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Was bleibt? Das Vermächtnis berühmter Ökonomen

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Seit 1969 wird der „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften“ vergeben. Wie entwickelt sich die wissenschaftliche Popularität der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger nach ihrem Tod? Mit dem Nobelpreis ausgezeichnet zu werden ist zweifellos ein absoluter Höhepunkt im Leben eines Wissenschaftlers oder einer Wissenschaftlerin. Der Preis stellt eine explizite und weitherum beachtete Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen in einer akademischen Disziplin dar. Darüber hinaus sichert er auch grosse Medienbeachtung, was indirekt mittels gut bezahlter Vorträge und Studien auch höhere Einkünfte generiert (vgl. Chan und Torgler 2012, allgemein Frey und Gallus 2017). Das gilt auch für Ökonominnen und Ökonomen, die seit 1969 einen Nobelpreis erhalten können.

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Bruno S. Frey, Anthony Gullo considers the following as important:

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Seit 1969 wird der „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften“ vergeben. Wie entwickelt sich die wissenschaftliche Popularität der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger nach ihrem Tod?

Mit dem Nobelpreis ausgezeichnet zu werden ist zweifellos ein absoluter Höhepunkt im Leben eines Wissenschaftlers oder einer Wissenschaftlerin. Der Preis stellt eine explizite und weitherum beachtete Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen in einer akademischen Disziplin dar. Darüber hinaus sichert er auch grosse Medienbeachtung, was indirekt mittels gut bezahlter Vorträge und Studien auch höhere Einkünfte generiert (vgl. Chan und Torgler 2012, allgemein Frey und Gallus 2017).

Das gilt auch für Ökonominnen und Ökonomen, die seit 1969 einen Nobelpreis erhalten können. Genau genommen ist er kein „Nobelpreis“, sondern der von der Schwedischen Reichsbank gestiftete „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften“. Dies spielt jedoch keine Rolle; dessen Empfänger werden gemeinhin als Nobelpreisträger bezeichnet. 

Es fragt sich, ob Nobelpreisträger der Ökonomik auch nach ihrem Tode erinnert und in den Werken ihrer Disziplin beachtet werden. Dazu gibt es zwei gegenläufige Ansichten:

Zum einen wird vermutet, dass auch Nobelpreisträger – oder allgemein: in ihrer Zeit berühmte Persönlichkeiten – bald vergessen würden: “Sic transit gloria mundi“. Ein Beispiel dafür ist Harry G. Johnson, über den der Nobelpreisträger James Tobin schrieb: „For the economics profession throughout the world, the third quarter of this century was an Age of Johnson... It was his impact on his own profession... that justifies calling the era his Age“ (vgl. Moggridge 2012, 413). Heute ist jedoch, wie eine Befragung vieler Kollegen und Doktorierender zeigt, sein Name oder gar sein Beitrag zur Wissenschaft nur noch Wenigen bekannt. In der Ökonomik sind nur wenige Persönlichkeiten nicht in Vergessenheit geraten, wie etwa Adam Smith, David Ricardo, John Maynard Keynes oder Joseph Schumpeter.

Andererseits wird darauf hingewiesen, dass ein Lebenswerk nicht verloren gehe, sondern in Form von weiterhin verwendeten Lehrbüchern und anderen Schriften in Erinnerung bliebe. Hilfreich ist vor allem, wenn ein Effekt, ein Theorem, eine Kausalität, eine Methode oder ein Prozess einen Namen trägt, also zum Beispiel der Veblen-Effekt, das Coase-Theorem oder die Granger-Kausalität.

Es wäre falsch, die Bedeutung von Nobelpreisträgern vor und nach ihrem Tod mit der absoluten Anzahl an Zitierungen zu messen. Seit den sechziger Jahren wird nämlich immer häufiger zitiert, ganz besonders im neuen Jahrhundert. Deshalb betrachten wir eine normalisierte Zahl von Zitierungen, die diesen starken Anstieg berücksichtigt.

Welche der beiden Ansichten ist berechtigt?  Wir haben zur Beantwortung dieser Frage die Zitierungen vor und nach dem Tode der 81 ökonomischen Nobelpreisträger 1969-2018 untersucht.  Um eine genügend grosse Zahl von verstorbenen Preisträgern und deren Zitationen nach ihrem Tod zu erhalten, werden nur Personen betrachtet, die erstens vor 2014 gestorben und zweitens entweder vor ihrem 80. oder nach ihrem 90. Lebensjahr verschieden sind. Damit wird die Zahl der Beobachtungen auf 18 reduziert. 8 unter ihnen sind „frühzeitig“ gestorben (d.h. bevor sie 80-jährig wurden), und deren 10, die über 90-jährig wurden. Damit die beiden Altersgruppen „früh“ und „hohes Alter“ klar voneinander abgegrenzt werden können, werden Nobelpreisträger mit einem Todesalter zwischen 81 – 89 Jahren nicht berücksichtigt.

Unsere Untersuchungen mit Hilfe von ökonometrischen Tests (vgl. Frey und Gullo 2019) führen zu zwei Resultaten:

  1. Sterben mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Ökonomen früh, fällt die Zahl der (normalisierten) Zitierungen nach ihrem Hinscheiden deutlich, was als „Todeseffekt“ bezeichnet werden kann. Ihr Ruhm vergeht rasch. Dieses Ergebnis kann darauf zurückgeführt werden, dass sie nach ihrem Tod nicht mehr in ihrer Wissenschaft tätig sind, nicht mehr in Berufungskommissionen sitzen, nicht mehr an Konferenzen teilnehmen, und nicht mehr weitere Aufsätze und Bücher publizieren.
  2. Nobelpreisträger, die ein hohes Alter erreichen, können länger in ihrer Disziplin aktiv sein, oft bis zu ihrem Lebensende. So hatte der im Alter von 102 Jahren verstorbene Ronald Coase 30 Jahre mehr Zeit, in der Wissenschaft tätig zu sein, als der mit 74 Jahren verstorbene Tjalling Koopmans. Lange lebende Nobelpreisträger bleiben deshalb den nachkommenden Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besser in Erinnerung und werden nicht weniger als in den Jahren vor ihrem Tod zitiert. 

Zwei im Vergleich zu ihren Kollegen früh verstorbene Personen werden nach ihrem Tod vermehrt zitiert. Sie zählen somit zu den grossen Ausnahmen unter den von uns untersuchten Persönlichkeiten. Der Name des 2009 verstorbenen Clive Granger profitiert von der seit seinem Tod steigenden Beschäftigung mit dem Kausalitätsproblem. Auch wenn die Granger-Kausalität heute kritisiert wird, wird sein früher Beitrag doch noch regelmässig zitiert. Die 2012 verstorbene, einzige weibliche Nobelpreisträgerin der Ökonomik, Elinor Ostrom, hat mit ihren Beiträgen zu „Governing the Commons“ ein heute besonders wichtiges Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften geprägt. Die Bemerkung eines anonymen Bloggers (Economist a35c, 2012), der in Economics Job Market Rumors[ a ] schrieb: „I have no idea why she won. Really, how many economists could name her work before she won? How many could now? The answer to both of those questions is ‘basically none of them’ “, ist nicht nur dumm und arrogant, sondern auch sachlich völlig daneben.

Es ist spannend festzustellen, dass sich unter Kunstschaffenden ein ähnlicher Verlauf feststellen lässt wie unter Nobelpreisträgern der Ökonomik. Viele Leute nehmen es als selbstverständlich an, dass die Preise für die Werke eines verstorbenen Künstlers ansteigen, weil keine neuen Werke hinzukommen. Dieser Effekt wird jedoch dadurch überlagert, dass ein verstorbener Künstler nicht mehr selbst an Ausstellungen und Wettbewerben teilnehmen kann und auch keine werbewirksamen Skandale mehr verursachen kann. Dadurch sinkt die Aufmerksamkeit und potentielle Käuferinnen und Sammler können weniger vom Namen des Künstlers profitieren. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Preise für Werke früh verstorbener Künstler nach deren Tod fallen – also besteht auch hier ein „Todeseffekt“. Die Preise der Werke lange lebender Künstler werden hingegen vom Knappheitseffekt einer zunehmenden Reputation begünstigt (Matheson and Baade 2004, Ursprung und Wiermann 2011). Nichtsdestotrotz gibt es einige grosse Ausnahmen unter den früh verstorbenen Künstlern, deren Werke nach dem Tod enorm hoch gehandelt werden. Ein berühmtes Beispiel ist Vincent van Gogh.

Dass zumindest in dieser Hinsicht die Ökonomik der Kunst ähnelt, mag manche Leute erfreuen und anderen missfallen.

Chan, Ho Fai und Benno Torgler (2012). Econometric Fellows and Nobel Prize Laureates in Economics. Economic Bulletin 31: 3365-77.

Frey, Bruno S. und Jana Gallus (2017). Honours versus Money. The Economics of Awards. Oxford: Oxford University Press.

Frey, Bruno S. und Anthony Gullo (2019). Sic transit gloria mundi. What remains of famous economists after their death? Unpubl. Ms.

Matheson, Victor A. und Robert A. Baade (2004). „Death Effect“ on collectible prices. Applied Economics 36: 1151-55.

Moggridge, David E. (2012). Harry Johnson: A life in economics. Cambridge: Cambridge University Press.

Ursprung, Heinrich W. und Christian Wiermann (2011). Reputation, price, and death: An empirical analysis of art price formation. Economic Inquiry 49: 697-715.

©KOF ETH Zürich, 18. Jul. 2019

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