Nach nahezu einem Jahrzehnt historisch niedriger Leitzinsen und einer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik mehren sich die Anzeichen einer anstehenden Normalisierung in der Eurozone. Selbst wenn es vor 2019 zu keiner Zinswende, die den geldpolitischen Spielraum der EZB vergrößerte, kommen dürfte, steht für 2018 der Einstieg aus dem Ausstieg aus dem mehr als zwei Billionen Euro umfassenden Asset Purchase Programme an. Dieser Beitrag diskutiert die Auswirkungen, die eine derartige Maßnahme unweigerlich nach sich zöge. Zaghafte Anzeichen einer Normalisierung Nach nahezu einem Jahrzehnt historisch niedriger Leitzinsen und einer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik mehren sich die Anzeichen einer anstehenden Normalisierung der Geldpolitik in der Eurozone. Eine solche Entwicklung
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Nach nahezu einem Jahrzehnt historisch niedriger Leitzinsen und einer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik mehren sich die Anzeichen einer anstehenden Normalisierung in der Eurozone. Selbst wenn es vor 2019 zu keiner Zinswende, die den geldpolitischen Spielraum der EZB vergrößerte, kommen dürfte, steht für 2018 der Einstieg aus dem Ausstieg aus dem mehr als zwei Billionen Euro umfassenden Asset Purchase Programme an. Dieser Beitrag diskutiert die Auswirkungen, die eine derartige Maßnahme unweigerlich nach sich zöge.
Zaghafte Anzeichen einer Normalisierung
Nach nahezu einem Jahrzehnt historisch niedriger Leitzinsen und einer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik mehren sich die Anzeichen einer anstehenden Normalisierung der Geldpolitik in der Eurozone. Eine solche Entwicklung bleibt mit erheblicher Unsicherheit behaftet. So geht die große Mehrheit der Marktteilnehmer zwar davon aus, dass die EZB 2018 mit einem Ausstieg aus dem Quantitative Easing, also dem sog. Tapering beginnen wird, doch ist dies nicht gleichbedeutend mit einer vollständigen Normalisierung der Geldpolitik. Nach Maßgabe des Future-Marktes ist die implizierte Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung bis Ende 2018 von noch 90% vor sechs Monaten auf nunmehr lediglich 42% und damit einen neuen Tiefstand gefallen. Die implizierte Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung bis Mitte 2018 liegt sogar bei nur 6%. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die große Mehrheit der Marktteilnehmer vor 2019 keine Zinswende der EZB erwartet.
Tapering der Ankaufprogramme
In den Einleitenden Bemerkungen der Pressekonferenz der EZB am 7. September 2017 heißt es: "Was die geldpolitischen Sondermaßnahmen betrifft, so bestätigen wir, dass der Nettoerwerb von Vermögenswerten, im derzeitigen Umfang von monatlich 60 Mrd. €, bis Ende Dezember 2017 oder erforderlichenfalls darüber hinaus erfolgen soll und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht". Mit anderen Worten: Solange sich die HVPI-Inflation in der Eurozone, also die Entwicklung des harmonisierten Verbraucherpreisindex, nicht nachhaltig in Richtung des Ziels der EZB von "below, but close to, 2% over the medium term" bewegt, ist nicht von einer Abkehr der ultraakkomodierenden Geldpolitik auszugehen. Danach sieht es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht aus: Im August 2017 stieg die HVPI-Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat um lediglich 1,5% an. Die Kerninflation nahm sogar um nur 1,2% zu.
Sollte sich die HVPI-Inflation in den kommenden Monaten jedoch nahe ihres Zielwerts stabilisieren und die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone an weiterem Momentum gewinnen, könnte die EZB das Volumen ihrer Ankaufprogramme, welche per Ende August 2017 bereits einen Umfang von insgesamt 2.013,2Mrd. € erreicht hatten, ab 2018 sukzessive reduzieren. Marktteilnehmer rechnen damit, dass die EZB das Volumen der Anleihekäufe ab Anfang 2018 schrittweise um etwa 10 Mrd. € bis 20 Mrd. € je Monat reduzieren könnte, sodass die Nettokäufe zum Jahresende auf Null sänken. Dies wäre ein erster Schritt Richtung Normalisierung der Geldpolitik.
Gleichwohl sehen die geldpolitischen Beschlüsse der EZB ein hohes Maß an Flexibilität vor. So heißt es: "Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Korrektur der Inflationsentwicklung im Einklang stehen, so ist der EZB-Rat bereit, das Programm im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer auszuweiten". Ein Ende der ultraakkomodierenden Geldpolitik ist also bei Weitem noch keine ausgemachte Sache – besonders dann, wenn die Inflationserwartungen in der Eurozone in den kommenden Monaten (weiterhin) deutlich hinter den Erwartungen der EZB zurückbleiben.
Aus Sicht zahlreicher Marktteilnehmer gilt eine Reduzierung der Wertpapierkäufe als gleichermaßen unumgänglich wie überfällig. Insbesondere beim Ankauf weiterer Staatsanleihen, allen voran Bundesanleihen, drohten der EZB sonst regulatorische Hürden: Schon ab Mitte 2018 könnte sie an ihre selbstgesetzte Grenze für Käufe (in der Regel nicht mehr als 33% der begebenen Anleihen eines Emittenten) stoßen. Zudem ist bereits seit geraumer Zeit ein spürbarer Rückgang in der Liquidität der Rentenmärkte der Eurozone zu beobachten.
Als weiteres Indiz einer zaghaften Normalisierung der Geldpolitik kann die Entwicklung des EONIA, d.h. des auf Basis tatsächlich getätigter Umsätze berechneten Durchschnittszinssatzes für Tagesgeld im Euro-Interbankengeschäft, gelten. Hieraus lässt sich ableiten, dass Marktteilnehmer für 2018 zwei Anhebungen des Satzes der Einlagefazilität der EZB in Höhe von jeweils 10Bp von -0,4% auf dann -0,2% erwarten. Auch wenn diese Entwicklung zunächst nur von untergeordneter Bedeutung erscheinen mag, hat sie insbesondere für die in der Eurozone ansässigen Geschäftsbanken eine hohe Relevanz: Ein derartiger Zinsschritt entspräche de facto einer Halbierung des "Strafzinses", welcher gegenwärtig auf das sog. Overnight Money zu entrichten ist. Spekulationen darüber, dass dies zu einer nachhaltigen Änderung der Kreditvergabe der Banken führte, sind gleichwohl fehl am Platze. Und selbst wenn eine schrittweise Anpassung der Einlagefazilität einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, ist es noch verfrüht, diesbezüglich von einer Normalisierung der Geldpolitik der EZB zu sprechen.
Hohe Inflationsraten als Relikt der Vergangenheit?
Ziel der EZB ist es, durch ihre Geldpolitik die Inflationsrate in der Eurozone auf "below, but close to, 2,00% over the medium term" zu bringen. Gleichwohl mehren sich Hinweise darauf, dass eine Rückkehr zu deutlich höheren Inflationsraten (in der Eurozone) in Anbetracht der weltwirtschaftlichen Lage zumindest in der mittleren Frist unwahrscheinlich ist. Hierfür sprechen gleich mehrere Gründe:
So kam es infolge der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland, beispielsweise, zu einem spürbaren Rückgang der Arbeitslosigkeit. Im Sommer 2017 stand die Arbeitslosenquote auf einem Rekordtiefstand von nur 5,5%. Auch in anderen Mitgliedsstaaten der Eurozone waren Rückgänge der jeweiligen Arbeitslosenquoten auf durchschnittlich nur noch 7,7% zu beobachten. Ceteris paribus gehen mit einer solchen Entwicklung höhere Lohnforderungen und -abschlüsse einher, was sich gemäß der Lohn-Preis-Spirale mittelfristig in einer höheren Inflationsrate niederschlägt. Doch trotz des deutlichen Rückgangs der Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren bleibt das Lohnwachstum in der Eurozone weiterhin gedämpft. Im letzten Quartal 2016 lag der Zuwachs, preisbereinigt und auf das Jahr gerechnet, bei lediglich 1,60%. Dieser Wert liegt deutlich unterhalb des historischen Durchschnitts und ist zu gering, um die Inflation in der Eurozone nachhaltig zu stimulieren. Ebenfalls dämpfend auf die Inflation in der Eurozone erweist sich die Arbeitsproduktivität. Diese berechnet sich als Quotient aus dem BIP und dem Arbeitsvolumen. Während dieser zwischen 1996 und 2006 noch um durchschnittlich 1,7% im Jahr stieg, lag der Zuwachs zwischen 2006 und 2016 bei jährlich nur noch 0,7%.
Auswirkungen auf die Aktienmärkte
Ungeachtet der Vielzahl der zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Bewertungsmethoden geht mit einem Anstieg des Leitzinses ceteris paribus eine Korrektur auf den Aktienmärkten einher. In Anbetracht der unverändert hohen Bewertungen an den Märkten scheint dieses Risiko bisher jedoch erst unvollständig eingepreist zu sein. Dies deutet darauf hin, dass Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Zinsanstiegs in der Eurozone (zumindest bisher) in der kurzen Frist für noch vergleichsweise gering erachten.
Infolge höherer Zinsen verteuert sich die (Re-)Finanzierung der Unternehmen. Dadurch sinkt ihre Rentabilität. Stehen im Rahmen einer Zinswende gleich mehrere Zinsschritte an (wie zuletzt in den USA zu beobachten), sinkt die relative Attraktivität von Dividendenpapieren gegenüber festverzinslichen Anleihen. Dies zöge unweigerlich eine Umschichtung der Portfolios der Anleger nach sich: Aktien werden zugunsten neu emittierter Anleihen abgestoßen.
In dem Maße, in dem die EZB das Volumen ihrer Ankaufprogramme ab Anfang 2018 reduzieren dürfte, sollte ceteris paribus auch die Wachstumsrate der Geldmenge zurückgehen. In Anbetracht der Tatsache, dass dem Markt dadurch Liquidität entzogen wird, die zuvor auf der Suche nach Rendite in vergleichsweise liquide Anlageformen floss, könnte diese Entwicklung, so denn noch nicht vollständig eingepreist, zu einer (verhaltenen) Korrektur auf den Aktienmärkten der Eurozone führen. Sollte es 2018 in Anbetracht von Inflationsraten, die (weit) hinter den Erwartungen der EZB zurückbleiben, jedoch zu einer Verschiebung des Taperings kommen, liefe die Geldpolitik der EZB Gefahr, die teilweise bereits sehr positive Entwicklung auf den Märkten weiter zu begünstigen. In dem Maße, in dem noch mehr günstiges Geld in die Märkte flösse (und die Bewertung verzerrte), würde u.U. einer weiteren Blasenbildung Vorschub geleistet.
Auswirkungen auf die Anleihemärkte
Eine Zinswende, bzw. der damit einhergehende Einstieg in einen Zinserhöhungszyklus, wird sich ceteris paribus als zunächst nachteilig für die Anleihemärkte der Eurozone erweisen. Schätzungen zufolge reduzierten die Käufe der EZB die Renditen nordeuropäischer Staatsanleihen seit März 2015 um bis 60 Bp; jene südeuropäischer Emittenten sogar noch stärker. In Anbetracht dieser Größenordnung könnte ein allzu abrupter Ausstieg aus dem Asset Purchase Programme zu Turbulenzen an den Märkten führen. So war bereits im Sommer 2017 infolge der Spekulation auf eine Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe seitens der EZB ein genereller Anstieg der Renditen zu beobachten.
In der Folge käme es zu teils weitreichenden Umschichtungen in den Portfolios der Marktteilnehmer: Da neu emittierte Anleihen einen höheren Kupon aufweisen müssen, um möglichen Alternativen am Kapitalmarkt gegenüber attraktiv zu bleiben, wären bereits ausgegebene Papiere mit einem niedrigeren Kupon immer weniger reizvoll. In Erwartung einer solchen Entwicklung beginnen Anleger, diese Papiere frühzeitig abzustoßen. Um Käufer für die niedrig verzinsten Anleihen zu finden, sehen sich Verkäufer genötigt, höhere Renditen zu bieten bzw. Kursverluste zu akzeptieren. Kurz: Ein Ausstieg aus dem Asset Purchase Programme der EZB wird unweigerlich ein Steepening der Zinsstrukturkurven der Eurozone bewirken.
Entsprechende Reaktionen der Marktteilnehmer (das sog. Taper Tantrum) wurden im Vorfeld des Ausstiegs der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) aus ihrem QE-Programm im Mai 2013 deutlich. Andeutungen von Ben Bernanke, dem damaligen Vorsitzenden des Board of Governors des Federal Reserve Systems, dass die Fed ihr im September 2012 begonnenes Programm zum Ankauf von Anleihen bereits kurzfristiger als zunächst erwartet auslaufen lassen könnte, verunsicherten die Märkte nachhaltig. In der Folge kam es weltweit zu einem Ausverkauf an den Anleihe- und später auch Aktienmärkten. Kursverluste respektive Renditeanstiege der Anleihen bescherten Investoren starke Verluste. Zwischen Mai und November 2013 stieg die Rendite zehnjähriger Treasuries um mehr als 100 Bp. Marktteilnehmer waren uneins, ob ein (schrittweises) Beenden des QE zu positiven oder negativen Auswirkungen führte. Ein vermeintliches Abrücken von der im Mai erklärten Politik vergrößerte die Unsicherheit ab September 2013. Im Dezember 2013 schließlich beschloss das Federal Open Market Committee (FOMC), den Umfang der monatlichen Anleihekäufe von 85Mrd. $ um monatlich 10Mrd. $ zu reduzieren, solange sich der Zustand der US-Wirtschaft weiter verbesserte. Im Oktober 2014 beendete die Fed ihr QE.
Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass sich diese Entwicklung in der Eurozone wiederholen wird, zeigen die seitens der Fed gesammelten Erfahrungen, welche Risiken mit einer Normalisierung der Geldpolitik einhergehen.
Auswirkungen auf den Wechselkurs
Als gesichert kann gelten, dass die Erhöhung des Leitzinses in der Eurozone zu einer Aufwertung des Außenwerts des Euro gegenüber anderen Währungen führte. Zu dieser Entwicklung kam es im Sommer 2017, als der Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar innerhalb weniger Wochen um über 7% von 1,12 EUR/USD im Juli auf über 1,20 EUR/USD im September 2017 stieg.
Diese Entwicklung stellt eine Herausforderung für die EZB dar: Die Aufwertung des Euro dürfte einen dämpfenden Effekt auf die Inflationsrate haben. Schätzungen zufolge senkt allein eine 10%-ige Aufwertung des Wechselkurses die HVPI-Inflation um jährlich 40 Bp. Und in dem Maße, in dem die Geldpolitik der Fed und der EZB zunehmend synchron verlaufen, dürfte der EUR/USD-Wechselkurs in den kommenden Jahren einem weiter aufwertenden Trend folgen und sich von dem zuletzt unterbewerteten Niveau erholen.
Die Aufwertung des Euro könnte also einer geldpolitischen Straffung entgegenstehen; verteuert sie doch Exporte der Eurozone (und verbilligt entsprechend Importe). Für Verbraucher erscheint diese Entwicklung zunächst vorteilhaft, da sich in US-Dollar gehandelte Importe wie z.B. Rohöl spürbar verbilligen. Infolge des in der heimischen Währung jetzt höheren Preises wird aber die Nachfrage nach in Euro gehandelten Exporten, wie z.B. Fahrzeugen deutscher Hersteller in den USA, zurückgehen. Unternehmen setzen außerhalb der Eurozone also weniger ab, was sich mittel- bis langfristig negativ auf die Beschäftigung im Heimatland (also der Eurozone) auswirkt. Vor diesem Hintergrund war der vergleichsweise schwache Außenwert des Euro durchaus willkommen (Ende 2016 notierte der Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar bei nur 1,05 EUR/USD); beflügelte die Nachfrage nach vergleichsweise günstigen Exporten doch das wirtschaftliche Wachstum der Eurozone.
Diese Entwicklung mag einer der Gründe dafür sein, dass sich die EZB hinsichtlich einer Zinswende bisher eher zögerlich zeigte. Zu groß – und nicht von der Hand zu weisen – ist die Befürchtung, dass eine weitere Aufwertung des Euro die noch immer zaghafte wirtschaftliche Genesung gefährdete. Doch in dem Maße, in dem die wirtschaftliche Genesung der Eurozone voranschreitet, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die EZB ihre Geldpolitik strafft.
Vor die Kurve gelangen
Bis zu einer vollständigen Normalisierung der Geldpolitik der EZB dürfte noch einige Zeit vergehen. Die wirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb der Eurozone sind schlicht zu heterogen, als dass sie eine abrupte Straffung der geldpolitischen Zügel zuließen. So gehen Marktteilnehmer davon aus, dass ab 2018 in einem ersten Schritt das Volumen der monatlichen Käufe von Anleihen im Rahmen des Asset Purchase Programme reduziert werden wird. Eine tatsächliche Erhöhung des Leitzinses, also der sog. Lift-Off, wird frühestens 2019 erwartet.
Dabei ist ein solcher Schritt überfällig. Denn erstens beschleunigte dies die Sanierung des nach wie vor verletzlichen europäischen Bankensektors. Dessen Gewinne hängen entscheidend von der Zinsspanne ab; diese wiederum von der Höhe des Hauptrefinanzierungszinssatzes. Und je niedriger dieser ausfällt, desto geringer ist der Abstand zwischen Soll- und Habenzinsen. Zweitens, auch wenn aktuell nur wenig darauf hindeutet, droht der Eurozone irgendwann erneut eine wirtschaftliche Schwächephase. Um deren Auswirkungen abzufedern, sollte die EZB über einen gewissen Spielraum zur Senkung des Leitzinses verfügen – um auf diese Art und Weise die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln. Bei einem Nullzins ist dies jedoch nicht möglich.
Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, dass die Reaktionen auf den Geld- und Kapitalmärkten der Eurozone so eindeutig ausfallen werden wie oben beschrieben. Vielmehr wird es zu Überlagerungen und einem Nebeneinander kommen, was einzelne Auswirkungen verstärkt; andere hingegen abmildern wird. In Anbetracht der Uneinigkeit ob der Auswirkungen einer Normalisierung versucht die EZB nicht von ungefähr die Erwartungen der Marktteilnehmer zu steuern und diese frühzeitig auf Änderungen ihrer Geldpolitik vorzubereiten. Etwaigen Überraschungen soll vorgebeugt werden, damit die unausweichlichen Anpassungsprozesse auf den Märkten möglichst verhalten ausfallen.
Von entscheidender Bedeutung in diesem Kontext ist, dass es der EZB gelingt, wieder "vor die Kurve" zu gelangen, d.h. ihre Geldpolitik aktiv zu gestalten – anstatt lediglich auf die Ereignisse am Markt zu reagieren.
©KOF ETH Zürich, 12. Sep. 2017