloser Einkommensersatz nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ist kein Zukunftsmodell. Die Betroffenen wollen kein Leben im Sozialnetz, sondern Zukunftschancen und eine Arbeit, die geschätzt wird. Sonst wählen sie rechts statt links, was auch nicht hilft.

Europa in der Krise nach der Krise

Die Krise hat Populisten entlarvt

Die erste Reaktion der Staaten war unterschiedlich. Populistische Regierungen haben den Virus geleugnet, über Maßnahmen der anderen gespottet oder der Migration Schuld gegeben. Später mussten sie ähnlich strenge Regeln einführen. Und dann waren Populisten quer durch Europa kurzfristig ganz still. Nun fordern sie die schnelle Aufhebung aller Kontrollen, wieder einem vermeintlich populären Wunsch folgend.

EU-Reaktion bei asymmetrischer Ausgangslage

Die EU hatte wenig Kompetenz in einer Gesundheitskrise. Das nächste Mal muss sie diesbezüglich über bessere Regeln verfügen. Die Finanzkrise bewirkte höhere Eigenkapitalvorschriften, eine gemeinsame Bankenaufsicht und einen Rettungsfonds. Die EZB kann jetzt auch Anleihen von hochverschuldeten Ländern kaufen, auch wenn sie noch nach dem deutschen Verfassungsgerichtshof die „Verhältnismäßigkeit“ argumentieren muss.

Im Verlauf der Krise hat die EU zur Eingrenzung der Krise beigetragen. Die EZB hat ein Pandemie-Notfallprogramm implementiert. Die Verschuldungsgrenzen im Stabilitätspakt wurden ausgesetzt. Jetzt überlegt die EU, wie der ESM auch in der Pandemie-Krise für Länder mit hoher Verschuldung genutzt werden kann. Corona Bonds wird es wahrscheinlich nicht geben, auch noch kein Europäisches Safe Asset.

Hilfe auch für hochverschuldete Länder ist nötig, sollte aber nicht ohne Auflagen sein. Wenn auch die Krise „symmetrisch“ in der Ursache ist, so war die Ausgangslage, in der sie die EU-Mitglieder getroffen hat, je nach Reformbereitschaft unterschiedlich. Und eigentlich liegt eine Art „moral hazard“ vor: Die Länder mit geringerem Defizit haben unter anderem deswegen reformiert und gespart, damit sie am Beginn der nächsten Krise gegensteuern können, wie es der Keynesianismus empfiehlt (Aiginger 2010 B).

Dass das nicht nur Theorie ist, zeigt, dass 2020 die fünf Länder mit den größten direkten fiskalischen Programmen – in der Höhe von fast 3% der Wirtschaftsleistung – vor der Krise eine Staatsverschuldung von knapp über 50% hatten.  Spanien und Italien mit doppelter Staatsverschuldung konnten alleine nur ein halb so großes Paket von direkten Hilfen schnüren.[ 1 ]

Reformstau durch Lernen von Marshallplanhilfe bewältigen

Italien ist von der Krise besonders betroffen. Dafür, dass es zum Einfallstor für die Pandemie in Europa wurde, kann es nichts. Aber daran, dass die Wirtschaft seit Jahrzehnten kaum wächst, haben linke, gemäßigte und populistische Regierungen nichts geändert. Programme zur wirtschaftlichen Stabilisierung wurden jetzt entworfen, brauchen aber eine billige Finanzierung. Und aus Nationalstolz weigert sich die Regierung Konditionalitäten zu akzeptieren, wie sie Griechenland in der Finanzkrise vorgeschrieben wurden.

Es gibt eine dritte Möglichkeit zwischen Bazooka und schmachvoller Kontrolle. Dies haben die USA nach dem 2. Weltkrieg bei der Marschallplanhilfe gezeigt. (Sorel, Padoan 2008).  Die amerikanische Hilfe haben nur Länder bekommen, die eigene Reformprogramme vorgelegt haben. Die Kontrolle wurde aber von einer europäischen Organisation (OEEC) übernommen, die Durchführung von einer nationalen unabhängigen Organisation überwacht. Das hieße jetzt, Italien bekommt Geld für sein Gesundheitssystem, für grüne Investitionen und Firmengründungen. Die Kontrolle übernimmt eine Organisation, die je zu einem Drittel mit italienischen ExpertInnen, ItalienerInnen mit Wohnsitz im Ausland und ExpertInnen von internationalen Organisationen (inklusive EU) beschickt ist. Damit würde Italien durch die Krise das machen was viele ExpertInnen und auch ItalienerInnen selbst wollen: das Land reformieren, wieder auf Wachstumskurs bringen und die Macht von PopulistInnen und Mafia beschneiden.

Ein selbstbewusstes Europa in der neuen Weltordnung

Die Reaktionen auf die Krise müssen langfristige Ziele unterstützten, nachher wird kein Geld vorhanden sein, weil Staatsdefizite wieder abgebaut werden müssen. Die Grenzen der Globalisierung und die Abhängigkeit von fernen Zuliefern werden sichtbar. Eine korrekte Bepreisung von externen Effekten des Transportes würde dieser Probleme abmildern.

Die Erholung der Wirtschaft wird nur möglich sein, wenn die Abgaben nicht erhöht, hingegen Subventionen für Landwirtschaft und fossile Energie gekürzt werden. Eine Erhöhung des EU-Budgets von rund 1% der Wirtschaftsleistung auf 1.5 % wäre etwa durch eine EU-Steuer auf spekulative Finanztransaktionen, Müll oder Plastik. sinnvoll. Im Gegenzug könnte die EU durch das „Europäische Semester[ a ]“ den Mitgliedern erleichtern, nationale Steuern und Ausgaben zu senken.

Klima-, Gesundheits- und Sozialpolitik haben Synergien, eine Vorreiterposition stärkt das Selbstbewusstsein Europas und kann für Partnerschaften genutzt werden. Besonders, wenn sich die USA weiter aus dem Multilateralismus zurückzieht und China erst langsam gemeinsame Regeln mitentwickelt.

Aiginger, K. (2010 A), The Great Recession versus the Great Depression: Stylized Facts on Siblings That Were Given Different Foster Parents, Economics 4(2010-18), pp. 1–41. http://dx.doi.org/10.5018/economics-ejournal.ja.2010-18[ b ]

Aiginger, K. (2010 B), Post crisis policy: Some reflections of a Keynesian economist, Metropolis, 13/2010

Aiginger, K., Handler, H. (2017), Towards a European Partnership Policy (EPP) with the South and the East. Policy Crossover Center: Vienna ? Europe Working Paper, (3).

Baldwin, R., Weder di Mauro, B. (2020), Mitigating the COVID Economic Crisis: Act Fast and Do Whatever It Takes, A VoxEU.org Book, CEPR Press.

Bock-Schapppelwein, J. (2020), Welches Home-Office-Potential birgt der österreichische Arbeitsmarkt?, WIFO Research Briefs, (4).

Krugman, P (2020), The case for permanent stimulus, in Baldwin, R., Weder di Mauro, B. (eds.).

Pekanov A., Antworten der internationalen Wirtschaftspolitik auf die COVID-19-Krise, WIFO-Monatsberichte, 2020, 93(4), pp. .275-284.

Sorel, E., Padoan, P.C. (2008), The Marshall Plan Lessons for the 21st century, OECD, Paris.


©KOF ETH Zürich, 20. Mai. 2020

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