Der Migrationsdruck auf Europa hat zwar etwas nachgelassen, doch er wird auch in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit hoch bleiben. Die massive Immigration schürt Ängste und treibt viele Wähler in die Hände von Populisten. Umso wichtiger ist eine stärkere europäische Kooperation in der Flüchtlingspolitik, wie dieser Beitrag zeigt. Unruhen im Nahen Osten und Nordafrika führen zu einer großflächigen Vertreibung der dortigen Bevölkerung in Nachbarländer und zu Flüchtlingsströmen nach Europa.[ 1 ] Dies wird in Abbildung 1 veranschaulicht. Abbildung 1: Asylerstanträge Obwohl diverse Maßnahmen den Zustrom von Flüchtlingen im Jahr 2016 in die EU ein Stück weit eindämmten, bleiben die zugrundeliegenden Probleme bestehen und es besteht aus humanitären Gründen weiterhin Migrationsdruck nach Europa. Die Anzahl der vertriebenen Menschen ist enorm und zeugt von schwerem menschlichem Leid. Bedauerlicherweise sind großflächige Vertreibungen von Menschen aufgrund von Kriegen und Naturkatastrophen regelmäßig in verschiedensten Teilen der Welt zu beobachten. Im europäischen Kontext ist hier der Bosnienkonflikt in den 1990er Jahren zu nennen. Aktuell scheint die Situation jedoch eine andere zu sein. Der Konflikt in Bosnien folgte dem Fall des Eisernen Vorhangs und wurde allgemein für ein europäisches Dilemma gehalten.
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Der Migrationsdruck auf Europa hat zwar etwas nachgelassen, doch er wird auch in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit hoch bleiben. Die massive Immigration schürt Ängste und treibt viele Wähler in die Hände von Populisten. Umso wichtiger ist eine stärkere europäische Kooperation in der Flüchtlingspolitik, wie dieser Beitrag zeigt.
Unruhen im Nahen Osten und Nordafrika führen zu einer großflächigen Vertreibung der dortigen Bevölkerung in Nachbarländer und zu Flüchtlingsströmen nach Europa.[ 1 ] Dies wird in Abbildung 1 veranschaulicht.
Abbildung 1: Asylerstanträge
Obwohl diverse Maßnahmen den Zustrom von Flüchtlingen im Jahr 2016 in die EU ein Stück weit eindämmten, bleiben die zugrundeliegenden Probleme bestehen und es besteht aus humanitären Gründen weiterhin Migrationsdruck nach Europa.
Die Anzahl der vertriebenen Menschen ist enorm und zeugt von schwerem menschlichem Leid. Bedauerlicherweise sind großflächige Vertreibungen von Menschen aufgrund von Kriegen und Naturkatastrophen regelmäßig in verschiedensten Teilen der Welt zu beobachten. Im europäischen Kontext ist hier der Bosnienkonflikt in den 1990er Jahren zu nennen. Aktuell scheint die Situation jedoch eine andere zu sein. Der Konflikt in Bosnien folgte dem Fall des Eisernen Vorhangs und wurde allgemein für ein europäisches Dilemma gehalten. Die gegenwärtigen Konflikte entstehen außerhalb von Europa, in Gesellschaften deren Kultur viel fremder ist. Aufgrund dessen ist es schwieriger zu argumentieren, dass diese Konflikte Angelegenheiten sind, um die sich in erster Linie Europa kümmern sollte. Darüber hinaus hat der gegenwärtige Flüchtlingsstrom – auch wenn er nach Zahlen noch mit dem Höhepunkt des Bosnienkonfliktes in den 1990ern vergleichbar ist – seinen Ursprung in vielen verschieden und zudem dicht bevölkerten Gebieten, was die Frage nach der Aufnahmekapazität aufwirft.
Überall in Europa – und nicht nur im weit rechten Spektrum des politischen Diskurses – schürt die massive Immigration von kulturell (und oft auch äußerlich) sehr anderen Menschen Angst. Diese bezieht sich in erster Linie auf die Erhaltung nationaler Identitäten und Lebensweisen. Die aktuelle Flüchtlingskrise folgt zudem der Finanzkrise, von der sich viele europäische Länder noch immer nicht erholt haben und die den sozialen Zusammenhalt in Europa auf die Probe stellt. Kritische Stimmen werden laut, die sich nicht nur auf die Immigration von Flüchtlingen, sondern auch auf Arbeitsmigration und die Globalisierung beziehen. Viele europäische Volksparteien reagierten zu Beginn der Flüchtlingskrise langsam und in den Augen Vieler zudem unpassend. Dies ermöglichte es Populisten die Debatte wesentlich zu prägen. Mehr als jedes andere Thema, ist der Kampf gegen Immigration zu ihrem zentralen Wahlkampfthema geworden.
Wichtige allgemeine Bemerkungen
Über das letzte Jahr hinweg war die Flüchtlingskrise zentrales Thema der öffentlichen Debatte in Europa. Dies setzt Politiker unter steigenden Handlungsdruck. Allerdings ist es entscheidend, überlegt zu handeln und die langfristigen Auswirkungen von politischen Antworten in deren Bewertung einzubeziehen. Zunächst sollten es die EU-Länder vermeiden, Maßnahmen zu treffen, welche die Krise in bereits destabilisierten Ländern verschlechtern oder neue Brandherde zur Folge hätten. Zusätzlich sollte, je nach Machbarkeit, betroffenen und potentiell betroffenen Ländern Hilfe bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft angeboten werden. Dies würde die Migrationsanreize reduzieren. Der Schlüssel hierzu ist es, Handel mit und Investitionen in diese Ländern zu ermöglichen. Eine wichtige, komplementäre Maßnahme wäre zudem einen größeren Teil der Entwicklungshilfen für die Verbesserung von Bildung zu verwenden.
Derart allgemeine und langfristige Überlegungen sind wichtig, ersetzen aber keine konkrete Flüchtlingspolitik. Auch wenn der Migrationsdruck zuletzt etwas nachgelassen hat (unter anderem, aufgrund der Vereinbarung der EU mit der Türkei), muss diese Entspannung nicht von Dauer sein. Demnach ist es dringend nötig eine kohärente politische Antwort zu entwickeln.
Flüchtlingspolitik: Ein Plädoyer für europäische Kooperation
Flüchtlingspolitik ist ein klarer Fall für politische Kooperation auf europäischer Ebene. Das letztendliche Ziel ist humanitärer Art, nämlich Menschen, vertrieben von Kriegen, Konflikten oder Naturkatastrophen zu helfen und gleichzeitig Wohlstand und Stabilität der Gastländer zu bewahren. Eine europäische Antwort sollte, um langfristig durchsetzbar zu sein, die Last zwischen den Mitgliedsländern gerecht verteilen. Das kann nur durch Kooperation erreicht werden. Derzeit ist die europäische Politik allerdings von einer unkooperativen Vorgehensweise gekennzeichnet. Die einzelnen Länder schlagen verschiedene Richtungen ein um den Zufluss von Migranten zu senken. Abbildung 2 zeigt die signifikante Diskrepanz in Asylverfahren zwischen EU-Ländern.
Abbildung 2: Wartezeit Entscheidung Asylantrag
Der Zusammenbruch des europäischen Migrationssystems kam nicht überraschend, da es von Anfang an nicht vollkommen ausgestaltet worden war (vergleiche European Commission, 2016; European Union Agency for Fundamental Rights, 2016). Ein Kernelement ist die Dublin Verordnung, der zufolge die Zuständigkeit für einen Asylantrag bei demjenigen Mitgliedsland liegt, in dem der Immigrant die EU betritt. Ohne einen geeigneten Verteilungsmechanismus ist dieses System im Fall von Massenmigration zum Scheitern verurteilt, da es den Grenzländern eine übermäßige Last aufbürdet. Ein ausgeklügelter Aufteilungsmechanismus, der alle EU-Länder einbezieht, und der es den einzelnen EU-Ländern erlaubt zu bestimmen, wer aufgenommen wird, senkt jedoch die Anreize für Grenzländer die Einreise zu kontrollieren. Außerdem kann eine Person, sobald sie in einen Schengenstaat aufgenommen worden ist, auch in andere europäische Länder weiterziehen. Somit können Entscheidungen einzelner Länder, Flüchtlinge aufzunehmen zu negativen Externalitäten für andere führen. Aus diesem Grund muss ein Verfahren entwickelt werden, dem gemeinsame Aufnahmeregeln und -kriterien zur Gewährung von Asyl zu Grunde liegen (einschließlich sicherer Drittländer) sowie eine zeitkonsistente Verteilungsregel, die bestimmt wie die Last zwischen den Ländern verteilt wird.
Mögliche Elemente einer praktikablen, kooperativen Lösung
Ein praktikables Verfahren setzt voraus, dass zwei Schlüsselfaktoren anerkannt werden: Erstens, das aktuelle Verfahren neigt dazu illegale Immigration zu fördern. Zweitens, Migranten sind von verschiedenen Motiven geleitet. Das führt zu dem wichtigen, aber schwierigen Problem der Unterscheidung zwischen denjenigen, die einen legitimen Grund haben Asyl zu beantragen und jenen, die keine dringenden humanitären Bedürfnisse haben.
Gemäß der Genfer Konvention muss ein Flüchtling das Hoheitsgebiet eines Landes betreten, um Asyl beantragen zu können. Infolgedessen, setzen die meisten Flüchtlinge auf inoffizielle Migrationskanäle. Dies ist ein starkes Argument für die Entwicklung ausgewiesener Zentren für Asylanträge, in Ländern außerhalb der EU und in der Nähe (aber außerhalb) von Konfliktzonen. Das würde die Anreize für Flüchtlinge senken auf gefährliche Migrationskanäle zurückzugreifen, um ihre Zielländer zu erreichen und somit sowohl die menschlichen, als auch die finanziellen Kosten für die Flüchtlinge senken. Dieser Ansatz ist außerdem reizvoll, weil er den unkontrollierbaren Zustrom von Menschen in die EU bremsen würde. Allerdings ist er fordernd hinsichtlich der benötigten Ressourcen und setzt eine umfassende Kooperation voraus – sowohl innerhalb der EU, als auch mit den Ländern, die solche Zentren beherbergen.
Des Weiteren sollten die EU-Länder ihre Initiativen in Bezug auf Flüchtlinge mit den Ländern, die an die EU angrenzen, koordinieren. Eine enge Koordination mit den Westbalkanländern besteht bereits und sollte weiter vertieft werden. Die Region sollte außerdem ermutigt werden, intern zu kooperieren und schlussendlich, wenn sie weitere wirtschaftliche und politische Fortschritte macht, in die EU integriert werden. Das würde eine zusammenhängende, klar definierte Außengrenze der EU schaffen, die einfacher zu sichern wäre als es aktuell der Fall ist.
Eine besonders heikle Problematik ist der Umgang mit der Türkei. Aktuell ist die Türkei die Heimat von über 60% aller syrischen Flüchtlinge (vergleiche Del Carpio and Wagner, 2015). Die Vereinbarung mit der EU besagt, dass türkische Staatsbürger das Recht auf visumsfreie Einreise in die EU erhalten sollen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Türkei eine schnell wachsende Volkswirtschaft mit einer großen Anzahl gut ausgebildeter Individuen ist, ist das grundsätzlich eine gute Idee. Es scheint keine andere, vernünftige Alternative zu geben, um der Türkei entgegenzukommen und mit ihr zu kooperieren. Auf der anderen Seite ist es nicht klug die Visaanforderungen für türkische Staatsbürger ohne eine deutlich Verbesserung der Menschenrechtssituation in diesem Land vollständig aufzuheben. Anderenfalls ist es wahrscheinlich, dass eine visumfreie Reisevereinbarung mit der Türkei zu einem neuen Flüchtlingsstrom in die EU führt, und zwar aus der Türkei selbst.
Die “Flüchtlingsblase” zum Platzen bringen
Auch wenn es zunächst im Widerspruch mit den humanitären Zielen zu stehen scheint, ist eine effektive Beurteilung von Personen, die den Flüchtlingsstatus anstreben entscheidend für das langfristige Funktionieren des Verfahrens. Es ist wichtig zu verstehen, dass Flüchtlingsströme, ausgelöst durch Konflikte und Kriege, häufig auch Migranten mit sich bringen, die die Kriterien für Asyl nicht erfüllen, aber zum Beispiel extremer Armut entfliehen. Solch eine Beurteilung erfordert klar definierte und von allen europäischen Mitgliedern in gleicher Weise angewandte Regeln. Die aktuelle Situation mit unklaren und unterschiedlichen Regeln und Vorgehensweisen zwischen europäischen Ländern hinweg schafft “regulatorische Arbitrage-Möglichkeiten”, die die Situation definitiv nicht verbessern.
Ein zentrales Risiko ist der “Blaseneffekt”. Erinnern wir uns an die späten 1990er Jahre und die sogenannte dotcom-Blase. Getrieben von dem Verlangen nach schnellem Profit, dem Medienrummel und dem Gerede der Clinton-Regierung von einer “New Economy”, die nicht auf wirtschaftlichen Fundamentaldaten beruhte, glaubten die Leute, dass die Preise von dotcom-Firmen ewig steigen würden. Aus diesem Grund war ein Großteil der Bevölkerung davon überzeugt entweder selbst ein Internet Start-Up gründen zu müssen, oder zumindest Anteile an solchen Unternehmen zu erwerben, um nicht abgehängt zu werden. Durch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung schnellten die Aktienpreise von Internetunternehmen in die Höhe. Damit sich die Blase aufblähen konnte, mussten die Leute aufhören rationale Entscheidungen zu treffen und enorme, ungerechtfertigte finanzielle Risiken einzugehen, nur weil es alle anderen auch taten. Alan Greenspan, ehemaliger Vorsitzender der amerikanischen Zentralbank, warnte 1998 vor “irrationaler Überschwänglichkeit”, schaffte es aber nicht die Blase zum Platzen zu bringen. Es besteht eine ernstzunehmende Gefahr, dass etwas Ähnliches mit der Flüchtlingssituation in Europa passieren könnte, falls Erwartungen nicht in korrekter Art und Weise gelenkt werden.
Wenn ein Bruchteil der Bevölkerung kriegszerrütteter Länder in oder nahe Europa Asyl in Europa beantragt, kann der Kontinent die Situation bewältigen. Dies hat er bei mehreren Gelegenheiten, mitunter den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien gezeigt. Zuflucht zu bieten ist sowohl eine menschliche und auch eine rationale Handlung. Es ist genauso rational für die betroffenen Menschen Hilfe zu suchen. Zuletzt jedoch, insbesondere nach Angela Merkels “Wir schaffen das”, begann sich die Erwartungen zu bilden, dass Deutschlands (und im weiteren Sinne Europas) Aufnahmekapazität für Flüchtlinge praktisch unbegrenzt sei. Dies wiederum verleitete eine große Anzahl von Menschen, die nicht direkt von den Konflikten betroffen waren, dazu Asyl zu beantragen. Es begann sich so etwas wie eine Blase zu bilden. Mehr und mehr Leuten erschien es so, als ob sie sofort auswandern müssten, um diese Chance nicht verstreichen zu lassen. Dabei nahmen sie enorme und häufig völlig ungerechtfertigte Risiken auf sich. Es ist wichtig, dass europäische Staatsoberhäupter derartige Erwartungen klar steuern und die Blase zum Platzen bringen. Dies bedarf klarer und transparenter Regeln für die Gewährung von Asyl und gemeinsamer Kriterien für sichere Herkunftsländer, in denen die Menschen nicht unmittelbar bedroht sind. Derartige politische Maßnahmen mögen Manchem als gefühllos erscheinen, aber tatsächlich würden sie viele Leben retten. Das Beispiel des Westbalkans im letzten Jahr zeigt, dass diese Vorgehensweise funktionieren kann.
Zudem sollten die Gesetze zu illegalen Grenzüberschreitungen oder dem Reisen ohne Pass und insbesondere zum Menschenhandel in ganz Europa stark verschärft werden. Dies ist von höchster Wichtigkeit, um organisiertes Verbrechen zu bekämpfen und die mögliche Infiltrierung durch Terroristen zu verhindern. Die nationalen europäischen Polizeikräfte sollten eng miteinander kooperieren. Einfach ausgedrückt heißt das, dass Europa seine Grenzen sichern sollte.
Eine gerechte und anreizverträgliche Lastenverteilung
Ein umsetzbares Verteilungssystem zwischen den EU-Ländern zu entwickeln bringt schwierige Fragen mit sich. Zum Beispiel könnten Flüchtlinge in ein bestimmtes Land einreisen wollen, das sie aber nicht aufnehmen will. Wenn die Anzahl der Asylsuchenden unter der nationalen Aufnahmekapazität liegt, ist dies kein großes Problem. Allerdings gilt dies nicht für Zeiten in denen ein massiver Flüchtlingszustrom auftritt. Deshalb ist es vernünftig, dass Länder eine gewisse Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen haben. Allerdings haben Länder einen Anreiz diese Grenze so niedrig wie möglich zu setzten, um die Last auf andere Länder umzuwälzen.
Eine mögliche Lösung dafür ist, dass alle EU-Länder zu einem gemeinschaftlichen “Flüchtlingsfonds” beitragen (berechnet zum Beispiel auf Basis des relativen BIPs). Die Größe des Fonds wäre davon abhängig, wie viele Flüchtlinge insgesamt unter gemeinsam aufgestellten Kriterien in die EU aufgenommen werden. In diesem Verfahren würden Flüchtlinge zum Beispiel drei Länder vorschlagen, in die sie einreisen würden (nach ihrer Präferenzordnung). Länder, die sie aufnehmen, würden dann aus dem Fonds kompensiert werden. Die Idee ist eine weitestgehend anreizkompatible Verteilungsregel zu entwickeln. Ein derartiges Verfahren würde das Recht der Mitgliedsstaaten, den Zustrom von Asylsuchenden zu bestimmen, bewahren und gleichzeitig sicherstellen, dass niemand auf Kosten der gemeinsamen Politik Trittbrett fahren kann. Es lohnt sich zu betonen, dass das EU-Ansiedlungsabkommen von 2015 in dieser Hinsicht unzureichend war; so wollten nicht nur manche Länder keine Flüchtlinge aufnehmen, sondern in manchen Fällen, wollten Flüchtlinge auch nicht in diese Länder ziehen. Außerdem ist es wichtig daran zu denken, dass, solange das Schengen-Abkommen in Kraft ist, die Verteilung von Flüchtlingen in ein bestimmtes Land nicht bedeutet, dass diese dort bleiben werden, wenn sie das nicht wollen.
Mehr Europa oder weniger Europa?
Wir haben uns auf mögliche Lösungsansätze für die Flüchtlingskrise konzentriert, denen der Gedanke “Mehr Europa” zu Grunde liegt. Sollte sich jedoch herausstellen, dass keine Koordination möglich ist, gibt es eine andere Lösung, deren Denkansatz “Weniger Europa” wäre. Im letzteren Fall könnten die europäischen Länder versuchen ihre eigenen Grenzen zu sichern, oft unter Nichtbeachtung des Wohlergehens anderer (teilweise geschieht das bereits). Dies ist eine schlechtere Lösung, denn sie ist kostspielig und wird wahrscheinlich letztendlich zur Auflösung des Schengener Abkommens, einer der Haupterrungenschaften der EU bis heute, führen. Zudem könnte sie zu diversen Missverständnissen und Konflikten zwischen europäischen Ländern führen. Die größten Hindernisse für eine kooperative Lösung sind politischer Natur. Viele Länder bevorzugen eine opportunistische Herangehensweise, indem sie eng definierte, kurzfristige nationale Interessen verfolgen, obwohl dies die Dinge in der langen Frist für alle Beteiligten schwieriger machen könnte.
Literatur
Del Carpio, X. V. and M. Wagner (2015), “The Impact of Syrian Refugees on the Turkish Labor Market,” World Bank Policy Research Working Paper 7402.
European Commission (2016), “Completing the Reform of the Common European Asylum System: Towards an Efficient, Fair and Humane Asylum Policy,” Press Release, 13 July.
European Union Agency for Fundamental Rights (2016), Handbook on European Law Relating to Asylum, Borders and Immigration, Publications Office of the European Union, Luxembourg.
- 1 Dieser Beitrag ist eine Übersetzung der im englischen erschienenen Kurzfassung zum Artikel: Andersen, Torben M., Giuseppe Bertola, John Driffill, Clemens Fuest, Harold James, Jan-Egbert Sturm und Branko Uroševic, Chapter 4: Immigration and the Refugee Crisis – Can Europe Rise to the Challenge?, EEAG Report on the European Economy 2017, CESifo, München 2017, S. 82–101.
©KOF ETH Zürich, 14. Mär. 2017