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Die “Diesel-Debatte”: Eine Einordnung aus ökonomischer Sicht

Summary:
Die Diesel-Technologie und die mit ihrer Nutzung verbundenen Belastungen durch lokale oder globale Schadstoffemissionen stehen im Fokus der umweltpolitischen Diskussion. Dieser Artikel betrachtet unterschiedliche negative externe Effekte aus der Nutzung von Verbrennungsmotoren und schlägt für eine Langfriststrategie ökonomische Instrumente zur Zielerreichung vor. Mit einem Fahrverbot für ältere Diesel auf zwei Hauptverkehrsstraßen hat Hamburg als erste deutsche Stadt auf die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen zu hoher Schadstoffkonzentrationen reagiert. Hintergrund der EU-Klage sind wiederholte Überschreitungen der vereinbarten Grenzwerte für die Luftverschmutzung aus Stickoxiden (NOx) in 26 Gebieten Deutschlands. Der mit Abstand größte Verursacher von NOx-Emissionen

Topics:
Martin Achtnicht, Martin Kesternich, Bodo Sturm considers the following as important:

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Die Diesel-Technologie und die mit ihrer Nutzung verbundenen Belastungen durch lokale oder globale Schadstoffemissionen stehen im Fokus der umweltpolitischen Diskussion. Dieser Artikel betrachtet unterschiedliche negative externe Effekte aus der Nutzung von Verbrennungsmotoren und schlägt für eine Langfriststrategie ökonomische Instrumente zur Zielerreichung vor.

Mit einem Fahrverbot für ältere Diesel auf zwei Hauptverkehrsstraßen hat Hamburg als erste deutsche Stadt auf die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen zu hoher Schadstoffkonzentrationen reagiert. Hintergrund der EU-Klage sind wiederholte Überschreitungen der vereinbarten Grenzwerte für die Luftverschmutzung aus Stickoxiden (NOx) in 26 Gebieten Deutschlands. Der mit Abstand größte Verursacher von NOx-Emissionen ist der Straßenverkehr. Etwa 40% des EU-weiten Ausstoßes entfallen auf ihn, davon wiederum sind etwa 80% Dieselfahrzeugen zuzurechnen (Europäische Kommission, 2017). Immerhin kommt auch ein Fünftel des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), das in der EU ausgestoßen wird, von der Straße. Vorschläge zur Problemlösung seitens der Politik gab es in den vergangenen Monaten genug. Woran es allerdings mangelt, ist eine ökonomisch fundierte Langfriststrategie, um Mobilitätsbedürfnisse und Schutz von Umwelt und Gesundheit in Einklang zu bringen.

Grundsätzlich verursacht ein Akteur bei negativen externen Effekten gesellschaftliche Kosten, die er selbst nicht oder nicht vollständig zahlen muss. Ohne Regulierung sinkt damit die gesellschaftliche Wohlfahrt im Vergleich zum Optimum. Im Zentrum der verkehrspolitischen Diskussion stehen insbesondere die externen Effekte, die durch die Nutzung der Verkehrswege entstehen. Dieser Beitrag konzentriert sich dabei auf lokale Schadstoffemissionen, wie Feinstaub und NOx sowie auf CO2-Emissionen und Stau.

Straßennutzung in Städten durch City-Maut steuern

Das Problem verkehrsbedingter Luftverschmutzung in Innenstädten kann mit einer City-Maut effizient gelöst werden. Das Prinzip einer solchen Maut ist einfach: Will ein Autofahrer innerstädtische Straßen benutzen, wird eine Gebühr fällig – und zwar jedes Mal. Wer viel fährt, zahlt viel, wer nur selten mit dem Auto in die Stadt fährt, wird seltener zur Kasse gebeten. Der Mautbetrag sollte dabei – unabhängig von der eingesetzten Kraftstoffart bzw. der Technologie – nach dem Schadstoffausstoß gestaffelt sein. Die negativen Auswirkungen des Autofahrens, deren Kosten bisher die Gesellschaft zu tragen hatte, werden damit sichtbar und dem eigentlichen Verursacher in Rechnung gestellt. Andere lokal wirksame Externalitäten des Straßenverkehrs wie Staus würden durch eine Maut in entsprechender Höhe ebenfalls adressiert. Städte wie London und Stockholm setzen bereits seit Jahren erfolgreich auf diesen Ansatz.

Eine City-Maut ist aus ökonomischer Sicht den derzeit diskutierten Fahrverboten für Diesel klar überlegen, insbesondere weil die Verbesserung der Stadtluft zu geringeren gesellschaftlichen Kosten erreicht wird. Wenn Fahrten in die Stadt durch die City-Maut einen zusätzlichen Preis bekommen, entstehen wirksame Anreize für Autofahrer, ihr Mobilitätsverhalten zu verändern. Umweltfreundlichere Alternativen wie Bus, Bahn oder auch Fahrrad werden damit im Vergleich zum Auto attraktiver. Der zentrale Punkt ist: Mit der City-Maut haben die betroffenen Menschen eine Wahl. Sie können selbst entscheiden, ob ihnen die Fahrt ins Stadtzentrum mit dem eigenen Pkw so viel wert ist. Wann immer der individuelle Nutzen größer ist als die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten, werden sie die Maut zahlen, und andernfalls nach Alternativen suchen. Für die Gesellschaft ist das optimal. Mit Fahrverboten dagegen nehmen die Städte den Menschen die Wahl quasi ab.

Auch die Umweltwirkung von Hamburgs kürzlich eingeführten Durchfahrtssperren ist zweifelhaft. Ältere Diesel-Pkw bzw. Lkw weichen nun auf andere Strecken aus, um ihr Fahrtziel zu erreichen. Zwar sollen so die NOx-Grenzwerte in den gesperrten Straßen eingehalten werden. Jedoch steigt natürlich die Belastung auf den Ausweichstrecken, so dass möglicherweise durch die erzwungenen Umwege insgesamt mehr Schadstoffe entstehen als vorher.

Weiträumigere Diesel-Fahrverbote als in Hamburg würden vermutlich eine gewisse lokale Umweltwirkung in deutschen Städten erzielen. Allerdings wären die gesellschaftlichen Kosten unverhältnismäßig hoch und zudem ungerecht verteilt. Alle Dieselfahrer, und nur diese, würden durch die Fahrverbote bestraft. Ihre Fahrzeuge wären dann für bestimmte Wege nicht mehr zu gebrauchen. Der Wiederverkaufswert würde drastisch sinken. Das würde auch für solche Diesel gelten, die kaum oder gar nicht auf innerstädtischen Straßen bewegt werden. Auch bei einer City-Maut würde der Wiederverkaufswert eines Pkw vermutlich sinken, allerdings in geringerem Umfang als bei einem Fahrverbot und nicht nahezu pauschal, sondern in Abhängigkeit der Schadstoffbelastung.

Dabei belasten natürlich auch die Abgase aus Ottomotoren die Stadtluft. Ein Fahrverbot für Diesel liefert jedoch kein Signal an Fahrer von Benzinern, ihre Fahrleistung einzuschränken. Im Gegenteil: Kurzfristig werden Stadtfahrten für sie sogar attraktiver, weil mit dem Dieselverbot freiere Straßen locken. Mittelfristig werden diejenigen, die vom Verbot betroffen sind, aber auf ein Auto nicht verzichten können und ihren Diesel vermutlich noch durch einen Benziner ersetzen. Das ist kostspielig und belastet jede Haushaltskasse mehr als eine Maut, die nur einzelne Fahrten teurer macht. Am Ende sind die Straßen jedenfalls wieder verstopft und der Umwelt kaum geholfen. Klar ist also, saubere Luft ist nicht zum Nulltarif zu haben. Eine City-Maut belastet den einzelnen Haushalt. Im Gegensatz zum Fahrverbot oder im Vergleich zu möglichen Überwälzungsreaktionen als Folge von herstellerseitigen Nachrüstverpflichtungen sind die Kosten für den Pkw-Besitzer jedoch transparent. Darüber hinaus setzt die Regulierung Unternehmen unter Zugzwang, neue Technologien marktfähig zu machen, um im Wettbewerb auch mit anderen Verkehrsmitteln zu bestehen. Schließlich noch ein weiterer Vorteil der City-Maut gegenüber Fahrverboten: Städte können durch die Einführung einer Maut umfangreiche Finanzmittel generieren.

Kosteneffizienter Klimaschutz durch einheitlichen CO2-Preis

Bei der Betrachtung der CO2-Emissionen des Verkehrs ist zunächst festzuhalten, dass dieser Sektor bereits durch implizite CO2-Steuern belastet wird. In Deutschland beträgt die Energiesteuer auf Diesel ca. 0,47 €/Liter. Der durchschnittliche Steuersatz in der EU liegt leicht darunter. Auf Grund des festen Verhältnisses zwischen der ein­gesetzten Menge des fossilen Energieträgers und den CO2-Emissionen lässt sich die Energiesteuer in eine CO2-Steuer umrechnen. Der derzeit in Deutschland geltende Steuersatz auf jede Tonne CO2, die durch Dieselverbrennung in Pkw entsteht, liegt damit bei ca. 180 € (ohne MWSt). Dieser implizite Steuersatz auf die CO2-Emissionen von Diesel-Pkw entspricht zugleich den Grenzvermeidungskosten für CO2 (Weimann, 2008; Sturm und Vogt, 2018).

Ein zentrales Ergebnis der Umweltökonomik ist, dass eine kosteneffiziente Klimapolitik nur bei Gleich­heit der Grenzvermeidungskosten aller Emittenten gegeben ist (Sturm und Vogt, 2018). Sobald sich die Grenzvermeidungskosten unter­scheiden, lassen sich entweder bei gleichen Emissionen die Kosten von Klimapolitik reduzieren oder für das gleiche Geld kann mehr Klimaschutz realisiert werden. Für den Verkehrssektor ergibt sich dabei ein fundamentales Problem: Im EU-Emissionshandel für CO2 (EU ETS) haben die Emittenten Grenz­vermeidungs­kosten, die um den Faktor 12 unter denen im Pkw-Verkehr liegen. Der Preis für Zertifikate ist gleich den Grenz­vermeidungskosten im EU ETS und liegt derzeit bei 15 €/tCO2. Eine solche Klimapolitik ist nicht sinnvoll, weil sie teurer ist als nötig. Aus Klimaschutzgründen die Energiesteuer weiter zu differenzieren oder gar zu erhöhen, ist also aus ökonomischer Sicht definitiv der falsche Weg. Zugleich wird deutlich, dass in den Sektoren des EU ETS, also außerhalb des Verkehrssektors, relativ günstige CO2-Vermeidungsoptionen existieren.

Entscheidend für Kosteneffizienz ist, dass alle CO2-Emittenten in einer Volkswirtschaft das gleiche Knappheitssignal erhalten. Dies gilt unabhängig davon, ob der CO2-Preis über eine Steuer oder ein Emissionshandelssystem erzeugt wird. Da der Preis des EU ETS deutlich geringer ist als der CO2-Preis für den Verkehrssektor, sollte die Zertifikatmenge des EU ETS stärker als bisher reduziert werden. Damit steigt der Preis des EU ETS weiter an und der Unterschied in den Grenzvermeidungskosten wird geringer. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Verkehrssektor in das EU ETS zu integrieren (Achtnicht et al., 2015). In einem solchen erweiterten EU ETS gibt es dann eine fixe Menge an handelbaren Zertifikaten für die bisherigen Sektoren im EU ETS und den Verkehrssektor. Damit würden zwar die Kraftstoffpreise etwas steigen (allerdings nicht, wenn die Energiesteuer entsprechend gesenkt werden würde), der Vorteil dieser Politik wäre aber, dass eine Ausweitung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor möglich wäre, ohne die Gesamtemissionen der EU zu steigern. Dies würde zu einem Preisanstieg im EU ETS führen und die zusätzliche Vermeidung würde dann in den übrigen ETS-Sektoren außerhalb des Verkehrssektors stattfinden (da hier relativ niedrige Grenzvermeidungskosten vorliegen).

Fazit

In der Diesel-Debatte ist aus ökonomischer Sicht zu fordern, dass die Politik negative externe Effekte adressiert und die entsprechenden Aktivitäten – technologieoffen – mit einem Preis versieht. Eine City-Maut, die die Nutzung von Straßen in Städten verteuert und ein einheitlicher CO2-Preis für kosteneffizienten Klimaschutz sind dabei geeignete Instrumente in einer zu etablierenden Langfriststrategie.

Achtnicht, M., K. von Graevenitz, S. Koesler, A. Löschel, B. Schoeman, M.A.Tovar Reaños, (2015), Including Road Transport in the EU-ETS – An Alternative for the Future?, Gutachten, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim

Europäische Kommission (2017), Kommission droht Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und dem Vereinigten Königreich mit Klage wegen anhaltender übermäßiger Luftverschmutzung, Pressemitteilung vom 15.02.2017

Sturm, B., C. Vogt (2018), Umweltökonomik – Eine anwendungsorientierte Einführung, Springer-Verlag

Weimann, J. (2008), Die Klimapolitik-Katastrophe. Metropolis-Verlag

©KOF ETH Zürich, 5. Sep. 2018

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