Saturday , November 2 2024
Home / Ökonomenstimme / Internet frisst Wettbewerb

Internet frisst Wettbewerb

Summary:
Das Aufkommen des Internets hat schon zu vielen Illusionen verleitet. So glaubte man auch, dass Märkte dadurch transparenter würden und immer effizienter funktionierten. Doch das wird Illusion bleiben. In der digitalen Wirtschaft eröffnen sich für Grossunternehmen phantastische Chancen, eine marktbeherrschende Stellung zu erobern und Markttransparenz zu verhindern, wie dieser Beitrag zeigt. Ein wirklich perfekt funktionierender Markt, wo viele Anbieter dasselbe Gut in vollständiger Konkurrenz zueinander anbieten, war für Unternehmen schon immer unattraktiv.[ 1 ] Es ist geradezu ein Kennzeichen der wirtschaftlichen Entwicklung, dass solche Märkte nach und nach verdrängt werden. Am ehesten findet man sie noch in Entwicklungsländern, wo unzählige kleine Händler einer neben dem

Topics:
Mathias Binswanger considers the following as important:

This could be interesting, too:

Swiss National Bank writes 2024-11-01 – Data portal – Interest rates and exchange rates, November 2024

investrends.ch writes Fielmann wächst dank US-Zukäufen – Aktie unter Druck

investrends.ch writes Preise für Renditeliegenschaften steigen erneut

investrends.ch writes abrdn Investments lanciert ersten ETF an der SIX

Das Aufkommen des Internets hat schon zu vielen Illusionen verleitet. So glaubte man auch, dass Märkte dadurch transparenter würden und immer effizienter funktionierten. Doch das wird Illusion bleiben. In der digitalen Wirtschaft eröffnen sich für Grossunternehmen phantastische Chancen, eine marktbeherrschende Stellung zu erobern und Markttransparenz zu verhindern, wie dieser Beitrag zeigt.

Ein wirklich perfekt funktionierender Markt, wo viele Anbieter dasselbe Gut in vollständiger Konkurrenz zueinander anbieten, war für Unternehmen schon immer unattraktiv.[ 1 ] Es ist geradezu ein Kennzeichen der wirtschaftlichen Entwicklung, dass solche Märkte nach und nach verdrängt werden. Am ehesten findet man sie noch in Entwicklungsländern, wo unzählige kleine Händler einer neben dem andern genau dasselbe Produkt (zum Beispiel Bananen) anbieten. Der einzelne Händler kann die Bananen unter diesen Umständen tatsächlich zu keinem höheren Preis als zum Marktpreis verkaufen, denn sonst bleibt er auf sämtlichen Bananen sitzen. Der Marktwettbewerb sorgt dafür, dass der Bananenpreis gerade so hoch ist, dass die Kosten der Händler gedeckt sind, und sich der Bananenverkauf noch knapp lohnt. Würden wir nun das Bruttoinlandprodukt (BIP) einer solchen Bananenwirtschaft berechnen, dann wäre der Anteil der Arbeitseinkommen am BIP sehr hoch, da kaum Gewinne erzielt werden und fast das gesamte Einkommen wieder als Löhne ausbezahlt werden.

Anreize, den Wettbewerb auszuschalten

Wenn also viele Händler dasselbe Gut auf einem Markt mit funktionierendem Wettbewerb anbieten, wird keiner von ihnen reich. Die Händler würden alles dafür tun, den Marktwettbewerb auszuschalten und die Konkurrenz so stark wie möglich einzuschränken. Gibt es nämlich nur noch wenige Anbieter und ist der Wettbewerb genügend eingeschränkt, dann wird es wirtschaftlich interessant, da man sich dann die Marktbedingungen nicht mehr diktieren lassen muss, sondern sie selbst diktieren kann. Bananenhändlern in Entwicklungsländern fehlen aber im Allgemeinen die finanziellen Mittel, die es zur Dezimierung der Konkurrenz braucht. Erst wenn man die Möglichkeit zu Investitionen hat, kann man auch innovativ sein und die Konkurrenz mit billigerer Produktion (Plantagenwirtschaft), neuen Produkten (andere Früchte) oder Lockvogel-Angeboten vom Markt zu verdrängen versuchen.

Je weniger Anbieter es auf einem Markt gibt, umso besser geht es also den verbleibenden Anbietern. Unternehmen verstehen denn auch unter dem Begriff "Marktwettbewerb" bzw. "freier Markt" oder "freier Wettbewerb" de facto etwas ganz anderes als vollständige Konkurrenz. Marktwettbewerb bedeutet für sie die Möglichkeit, die Konkurrenz auszuschalten, um so möglichst eine gewisse Marktdominanz und im Idealfall sogar eine Monopolstellung zu erreichen. Nur auf diese Weise lassen sich längerfristig hohe Gewinne erzielen. Und es ist dann paradoxerweise der Staat, der mit seiner Monopol- und Kartellgesetzgebung auf verschiedenen Märkten dafür sorgen muss, dass der Marktwettbewerb auf die Dauer überlebt. 

Die Entwicklung zu einer digitalen Wirtschaft bewirkt, dass die Chancen zur Errichtung einer globalen Marktdominanz immer besser werden, was Gewinne in vorher nie dagewesenem Ausmass ermöglicht. Dies zeigt eine eben erschienene Arbeit von Professoren der Universitäten Harvard, MIT und Zürich (Autor et al., 2017). Diese Gewinne betreffen sogenannte Superstar-Firmen wie Facebook, Google (bzw. Alphabet Konzern), Microsoft, Amazon oder Apple, welche dank marktbeherrschenden Stellungen auf globalisierten Märkten enorm erfolgreich sind. So besitzt Google bei den Suchmaschinen weltweit einen Anteil von um die 90 Prozent. Entsprechend schwindelerregend sind dann auch die Gewinne. Google erwirtschaftete 2016 einen Reingewinn von fast 20 Milliarden Dollar, was einem Gewinn pro Mitarbeiter von 335'000 Dollar entspricht. Zum Vergleich: In Deutschland erreichen selbst die produktivsten Firmen des DAX nicht einmal eine Wertschöpfung (wovon der Gewinn ein kleiner Teil ist) pro Mitarbeiter, die auf diesem Niveau liegt.

Dominanz dank Skaleneffekten

Doch wie gelang es Google & CO innerhalb relativ kurzer Zeit eine dermassen grosse Marktdominanz aufzubauen? Dies hängt entscheidend mit den Skaleneffekten der digitalen Netzwerkökonomie zusammen. Durch die intensive Verwendung und den Ausbau von Google, Facebook oder Amazon steigt der Nutzen ihrer offerierten Leistungen immer mehr an, was wiederum zu einer weiteren Erhöhung der Nachfrage führt und beispielsweise einen Klick auf Google-Werbung immer wertvoller macht. Haben solche Unternehmen einmal eine bestimmte kritische Grösse erreicht, dann nimmt die Marktdominanz stets weiter zu, ohne dass der Arbeitsaufwand und somit die bezahlten Löhne wesentlich erhöht werden müssen. Beginnen nun solche Superstar-Firmen in wichtigen Branchen zu dominieren, dann geht der Anteil der Löhne am BIP immer mehr zurück, da diese Firmen mit relativ wenig Arbeit sehr hohe Gewinne erzielen. Und genau das haben die Autoren der Studie auch beobachtet. So sanken die Löhne als Anteil am BIP von 1980 bis 2010 in den USA von 66 Prozent auf 60 Prozent und in Deutschland von 72 Prozent auf 66 Prozent, während sie vorher über Jahrzehnte einen konstanten Anteil aufwiesen.

Die Entwicklung zur digitalen Wirtschaft führt somit auch zu einer Monopolisierung wichtiger Märkte. Zwar gibt es Gesetze, welche Marktmacht verhindern sollten, doch die zuständigen Wettbewerbsbehörden werden sich an der digitalen Ökonomie noch die Zähne ausbeissen. Denn in der digitalen Wirtschaft gibt es nicht nur eine Zunahme von marktbeherrschenden Grosskonzernen, sondern auch eine Zunahme von Intransparenz. Aufgrund der angesammelten Daten über Kunden und ihr Verhalten wird es möglich, sowohl Produkte als auch Preise für den einzelnen Kunden masszuschneidern, was Preis- und Produktvergleiche zunehmend erschwert. Die Realität entfernt sich damit immer mehr vom Lehrbuchmodell des perfekten Marktes mit vollständiger Konkurrenz, welches in der digitalen Wirtschaft endgültig zur Fiktion wird.

Autor, D., Dorn, D. Katz, L.; Patterson, C.; Van Reenen, J. (2017).  The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms. NBER Working Paper No. 23396.


©KOF ETH Zürich, 19. Jun. 2017

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *