Frauen sind in politischen Ämtern nach wie vor unterrepräsentiert. Eine Möglichkeit, dies zu ändern, bieten Quoten, doch diese bedeuten einen Eingriff in die Rechte der Wähler und können zu Stigmatisierungen führen. Eine Alternative wäre es, Frauen zu ermutigen, exponierte Ämter anzunehmen. Wie dieser Beitrag anhand von Daten auf Gemeindeebene zeigt, gehen von Frauen in exponierten Positionen positive Effekte auf weibliche Kandidatinnen für andere Ämter aus. Die Tatsache, dass Frauen relativ zu ihrem Bevölkerungsanteil in der Politik unterrepräsentiert sind, wird in der Öffentlichkeit oft als Problem wahrgenommen. In der Tat kann es allein schon aus symbolischen Gründen wünschenswert sein, dass Frauen angemessen in politischen Führungsämtern vertreten sind. Zudem zeigt die
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Thushyanthan Baskaran, Zohal Hessami considers the following as important:
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Frauen sind in politischen Ämtern nach wie vor unterrepräsentiert. Eine Möglichkeit, dies zu ändern, bieten Quoten, doch diese bedeuten einen Eingriff in die Rechte der Wähler und können zu Stigmatisierungen führen. Eine Alternative wäre es, Frauen zu ermutigen, exponierte Ämter anzunehmen. Wie dieser Beitrag anhand von Daten auf Gemeindeebene zeigt, gehen von Frauen in exponierten Positionen positive Effekte auf weibliche Kandidatinnen für andere Ämter aus.
Die Tatsache, dass Frauen relativ zu ihrem Bevölkerungsanteil in der Politik unterrepräsentiert sind, wird in der Öffentlichkeit oft als Problem wahrgenommen. In der Tat kann es allein schon aus symbolischen Gründen wünschenswert sein, dass Frauen angemessen in politischen Führungsämtern vertreten sind. Zudem zeigt die politökonomische Forschung, dass persönliche Eigenschaften von Politikern einen systematischen Effekt auf deren politische Entscheidungen haben: weibliche Politiker setzen andere Prioritäten als ihre männlichen Kollegen (Besley 2005, Chattopadhyay und Duflo 2004). Die Unterrepräsentanz von Frauen in politischen Ämtern hat daher aller Wahrscheinlichkeit nach zur Folge, dass die Präferenzen von Frauen sich nicht angemessen in den politischen Entscheidungen widerspiegeln.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass so gut wie alle großen Parteien über geeignete Maßnahmen diskutieren, um die weibliche Repräsentanz in der Politik zu erhöhen. Ein häufig geäußerter Vorschlag hierbei lautet, verpflichtende Quoten einzuführen. Die vorhandene empirische Evidenz zeigt, dass Quoten durchaus dazu beitragen können, den Anteil an Frauen in politischen Ämtern zu erhöhen (Bhavnani 2009). Jedoch haben Frauenquoten auch Nachteile. Erstens sind sie ein starker Eingriff in die Rechte der Wähler, da sie deren Wahlmöglichkeiten einschränken. Zweitens können Quoten zu einer allgemeinen Stigmatisierung von Frauen in der Politik führen. Wenn Frauen in erster Linie über Quoten politische Ämter erreichen, könnte sich der Eindruck verfestigen, dass sie unfähig sind, sich gegen männliche Kandidaten in kompetitiven Wahlen durchzusetzen. Dies könnte sich negativ auf ihr Ansehen und somit auch ihre Möglichkeiten auswirken, während ihrer Amtszeit politische Projekte gegen Widerstände durchzusetzen. Obwohl Quoten den Anteil von Frauen formal erhöhen würden, könnten sie insgesamt dazu führen, dass sie ihren tatsächlichen politischen Einfluss reduzieren und langfristig einen eher negativen Effekt auf deren Erfolg in der Politik haben.
Eine Alternative zu den Quoten
Diese Überlegungen legen nahe, dass es nützlich sein kann, neben Quoten alternative Maßnahmen ins Auge zu fassen, um den Anteil von Frauen in der Politik zu erhöhen. Eine solche Alternative wäre, dass Parteien es Frauen ermöglichen oder sie dazu ermutigen, insbesondere exponierte Ämter (z. B. Bundes- und Landesminister, Landrat oder Bürgermeister) zu übernehmen (Fox und Lawless 2014). Erfolgreiche weibliche Kandidaturen für solche Ämter könnten über verschiedene Wirkungskanäle – die wir weiter unten näher erläutern – dazu führen, dass sich die Erfolgschancen von Frauen für andere, weniger exponierte Ämter erhöhen und somit die weibliche Repräsentanz in der Politik über den direkten Effekt hinaus noch weiter steigt.
In unserer Studie, Baskaran und Hessami (2017), untersuchen wir, ob weibliche Politiker in exponierten Ämtern tatsächlich Spillover auf Kandidatinnen für andere Ämter haben. Aus methodischen Gründen konzentrieren wir uns hierbei auf die Gemeindeebene in Deutschland. In deutschen Gemeinden existieren zwei wichtige politische Institutionen: das Amt des Bürgermeisters und der Gemeinderat. Die Bürgermeister sind im Allgemeinen exponiertere Amtsträger als Gemeinderäte. Wir untersuchen daher, ob weibliche Bürgermeister die Erfolgschancen von Kandidatinnen für einen Sitz im Gemeinderat erhöhen.
Der konkrete institutionelle Kontext für unsere Studie sind Kommunalwahlen in den 426 hessischen Gemeinden über den Zeitraum von 2001 bis 2016. Wir haben umfassende Informationen zu den Eigenschaften von mehr als 100.000 Kandidaten für die hessischen Gemeinderäte (Name, Geschlecht, Parteizugehörigkeit, Beruf, etc.) sowie Daten zu allen Bürgermeisterwahlen erhoben.
Mit diesen Daten konnten wir ein Regression-Discontinuity-Design implementieren, d.h. einen Vergleich durchführen zwischen dem Wahlerfolg von weiblichen Kandidaten für den Gemeinderat in denjenigen Gemeinden, in denen ein weiblicher Kandidat für das Bürgermeisteramt sich knapp gegen einen männlichen durchgesetzt hatte, mit dem Wahlerfolg der weiblichen Gemeinderatskandidaten in den Gemeinden, wo ein männlicher Bürgermeisterkandidat sich knapp gegen einen weiblichen durchgesetzt hatte. Die Tatsache, dass wir uns auf knappe Wahlen zwischen männlichen und weiblichen Bürgermeisterkandidaten konzentrieren hat zur Folge, dass das Geschlecht des Bürgermeisters in den relevanten Gemeinden quasi-zufällig zugeteilt wurde. Wir können damit sicherstellen, dass sich Gemeinden mit weiblichen und männlichen Bürgermeistern im Durchschnitt nur im Geschlecht ihres Bürgermeisters unterscheiden, nicht aber in weiteren Eigenschaften.
Weibliche Bürgermeisterinnen als Vorbilder
Unsere Ergebnisse zeigen, dass in Gemeinden mit weiblichen Bürgermeistern der Frauenanteil im Gemeinderat im Durchschnitt um vier Prozentpunkte steigt. Insbesondere steigt der Anteil „neuer“ Frauen, die nicht bereits im vorherigen Rat vertreten waren. Diese Effekte bleiben in der nächsten Wahl bestehen (sind also persistent) und wirken in Nachbargemeinden hinein (haben also geographische Zusatzeffekte). Insgesamt führt eine einzelne Bürgermeisterin in einer typischen Gemeinde zu ungefähr 1.2 zusätzlichen Frauen im Rat ihrer Gemeinde. Wenn wir hierzu den Effekt auf die Nachbargemeinden hinzurechnen, führt eine einzelne weibliche Bürgermeisterin zu insgesamt 4.3 zusätzlichen Frauen im Gemeinderäten.
In einem zweiten Schritt untersuchen wir die Wirkungskanäle, die zu diesem Effekt führen. Diese Analyse hängt eng mit der Frage zusammen, weshalb Frauen überhaupt in der Politik unterrepräsentiert sind. Vier Gründe liegen nahe: i) Die Wähler sind voreingenommen gegenüber weiblichen Politikern und wählen sie nicht ausschließlich wegen ihres Geschlechtes (trotz ansonsten gleicher Kompetenz wie ihre männlichen Kollegen), ii) Parteien bzw. deren Führung sind voreingenommen gegenüber weiblichen Kandidaten und stellen sie nicht auf bzw. unterstützen sie nicht ausreichend (wiederum bei sonst gleicher Kompetenz wie die männlichen Kollegen), iii) nicht genug Frauen sind bereit politische Ämter zu übernehmen und für diese zu kandidieren und iv) diejenigen Frauen, die kandidieren, sind weniger kompetent als die männlichen Kandidaten.
Wir zeigen, dass Frauen in exponierten Ämtern die Wahlchancen von Frauen für andere Ämter in erster Linie erhöhen, weil sie zu einer Verringerung der Vorurteile gegenüber weiblichen Politikern seitens der Wähler führen. Die Wähler werden durch die Erfahrung mit einer erfolgreichen Politikerin in einem wichtigen Amt dazu bewogen, Vorurteile gegenüber weiblichen Kandidaten insgesamt zu reduzieren. Demgegenüber finden wir keine Evidenz, dass weibliche Bürgermeister zu mehr oder besser qualifizierten weiblichen Kandidatinnen führen. Wir finden auch keinen Effekt auf Ebene der Parteien: diese stellen weder mehr Frauen auf noch platzieren sie diese auf besseren Listenplätzen.
Wir sind in der Lage, die Wirkungskanäle zu identifizieren, weil Kommunalwahlen in Hessen nach einem Wahlverfahren mit offenen Listen stattfinden (Kumulieren und Panaschieren). Jede Partei legt zunächst eine bestimmte Reihenfolge fest, in der ihre Kandidaten auf ihrer Liste platziert werden. Die Wähler können aber während der Wahl Personenstimmen vergeben und somit den Rang eines Kandidaten auf seiner Liste verändern. Die von der Partei besser platzierten Kandidaten haben grundsätzlich eine bessere Chance in den Rat einzuziehen (unter anderem aufgrund bestimmter Regelungen im Wahlverfahren), aber wer tatsächlich in den Rat einzieht, hängt letztendlich von den individuellen Personenstimmen und somit der Listenrangfolge nach der Wahl ab. Die Abweichung eines Kandidaten nach der Wahl von seinem ursprünglichen Rang kann daher als ein Maß für die Divergenz der Präferenzen der Parteien und der Wähler für einen Kandidaten angesehen werden.
Unsere Interpretation der Wirkungskanäle beruht insbesondere darauf, dass weibliche Kandidaten für den Gemeinderat in Gemeinden mit weiblichen Bürgermeistern bei der Wahl relativ zu ihrer ursprünglichen Platzierung besser abschneiden als in Gemeinden mit männlichen Bürgermeistern. Demgegenüber finden wir keinen Effekt auf den ursprünglichen, von der Partei festgelegten Listenrang. Insbesondere dieser Umstand legt nahe, dass Erfahrungen mit weiblichen Bürgermeistern zu einer Veränderung der Wahrnehmung weiblicher Kandidaten seitens der Wähler führen.
Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass Frauen in exponierten Ämtern es anderen und weniger bekannten Frauen erleichtern, in der Politik erfolgreich zu sein. Dies sollte ein weiterer Anreiz für Parteien sein, Frauen zu ermuntern, exponierte Ämter anzustreben. Ebenso sollten sie ihre auf die Förderung von Frauen ausgerichteten Ressourcen auf exponierte Ämter wie Bürgermeister, Landräte, oder Landesminister- und Bundesminister konzentrieren, da offenbar neben ihrem unmittelbaren Effekt erfolgreiche weibliche Kandidaturen für diese Ämter den Frauenanteil in der Politik über Spillover auf weniger exponierte Ämter noch weiter erhöhen.
Baskaran, T. und Z. Hessami (2018). Does the election of a female leader clear the way for more women in politics? Working Paper Series of the Department of Economics[ a ], University of Konstanz 2017-09.
Besley, T. (2005). Political Selection. Journal of Economic Perspectives 19, S. 43-60.
Bhavnani, R. (2009). Do electoral quotas work after they are withdrawn? Evidence from a Natural Experiment in India. American Political Science Review 103, S. 23-35.
Chattopadhyay, R. und E. Duflo (2004). Women as policy makers: evidence from a randomized experiment in India. Econometrica 72, S. 1409-43.
Fox, R. L. und J. L. Lawless (2014). Uncovering the origins of the gender gap in political ambition. American Political Science Review 108, S. 499-519.
©KOF ETH Zürich, 4. Jun. 2018