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Persönlichkeit und Arbeitsmarkterfolg in Zeiten der Digitalisierung: Welche Merkmale helfen

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Welche Rolle spielt die Persönlichkeit für den Arbeitsmarkterfolg in Zeiten des digitalen Wandels? Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale schützen vor einem Arbeitsplatzverlust, wie dieser Beitrag zeigt. Dazu gehören u.a. eine gewisse Offenheit für Neues sowie emotionale Stabilität.

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Welche Rolle spielt die Persönlichkeit für den Arbeitsmarkterfolg in Zeiten des digitalen Wandels? Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale schützen vor einem Arbeitsplatzverlust, wie dieser Beitrag zeigt. Dazu gehören u.a. eine gewisse Offenheit für Neues sowie emotionale Stabilität.

In der wissenschaftlichen Community herrscht Einigkeit darüber, dass (sehr gute) Bildung noch immer der beste Schutz vor Arbeitsplatzverlust ist. Sie senkt die Wahrscheinlichkeit für die Wahl eines Berufs, dessen Tätigkeiten stark repetitiv sind und der damit durch ein hohes Automatisierungspotenzial gekennzeichnet ist. Zugleich erleichtert eine sehr gute Qualifikation den Übergang in eine neue Beschäftigung, sofern ein Arbeitsplatz tatsächlich entfällt – bspw. als Folge des technologischen Fortschritts. In vielen öffentlichen Debatten besteht weitgehende Einigkeit über die jeweiligen komparativen Vorteile von Menschen (innovativ, kreativ, emotional, empathisch) und Maschinen (präzise, zuverlässig, schnell bzgl. Rechenaufgaben).

Oft wird gefordert, dass die jeweiligen Vorteile genutzt und lediglich klug miteinander kombiniert werden müssten, um Menschen im Zuge des technologischen Wandels vor Arbeitsplatzverlust zu schützen. Die bisherige Literatur zu den Arbeitsmarktimplikationen von Digitalisierung fokussiert hierbei auf die besondere Bedeutung kognitiver Fähigkeiten, die zumeist über Bildungsgrad und Erfahrung von Arbeitskräften gemessen werden. Wenig erforscht ist allerdings der Einfluss nicht-kognitiver Fähigkeiten, d.h. der Persönlichkeit. Aus wirtschaftspolitischer Perspektive ist dabei von besonderem Interesse, inwiefern nicht-kognitive Fähigkeiten den künftigen Arbeitsmarkterfolg beeinflussen.

Welche nicht-kognitiven Fähigkeiten wichtig sein werden

Eine neue Studie (Bode et al. 2018) untersucht erstmals, welche nicht-kognitiven Fähigkeiten in Zukunft im Zuge der Digitalisierung für den Arbeitsmarkterfolg an Bedeutung gewinnen werden. Sie schätzt ökonometrisch den Zusammenhang zwischen der voraussichtlichen Veränderung der relativen Bedeutung von Berufen in den kommenden etwa 20 Jahren und den Persönlichkeitsmerkmalen der Arbeitskräfte, die gegenwärtig in diesen Berufen arbeiten.

Die Analyse fußt auf folgendem theoretischen Konzept: Mit ihrer Berufswahl stimmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre (kognitiven und nicht-kognitiven) Fähigkeiten – das Arbeitsangebot – und die technologischen Anforderungen – die Arbeitsnachfrage – bestmöglich aufeinander ab. Diese Abstimmung determiniert die Struktur der Berufe in einer Volkswirtschaft für einen gegebenen Stand der Technologie. Als Folge der Digitalisierung ist es möglich, immer mehr Tätigkeiten zu automatisieren. Damit verändert sich die Arbeitsnachfrage oder, anders formuliert, die relative Bedeutung und damit die Beschäftigungsstruktur der Berufe. Berufe, die in stärkerem Maße automatisiert werden können, verlieren an Bedeutung, während Berufe, die kaum automatisierbar sind, an Bedeutung gewinnen. In der Studie von Bode et al. (2018) wird denjenigen nicht-kognitiven Fähigkeiten eine zunehmende Bedeutung für den Arbeitsmarkterfolg zugesprochen, die in Berufen mit künftig steigender Bedeutung besonders stark ausgeprägt sind. Die erwartete Strukturverschiebung zwischen den Berufen wird anhand der von Frey/Osborne (2017) geschätzten Automatisierungswahrscheinlichkeiten von Berufen gemessen. Hohe Wahrscheinlichkeiten deuten auf sinkende, niedrige auf steigende relative Bedeutung der Berufe hin.

Im Gegensatz zur erwarteten Strukturverschiebung der Berufe ist die Persönlichkeit der Beschäftigten im Zeitablauf vergleichsweise stabil. Ein bewährtes Konzept, anhand dessen Persönlichkeitsmerkmale gemessen werden können, liefert das sogenannte Fünf-Faktoren Modell aus der Psychologie. Es beschreibt die Persönlichkeit anhand von fünf Dimensionen (sog. Big Five-Persönlichkeitsmerkmale; vgl. Tabelle 1).

Für Deutschland liegen statistische Informationen zu diesen Persönlichkeitsmerkmalen sowie zur Berufswahl aus vier verschiedenen Haushalts- bzw. Arbeitskräftebefragungen vor:  dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP; Befragungswellen 2005, 2009, 2013), der Panelstudie Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung (PASS; Welle 2011), dem Linked Personnel Panel (LPP; Welle 2012) sowie der National Education Panel Study (NEPS; Welle 2012/2013). Da die Arbeitsmarktimplikationen von Digitalisierung erst seit etwa 2013 Bestandteil breiter öffentlicher Debatten sind, ist es plausibel anzunehmen, dass sich die Befragten bei ihrer Berufswahl am Stand der Technologie zum Zeitpunkt der jeweiligen Befragungswelle orientiert und damit die Arbeitsmarktimplikationen von Digitalisierung nicht antizipiert haben.

Ergebnisse der Studie

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass größere Offenheit für Erfahrungen und höhere emotionale Stabilität der Arbeitnehmer mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Arbeitsplatzverlust als Folge von Digitalisierung einhergeht. Gegenteilig wirkt größere Verträglichkeit; Eigenschaften wie Wettbewerbsorientierung und Unangepasstheit helfen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Die Stärke der gemessenen Effekte lässt sich wie folgt illustrieren: Misst man die Persönlichkeitsmerkmale auf einer Skala von 1-7, so kann eine um jeweils einen Skalenpunkt höhere Offenheit und emotionale Stabilität sowie eine um einen Skalenpunkt niedrigere Verträglichkeit die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsplatzverlust ebenso stark verringern wie etwa ein zusätzliches Schuljahr im Gymnasium. Kein systematischer Zusammenhang konnte für Gewissenhaftigkeit sowie für Extraversion nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse sind weitgehend robust über die untersuchten Datensätze hinweg und halten auch, wenn man den Bildungsgrad sowie die Berufserfahrung (gemessen anhand des Alters oder der Beschäftigungsdauer) berücksichtigt. Bildungserfolg und Arbeitsmarkterfahrungen werden zwar von den Persönlichkeitsmerkmalen mitbestimmt, weshalb eine Hinzunahme dieser Variablen einen Teil der Effekte absorbiert.

In der Analyse zeigt sich allerdings, dass die zentralen Aussagen weiterhin Bestand haben. Die Auswertungen zeigen zudem, dass längere Ausbildungszeiten mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Arbeitsplatzverlust einhergehen. Die in der jüngeren Vergangenheit im Kontext der Polarisierungsdebatte beobachtete Aushöhlung mittlerer Qualifikationsniveaus wird sich demnach in Zukunft nicht fortsetzen. Der Zusammenhang zwischen Digitalisierungsrisiko und Persönlichkeit wird auch nicht vornehmlich durch die Selbstselektion von Beschäftigten in Selbständigkeit oder in sog. kreative Berufe getrieben. Er gilt auch für abhängig Beschäftigte und weniger kreative Berufe. Beide Beschäftigungsgruppen weisen jedoch ein niedrigeres Digitalisierungsrisiko auf. Die Analyse zeigt schließlich, dass Frauen häufiger in Berufen tätig sind, die voraussichtlich weniger leicht digitalisierbar sind. Auch zeigt sich, dass die Nationalität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Ergebnisse nicht beeinflusst.

Die Persönlichkeit bleibt

Die Grenzen zwischen Kompetenzen von Menschen und Maschinen verschwimmen zunehmend. Als wesentliches Alleinstellungsmerkmal verbleibt jedoch die Persönlichkeit. Die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik sollte die Bedeutung der Persönlichkeit für die Bewältigung der Herausforderungen des digitalen Wandels stärker in den Fokus nehmen. Hierbei ist es insbesondere wichtig, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, welches Offenheit für Neues sowie emotionale Stabilität fördert – nicht nur in der schulischen Ausbildung, sondern auch im Erwachsenenalter.

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