Die Sharing-Ökonomie basiert zu einem grossen Teil darauf, dass sie ihre Fixkosten abwälzt. Dies hat Konsequenzen nicht nur für einzelne Branchen, sondern für die Marktwirtschaft an sich. Dem Thema Sharing muss man sich von unten nähern. Deshalb beginnt dieser Beitrag mit einem konkreten Beispiel: Ein Bekannter absolviert zur Zeit ein MBA in St. Gallen. Jeden Monat verbringt er dort eine Woche. Bisher hat er für sein Hotelbett pro Nacht etwa 150 Franken ausgegeben. Nun haben ihn Studienkollegen animiert, es doch einmal mit einen airbnb-Angebot zu versuchen. Hat er. Gekostet hat es ihn –Frühstück eingerechnet – nicht einmal die Hälfte. Die Qualität des Angebots, Lage, Ausstattung Service beurteilt er als nicht ganz gleich gut wie im Hotel, aber die Differenz allemal wert – genau was die Kollegen auch sagen. Woher kommt die Differenz? Mein Kollege hat mit seinem Gastgeber – nennen wir in H wie Host - gesprochen. Es handelt sich um einen Assistenzprofessor auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft. Der Mann kann also rechnen, doch das ganze erwiese sich weniger als ein Problem der Erfolgsrechnung als ein Produkt der Lebensumstände. H hatte seine Wohnung ursprünglich zusammen mit einem Arbeitskollegen bewohnt. Diesen hat es in eine andere Stadt verschlagen. Beziehungsmässig ist die Hose auch gerade tot. Also Airbnb.
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Die Sharing-Ökonomie basiert zu einem grossen Teil darauf, dass sie ihre Fixkosten abwälzt. Dies hat Konsequenzen nicht nur für einzelne Branchen, sondern für die Marktwirtschaft an sich.
Dem Thema Sharing muss man sich von unten nähern. Deshalb beginnt dieser Beitrag mit einem konkreten Beispiel: Ein Bekannter absolviert zur Zeit ein MBA in St. Gallen. Jeden Monat verbringt er dort eine Woche. Bisher hat er für sein Hotelbett pro Nacht etwa 150 Franken ausgegeben. Nun haben ihn Studienkollegen animiert, es doch einmal mit einen airbnb-Angebot zu versuchen. Hat er. Gekostet hat es ihn –Frühstück eingerechnet – nicht einmal die Hälfte. Die Qualität des Angebots, Lage, Ausstattung Service beurteilt er als nicht ganz gleich gut wie im Hotel, aber die Differenz allemal wert – genau was die Kollegen auch sagen.
Woher kommt die Differenz? Mein Kollege hat mit seinem Gastgeber – nennen wir in H wie Host - gesprochen. Es handelt sich um einen Assistenzprofessor auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft. Der Mann kann also rechnen, doch das ganze erwiese sich weniger als ein Problem der Erfolgsrechnung als ein Produkt der Lebensumstände. H hatte seine Wohnung ursprünglich zusammen mit einem Arbeitskollegen bewohnt. Diesen hat es in eine andere Stadt verschlagen. Beziehungsmässig ist die Hose auch gerade tot. Also Airbnb. Die Arbeit, die damit verbunden ist, hält sich in Grenzen und ist mit dem Hauptberuf gut vereinbar. Ob er nicht befürchtet habe, von unangenehmen Gästen behelligt zu werden? Nein, bisher sei alles gut gelaufen, mache sogar Spass. Und, wissen Sie, „ich bin nicht darauf angewiesen, wenn er nicht funktioniert oder mir zu viel wir, höre ich wieder auf damit.“
Ist das nicht ein untypischer Einzelfall? Doch, natürlich, das ist genau der Punkt. Plattformen bringen Einzelfälle ins Geschäft. Wenn sich H zurückzieht, weil die Freundin einzieht, weil er mal schlechte Erfahrungen gemacht, oder einfach keine Lust hat, dann sind vielleicht bei H1 oder Hx die Lebensumstände gerade mal so, dass ein bisschen Wohnraum und ein Quäntchen Zeit zur Verfügung steht. Meist kennt man inzwischen auch einen Verwandten oder Kollegen, der weiss, wie das mit Airbnb so geht. Die Eintrittshürden sind tief. Wo ist das Risiko?
Volkswirtschaftlich gesehen ist das ein grosser Vorteil. Die Plattformen mit ihren Bewertungssystemen aktivieren bisher brachliegende Potentiale. Sie lassen Verschwendung verschwinden. Sie machen aus Mietern Hoteliers, aus Pendlern Taxichauffeure. In der Plattform-Ökonomie kann jeder nebenbei auch noch ein wenig Unternehmer sein. Das Potential ist schwer zu beziffern. Aber eine Prognose kann man wohl wagen: Da kommt etwas auf uns zu.
Doch was da kommt, ist nicht unbedingt erfreulich. Letztlich verdanken wir unseren Wohlstand nämlich einer Wirtschaftsordnung, welche – im Gegensatz etwa zu einer Planwirtschaft – die Anbieter zwingt, die vollen Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen. Tun sie es nicht, fallen sie früher oder später aus dem Markt. So bleibt der Geldkreislauf geschlossen. Das Angebot alimentiert die Nachfrage. Einverstanden: Das Prinzip wird nicht voll durchgehalten. Es gibt immer wieder Branchen, die es schaffen, sich vom Staat subventionieren zu lassen – zum Zweck der Strukturerhaltung, oder weil sie eine öffentliche Dienstleistung erbringen etc.
Subventionierung als Geschäftsmodell
In der Sharing-Ökonomie ist die Subventionierung das Geschäftsmodell. Bloss sind diese Subventionen nicht staatlich, sondern privat. Der Anbieter subventioniert sein Sharing-Angebot mit einer anderen Einkommensquelle. Im Falle von H deckt das Einkommen aus der Lehr-und Forschungstätigkeit an der Uni nicht nur die Fixkosten der Unterkunft, sondern auch die des Lebensunterhalts. Er muss seinen Gästen nur noch die variablen Kosten etwa für das Frühstück oder den zusätzlichen Stromverbrauch verrechnen. Der Rest ist Reingewinn, bzw. Zusatzeinkommen, wovon sich die Plattform noch ihren Anteil nimmt.
Für den kommerziellen Hotelbetrieb sieht die Rechnung ganz anders aus. Sie muss ihren Angestellten einen Lohn zahlen, von dem diese leben können und zwar auch in kranken, alten und arbeitslosen Zeiten. (Stichwort Sozialabgaben) Und sie muss den Lohn auch bezahlen, wenn gerade mal weniger oder keine Gäste da sind. Die Personalkosten machen typischerweise 30 bis 40% des Umsatzes aus. Dazu kommen die Anlagekosten, wie wiederum weitere Gesamtkosten verursachen. Angesichts der hohen Immobilienpreise und von rund 4% Nettocashflow-Renditen ist es i der Schweiz heute schon fast unmöglich, Hotels rentabel zu betreiben.
Laut wüestpartner kostet der Quadratmeter Wohnfläche in der Schweiz etwa 7000 Franken. Ein Hotelzimmer beansprucht brutto rund 20 Quadratmeter. Bei einer Auslastung von (hohen) 60% sind das 33 Quadratmeter oder 230'000 Franken pro Gast. Die durchschnittliche Nettocashflowrendite von Immobilienanlagen beträgt (immer laut wüestpartner) 4,1%. Brutto, also inklusive Anlagebedingte Ausgaben, dürfte sie bei etwa 6% liegen. Grob gerechnet belaufen sich die Anlagekosten also auf 30 bis 50 Franken pro Nacht und Gast. Gemäss einen Bericht des Bundesrates haben sie 2011 nach Abzug zu Eigenkapitalzins und Unternehmerlohn im Schnitt einen Verlust 7,4% des Umsatzes erzielt.
Abwälzung der Fixkosten
Es ist also wohl kaum eine Übertreibung, wenn die Promotoren der Plattform-Ökonomie behaupten, dass die neuen Geschäftsmodelle die alten Märkte „disruptieren“. Doch leider liegt das bestenfalls zu einem kleinen Teil daran, dass die neuen Anbieter bessere Leistungen mit geringen Kosten erbringen und anbieten. Der Hauptgrund liegt vielmehr in der Abwälzung der Fixkosten auf eine alternative Einkommensquelle. Gerade im Hotelgewerbe ist dies nichts Neues. Da tummeln sich vor allem im Luxusbereich viele Anbieter, die es sich leisten können, einen Teil ihres Vermögens in einen Hotelbetrieb zu investieren. Die Rendite liegt dann allenfalls in der Wertsteigerung des Objekts. Unter den Airbnb-Gastgebern befinden sich auch viele solvente Mittelständer, die ihr Erspartes schon mal in einen Alterssitz investieren und die Unterhaltskosten mit Airbnb klein halten.
Nehmen wir einmal an, dass eine Wirtschaft bisher nach dem Vollkostenprinzip funktioniert hat. Nun werden 20% der lukrativen Aktivitäten in die Sharing-Ökonomie verlagert, wo die Kapital- und Arbeitskosten nur noch zu 50% auf die Konsumenten überwälzt werden. Doch damit fehlt den Anbietern das Geld, um die nötigen Investitionen zu tätigen, und um Löhne zu zahlen, die ihre Produktion absorbieren könnten. Damit fallen bei gleichem Angebot 10% der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage weg. Da nun aber auch die kommerziellen Anbieter angesichts der Konkurrenz ihre Löhne senken und ihre Renditeansprüche zurückstecken müssen, dürfte der Ausfall der Nachfrage noch grösser ausfallen. Zwar werden mit den Kosten auch die Preise sinken, was den Nachfrageausfall teilweise kompensiert. Aber das grundsätzliche Problem, dass nämlich ein kritischer Teil der Anbieter die Fixkosten ausblenden kann, ist dadurch nicht behoben.
Und noch etwas kommt hinzu. Durch die Vermittlungsleistung der Plattformen fallen die Fixkosten zwar nicht aus der volks-, wohl aber aus der betriebswirtschaftlichen Rechnung heraus. Damit winken den Null-Fixkosten-Anbietern selbst dann satte Gewinnmargen, wenn die Marktpreise unter die Vollkosten sinken sollten. Diese Beute müssen die Anbieter mit den Plattformen teilen. Da die Plattformen oft Monopolstellungen erringen, können sie bei der Beuteteilung ordentlich zulangen. Amazon Deutschland etwa verlangt eine Verkaufsgebühr von durchschnittlich 15%. Airbnb nimmt in der Regel 6 bis 12% vom Endpreis beim Gast und weitere 3% beim Gastgeber. Doch auch die Hotels müssen bluten. Gemäss dem Fachorgan "Hotteling" gelten in Deutschland 15% Provision bei Hotelbuchungsportalen als Durchschnitt. Die Höhe der Provision entscheidet darüber, wie gut das Hotel auf der Webseite des Vermittlers platziert ist. Bei booking.com, so Hotteling „werden zeitweise bis zu 50 Prozent an Buchungskommissionen bezahlt“. Plattformen kassieren somit einen Anteil an der Wertschöpfung, der in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihrem produktiven Beitrag steht. Sie erheben gleichsam eine private Steuer, deren Ertrag aber nicht in die Volkswirtschaft zurück fliesst.
Damit droht die Marktwirtschaft, am eigenen Erfolg zu scheitern. Sie hat in den letzten Jahrzehnten enorme Überkapazitäten sowohl an Kapital als auch an Arbeitskraft geschaffen. Dank der Digitalisierung bzw. den Plattformen treten nun diese bisher brauchliegenden Kapazitäten in Konkurrenz zu denen, die bisher noch kommerziell genutzt worden sind. Gleichzeitig wird dem Wirtschaftskreislauf Kaufkraft entzogen – durch zu tiefe Preise und durch eine weitere Konzentration der Einkommen. Das zunehmende Überangebot wiederum stärkt die Marktstellung der Plattformen. Sie sind das Nadelöhr, durch das die Anbieter durch müssen, wenn sie sich ihren Anteil an der schwindenden Nachfrage sichern wollen.
Was ist zu tun? Zunächst einmal darf man sich von dem dynamischen Gerede über die „disruptiven“ Geschäftsmodellen nicht blenden lassen. Gemäss Wikipedia versteht darunter neue Technologien, die anfänglich der alten unterlegen sind, deshalb von den eingesessenen Anbietern nicht ernst genommen, dafür aber von Aussenseitern zu Dumpingpreisen eingeführt werden. Damit rollen diese den Markt von unten her auf und disruptieren bzw. zerstören die alten Anbieter. Als Beispiele wird etwa die Verdrängung der Elektronenröhren durch die Halbleiter, etwa die Halbleiter, der Vinyl-Schallplatten durch die CDs oder der Dampfmaschinen durch den Benzinmotor genannt. Offenbar dynamisiert die Disruption unsere Wirtschaft. Warum sollten wir sie aufhalten?
Die Verdrängung der Hotels durch Airbnb, oder herkömmlichen Taxizentralen durch Uber passt nicht in dieses Schema. Warum? Weil der Preisvorteil nicht auf einen echten Kostenvorteil beruht, sondern auf der privaten Subventionierung der Fixkosten. Das ist zwar auch eine Disruption, aber keine, die einen volkswirtschaftlichen Vorteil bringt. Wollen wir die Marktwirtschaft retten, müssen wir die Sharing- bzw. Plattformindustrie sinnvoll regeln. Diese Diskussion muss damit anfangen, dass man das Problem erkennt.
Was kann man tun?
Über mögliche Lösungen muss noch diskutiert werden. Zwei Stossrichtungen scheinen aber jetzt schon klar: Arbeit, die über Plattformen vermittelt wird, muss genauso mit allen Sozialabgaben und Mehrwertsteuern belastet werden, wie kommerzielle Arbeit. Der Gesetzgeber kann nicht davon ausgehen, dass es sich dabei auch in Zukunft bloss um einen kleinen Zusatzerwerb handelt, der die Versorgungsansprüche nicht berührt. Zweitens muss man entweder für einen scharfen Preiswettbewerb zwischen den Plattformen sorgen. Falls dies – wie erwartet – unmöglich sein wird, braucht es Preiskontrollen. Die Provisionen dürfen zwar die Kosten decken, aber nicht viel mehr. Plattformen mögen zwar aus privater Initiative entstanden sein, aber sie haben den Charakter einer öffentlichen Dienstleistung – eines Service public – und müssen als solche behandelt werden.
©KOF ETH Zürich, 30. Jan. 2017