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Städtische Verkehrssysteme in der App-Ökonomie: Die Vorreiterrolle von Helsinki

Summary:
Es gibt mittlerweile eine Reihe von Pilotprojekten in städtischen Gebieten, die versuchen, den Verkehrsproblemen mit modernen Informations- und Kommunikationsdiensten (ICT) der App-Ökonomie beizukommen. Dieser Beitrag weist auf das Potenzial dieser Versuche hin. Die modernen Informations- und Kommunikationsdienste (ICT) der App-Ökonomie wecken große Erwartungen hinsichtlich der Reformpotenziale in sämtlichen Netzsektoren, nicht zuletzt auch im Kontext von intelligenten nachhaltigen Städten (Knieps 2017).[ 1 ] Ein besonderes Augenmerk liegt im Folgenden auf städtischen Verkehrssystemen, da viele Städte unter der immer stärker zunehmenden Luftverschmutzung und dem Lärm sowie immensen Stauproblemen auf den Straßen leiden. Weltweit werden inzwischen die vielfältigen

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Es gibt mittlerweile eine Reihe von Pilotprojekten in städtischen Gebieten, die versuchen, den Verkehrsproblemen mit modernen Informations- und Kommunikationsdiensten (ICT) der App-Ökonomie beizukommen. Dieser Beitrag weist auf das Potenzial dieser Versuche hin.

Die modernen Informations- und Kommunikationsdienste (ICT) der App-Ökonomie wecken große Erwartungen hinsichtlich der Reformpotenziale in sämtlichen Netzsektoren, nicht zuletzt auch im Kontext von intelligenten nachhaltigen Städten (Knieps 2017).[ 1 ] Ein besonderes Augenmerk liegt im Folgenden auf städtischen Verkehrssystemen, da viele Städte unter der immer stärker zunehmenden Luftverschmutzung und dem Lärm sowie immensen Stauproblemen auf den Straßen leiden. Weltweit werden inzwischen die vielfältigen Innovationspotenziale von „shared“ Mobilitätsdienstleistungen diskutiert, die durch die App-basierte Echtzeitkommunikation ermöglicht werden. Hierzu zählen shared Taxi-Dienste, Rufbus-Dienste, Ride-sourcing-Plattformanbieter und Transportation Network Companies wie zum Beispiel Uber oder Lyft (Transportation Research Board 2015). App-basierte Innovationen spielen aber auch eine zunehmend wichtige Rolle im schienengebundenen hochkapazitätsfähigen Verkehr, etwa bei der Bereitstellung von Fahrgastinformationen und App-basierten Abrechnungssystemen. In jüngster Zeit ist der individuelle Pkw-Verkehr stark in den Fokus der Reformdebatte geraten.

Das Kutsuplus Pilotprojekt in Helsinki

Eine besonders interessante Fallstudie stellt die Stadt Helsinki dar. Helsinki ist weltweit die erste Stadt, die bereits im Jahr 2012 im Rahmen ihres Kutsuplus-Pilotprojekts einen vollautomatisierten, echtzeitbasierten, rein auf Bedarfsbasis (on demand) funktionierenden öffentlichen Minibustransportdienst mit flexiblen Routen eingeführt hat. Dabei handelte es sich um ein Experiment, das auf eine Dauer von drei Jahren angelegt war. Als Substitut für die Nutzung eines eigenen Pkw wurde ein Konzept für die gleichzeitige Beförderung mehrerer Personen mit Minibussen entwickelt. Die jeweiligen Nutzer teilen per Handy-App ihren Beförderungswunsch mit, indem sie den Standort und das Ziel eingeben. Die Plattform bündelt daraufhin alle Anfragen mit ähnlichen Routen und informiert die Nutzer über die nächstgelegene virtuelle Haltestelle. Die Beförderungsleistung von Kutsuplus liegt aufgrund der echtzeitbasierten flexiblen Routenwahl ohne starre Abfahrtzeiten und feste Ein- und Aussteigepunkte eher bei der einer shared Taxidienstleistung.

Das Kutsuplus-Pilotprojekt erlangte weltweit Beachtung als ein innovatives ICT-basiertes Konzept, das dem öffentlichen Verkehr aufgrund der echtzeitbasierten Nachfrageorientierung neue Impulse verleihen und dadurch auch zum Abbau des Individualverkehrs und damit einhergehender Staus und Umweltbelastungen beitragen kann. Allerdings wurde das Kutsuplusprojekt nach Ablauf der dreijährigen Pilotprojektphase nicht weitergeführt, obwohl sich das System aus technischer Sicht bewährt hatte und auch die Nachfrage nach Fahrten stark angestiegen war. Ein weiterer Ausbau des Servicenetzes hätte eine Aufstockung der relativ geringen Anzahl von 15 Minibussen auf eine größere Flotte (geplant waren 45 Fahrzeuge im Jahr 2016 und über 100 im Jahr 2017)[ 2 ] und damit einhergehende höhere Investitionen erfordert, die aufgrund finanzieller Engpässe nicht realisiert werden konnten. Shared Mobilitätsdienstleistungen auf der Basis eines umfassenderen Kutsuplus-artigen Angebots zu realisieren wird auch für die Zukunft weiterhin angestrebt (Helsinki Regional Transport Authority (HSL) 2016a).

Während die Minibusse im Kutsuplus Pilotprojekt zwar vollautomatisch nachfrageorientiert ihre Route gewählt haben, waren sie dennoch nicht fahrerlos. Ein wesentlicher Kostenbestandteil des Kutsuplus-Betriebs waren folglich die Lohnkosten für die Fahrer. Eine interessante Perspektive für die Zukunft stellt daher die Eröffnung einer regulären Buslinie mit fahrerlosen elektrischen Minibussen seit Frühjahr 2017 dar.[ 3 ] Dabei handelt es sich um ein EU-finanziertes Projekt, dessen Ziel es ist, neue Formen des öffentlichen Nahverkehrs mit fahrerlosen Fahrzeugen zu entwickeln.

Inzwischen entstehen weltweit in verschiedenen Städten Ansätze für die Entwicklung von On-Demand-Transit-Pilotprojekten, die im Sinne von Kutsuplus App-basiert virtuelle Haltestellen und flexible Routen bereitstellen. Beispiele hierfür sind St. Louis[ 4 ] und jüngst auch das Ride-Pooling-Projekt in Hamburg, das zum 1. Januar 2019 seinen Betrieb aufnehmen wird.[ 5 ]

Shared Mobilitätsdienstleistungen als Substitut für privaten Pkw-Verkehr

In einer groß angelegten Simulationsstudie des International Transport Forums (ITF)[ 6 ] für die Metropolregion Helsinki wird die Frage analysiert, welche Auswirkungen die teilweise oder vollständige Substitution des privaten individuellen Straßenverkehrs durch shared Mobilitätsdienstleistungen in Kombination mit den bereits bestehenden schienengebundenen massenkapazitätsfähigen Transportleistungen hat (OECD/ITF 2017). Als shared Mobilitätsdienstleistungen werden shared Taxi (Echtzeit-Buchung, Von-Haus-zu-Haus-Beförderung mit Fahrzeugen bis zu sechs bis acht Sitzen) sowie Taxi-Bus (Buchung 30 Minuten im Voraus, bis zu 400 m Entfernung bis zum Haltepunkt, mit Minibus mit acht oder 16 Sitzen) angeboten. Im Fokus steht die Substitution von privaten Pkw-Fahrten durch shared Mobilitätsleistungen, die auch als Zubringer zum öffentlichen hochkapazitätsfähigen Schienenverkehr genutzt werden können. Es werden verschiedene Szenarien untersucht, wobei grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die bisherigen schienengebundenen Angebote (Zug, U-Bahn, Straßenbahn) beibehalten werden. Unter der Annahme, dass individuelle Fahrten mit Pkw oder Taxi vollständig (Szenario 1), zu 50 Prozent (Szenario 2) oder zu 20 Prozent (Szenario 3) durch shared Mobilitätsdienste ersetzt, die Busfahrten aber beibehalten werden, ergibt sich ein starker Rückgang von Staus und CO2, aber auch bei Szenario 3 kann der CO2-Ausstoß signifikant reduziert werden, wie es ansonsten nur bei effektiver Anwendung von Stautarifierung erwartet werden kann (OECD/ITF 2017, S. 53; Helsinki Regional Transport Authority (HSL) 2016b).

Potenziale intelligenten Staumanagements

Die Potenziale innovativer shared Mobilitätskonzepte sollten sich voll entwickeln können, damit Anreize für eine Reduktion privater Pkw-Fahrten genutzt und damit einhergehende Staus und Umweltverschmutzung reduziert werden können. Staumanagement spielt in intelligenten Verkehrsnetzen eine immer wichtigere Rolle. Ein anschauliches Beispiel für die stark gesunkenen Transaktionskosten eines auslastungsabhängigen Staumanagements basiert auf einer Straßenverkehrsstudie von EGNOS.[ 7 ] Hiernach bieten Satellitennavigationsdienste innovative elektronische Mauterhebungssysteme an. Diese ermöglichen es, Tarife streckenbasiert zu erheben, auch an Orten, wo keine physische Mautinfrastrukturen errichtet werden können.

Die Erhebung von zeitbasierten Stautarifen für die Nutzung von Straßenkapazitäten trägt zweifellos zur Erhöhung der sozialen Wohlfahrt bei. Stautarife führen zu einer gleichmäßigeren Auslastung der Wegeinfrastrukturkapazitäten und verringern daher auch die Notwendigkeit einer Ausweitung der Infrastruktur. Zudem können die Einnahmen aus Stautarifen zur Finanzierung der Infrastrukturen verwendet werden (vgl. Knieps 2015, Kapitel 3).

Helsinki Regional Transport Authority (HSL) (2016a), Kutsuplus-Final Report,[ a ] Helsinki

Helsinki Regional Transport Authority (HSL) (2016b), Study on Road Pricing[ b ], Helsinki, 14.3.2016.

Knieps, G. ( 2015), Network Economics: Principles – Strategies – Competition Policy, in: Springer Texts in Business and Economics, Cham et al., 2015.

Knieps, G. (2017), Internet of Things and the economics of smart sustainable cities, Competition and Regulation in Network Industries, 18/1-2, 115-131.

OECD/ITF (2017), Shared Mobility- Simulations for Helsinki, www.itf-oecd.org.

Transportation Research Board (2015), Between Public and Private Mobility: Examining the Rise of Technology-Enabled Transportation Services, Committee for Review of Innovative Urban Mobility Services, The National Academy of Sciences, The National Academy Press, Special Report 319, Washington D.C.


©KOF ETH Zürich, 1. Jun. 2018

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