Wieviel und wo publizieren deutschsprachige Nachwuchsökonomen? Dieser Beitrag dokumentiert die Entwicklung von Publikationsraten, -anzahl, und -qualität von promovierten Nachwuchsökonomen im deutschsprachigen Raum zwischen 1991 und 2008. Eine gewisse Konvergenz zu Ökonomen US-amerikanischer Institutionen ist zu erkennen, sie hält sich aber weiterhin in Grenzen. Mögliche Gründe sind zu wenig Anreize oder das nicht zeitgemäße Lehrstuhlsystem. Der akademische Mittelbau im deutschsprachigem Raum befindet sich seit den 1990er Jahren in einem großen Wandel. Dabei wird nach einer Struktur gestrebt, die dem US-amerikanischen System ähnelt (Bachmann 2015), wo klare Anreize für Forschungsaktivitäten existieren und die eigenständige Forschung von Nachwuchswissenschaftlern stark gefördert wird. Derartige Reformen wurden jedoch bisher nicht konsequent umgesetzt. Vermutlich nicht zuletzt, weil sie sich zwangsweise auf das deutsche Ordinariats- und Lehrstuhlsystem auswirken würden und nicht ohne Weiteres mit bisherigen Anforderungen an die Verbindung von Forschung und Lehre vereinbar wären. Informierte Entscheidungen für zukünftige Entwicklungen können jedoch nur getroffen werden, wenn zunächst Transparenz über die tatsächliche Forschungsleistung von Nachwuchswissenschaftlern hergestellt wird. Wir konzentrieren uns in diesem Beitrag auf bisherige Erfolge im Fachbereich VWL.
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Wieviel und wo publizieren deutschsprachige Nachwuchsökonomen? Dieser Beitrag dokumentiert die Entwicklung von Publikationsraten, -anzahl, und -qualität von promovierten Nachwuchsökonomen im deutschsprachigen Raum zwischen 1991 und 2008. Eine gewisse Konvergenz zu Ökonomen US-amerikanischer Institutionen ist zu erkennen, sie hält sich aber weiterhin in Grenzen. Mögliche Gründe sind zu wenig Anreize oder das nicht zeitgemäße Lehrstuhlsystem.
Der akademische Mittelbau im deutschsprachigem Raum befindet sich seit den 1990er Jahren in einem großen Wandel. Dabei wird nach einer Struktur gestrebt, die dem US-amerikanischen System ähnelt (Bachmann 2015), wo klare Anreize für Forschungsaktivitäten existieren und die eigenständige Forschung von Nachwuchswissenschaftlern stark gefördert wird. Derartige Reformen wurden jedoch bisher nicht konsequent umgesetzt. Vermutlich nicht zuletzt, weil sie sich zwangsweise auf das deutsche Ordinariats- und Lehrstuhlsystem auswirken würden und nicht ohne Weiteres mit bisherigen Anforderungen an die Verbindung von Forschung und Lehre vereinbar wären. Informierte Entscheidungen für zukünftige Entwicklungen können jedoch nur getroffen werden, wenn zunächst Transparenz über die tatsächliche Forschungsleistung von Nachwuchswissenschaftlern hergestellt wird.
Wir konzentrieren uns in diesem Beitrag auf bisherige Erfolge im Fachbereich VWL. In Önder und Schweitzer (2016) dokumentieren wir detailliert die Forschungsproduktivität von promovierten Nachwuchsökonomen von Top-Universitäten im deutschsprachigen Raum. Wir haben alle Top-20-VWL-Fachbereiche des Handelsblatt-Rankings kontaktiert, von denen elf Fachbereiche Namen und Jahrgänge ihrer Promovierten mit uns geteilt haben. Diese Namenslisten haben wir mit dem (auf begutachtete Journalpublikationen beschränkten) EconLit-Publikationsdatensatz verknüpft.
Wieviel publizieren die jungen Ökonominnen und Ökonomen?
Wir beginnen mit einer einfachen, doch grundlegenden Frage: Wie hoch ist der Anteil der Promovierten, die mindestens eine Veröffentlichung innerhalb von sechs Jahren nach ihrem Doktorabschluss erreicht haben? Abbildung 1 zeigt einen deutlichen Anstieg des Anteils an Ökonomen, die innerhalb von höchstens sechs Jahren nach ihrer Promotion in einem begutachteten Fachjournal publiziert haben, von 18% im Jahr 1991 auf 46% im Jahr 2008. Als Vergleichsgruppe ziehen wir die promovierten Ökonomen US-amerikanischer Universitäten heran, die in Conley et al. 2013 untersucht wurden. Der entsprechende Anteil der publizierenden promovierten Ökonomen US-amerikanischer Universitäten verlief seit den 1980er Jahren stabil im Bereich zwischen 45% und 50%. Insofern stellen wir also eine durchaus beeindruckende Konvergenz der Publikationsaktivitäten fest.
Abbildung 1: Prozentsatz der publizierenden promovierten Ökonomen
Quelle: Önder und Schweitzer (2016)
Wie gut publizieren die jungen Ökonominnen und Ökonomen?
Anscheinend zeichnet sich das positive Bild einer neuen Generation junger Ökonomen, die in Begriff sind im internationalen Wettbewerb aufzuholen. Doch hält der erste Eindruck einer kritischen Überprüfung stand, wenn man sich nicht auf die bloße Publikationsaktivität beschränkt, sondern fragt: Wie gut publizieren die jüngeren Promovierten im Vergleich zu ihren älteren Kollegen? Um diese Frage zu beantworten, teilen wir die Promovierten nach ihrem Abschlussjahr in drei Gruppen von 1991 bis 1996, von 1997 bis 2002, und von 2003 bis 2008 ein. Für jede Person bestimmen wir die Anzahl der Publikationen am Ende jeden Jahres nach Abschluss und berechnen die Durchschnittswerte für jede Gruppe für jedes Jahr. In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass die Promovierten der Jahre 1991 bis 1996 fünf Jahre nach Abschluss im Durchschnitt etwa vier Papiere veröffentlicht haben. Dabei sind die nicht-publizierenden Promovierten nicht mitgezählt, d.h. die Durchschnittswerte beinhalten keine „Null-Publikationen“. Die drei Gruppen der Promovierten erreichen jeweils eine vergleichbare Anzahl an Veröffentlichungen, wenn wir den Zeitpunkt von fünf oder sechs Jahre nach Doktorabschluss betrachten. Zwar erreicht die Gruppe der jüngsten Promovierten etwas höhere Werte als die der älteren, der Unterschied ist jedoch nicht statistisch signifikant. Einen signifikanten Unterschied beobachten wir lediglich zwischen der jüngsten und der mittleren Gruppe, wenn auch der absolute Unterschied eher gering ausfällt.
Abbildung 2: Kumulierte Anzahl der Publikationen
Quelle: Önder und Schweitzer (2016)
Die bloße Anzahl der Publikationen stellt jedoch nur die halbe Wahrheit dar. Ein zweiter Blick offenbart, dass die schöne neue Welt der promovierten Ökonomen im deutschsprachigen Raum erste Brüche zeigt. Die Problematik zeigt sich am Maß des Publikationsoutputs. Um der unterschiedlichen Qualität von Publikationen gerecht zu werden, berücksichtigen wir die Journalqualitätskoeffizienten von Kalaitzidakis et al. (2003) und gewichten die Publikationen mit der Qualität der jeweiligen Journals. Zudem teilen wir den Wert für jede Publikation durch die Anzahl der Koautoren. Kalaitzidakis et al. (2003) standardisieren ihr Maß auf den Wert 1 für das American Economic Review (AER), so dass alle weiteren Journals als Gewicht zwischen null und einem AER-Äquivalenten angegeben werden.
In Abbildung 3 zeigen wir die entsprechenden Werte der qualitäts- und koautorenkorrigierten Anzahl der Publikationen der drei Gruppen. Sechs Jahre nach ihrem Doktorabschluss erreichen die Promovierten aus den Jahren 1991 bis 1996 im Durchschnitt 0,24 Publikationen. Diejenigen aus den Jahren 1997 bis 2002 erreichen 0,16 und diejenigen aus den Jahren 2003 bis 2008 erreichen 0,20 Publikationen. Die Unterschiede sind jedoch nicht statistisch signifikant. Außerdem muss erwähnt werden, dass bezüglich dieses Maßes die US-amerikanische Konkurrenz (vgl. Conley et al. 2013) deutlich besser abschneidet, wo fast alle Jahrgänge seit Ende der 1990er Jahre über 0,4 Publikationen erreicht haben.
Abbildung 3: Kumulierte Anzahl der Publikationen mit Korrektur für Koautorenzahl und Journalqualität
Quelle: Önder und Schweitzer (2016)
Insgesamt beobachten wir daher zwei nennenswerte Entwicklungen: Einerseits publizieren in den letzten Jahren deutschstämmige promovierte Ökonomen deutlich häufiger als noch zu Beginn der 1990er. Andererseits ist diese Entwicklung jedoch im Wesentlichen durch den steigenden Anteil an publizierenden Promovierten getrieben. Je Publizierendem lässt sich nach Korrektur für Journalqualität und Anzahl der Koautoren kein Vorteil der jüngeren Ökonomen und Ökonominnen feststellen.
Konvergenz, aber schwach
Schon vor mehr als 20 Jahren wiesen Frey und Eichenberger (1993) auf die damaligen Unterschiede zwischen US-amerikanischen und europäischen Ökonomen hin, was deren Art und Weise des Forschens und Publizierens betrifft. Vorhergesagt wurde eine Transformation der europäischen Wirtschaftsforschung in Richtung des US-amerikanischen Systems. Tatsächlich haben im deutschsprachigen Raum seitdem einige wesentliche institutionelle Änderungen und Anpassungen stattgefunden. Jedoch argumentiert Bachmann (2015) überzeugend, dass die Entwicklung einige größere Lücken und Fehler aufweist. Wir zeigen einerseits, dass zwar erreicht wurde, dass ein größerer Anteil von promovierten Ökonomen in internationalen begutachteten Journalen publiziert. Andererseits ist jedoch heute ein durchschnittlicher Promovierender nicht produktiver als noch vor zwanzig Jahren. Insofern konnte nicht vollständig zur US-amerikanischen Konkurrenz aufgeschlossen werden.
Woran liegt es, dass zumindest in unseren Daten und zumindest bis Ende der 2000er Jahre atemberaubendere Erfolge in Bezug auf die individuelle Forschungsproduktivität ausbleiben? Liegt dies an einer nicht ausreichend zielgerichteten monetären Förderung, am möglicherweise nicht zeitgemäßen Lehrstuhlsystem und dem damit in Verbindung stehenden Mittelbau, dem keine ausreichenden Karriereanreize zu eigenständiger Forschung gegeben werden. Oder liegt es an Aspekten des Einstellungssystems? Die Frage ist zwar komplex, doch besteht durchaus Potential zu Verbesserungen. Vor weiteren Reformen sollten jedoch die Besonderheiten und Ziele des Universitätssystems im deutschsprachigen Raum sorgfältig abgewogen werden. Beispielsweise ist unklar, inwiefern sich Leistungen in Lehre und Forschung aufeinander auswirken und welchen Gesamteffekt Reformen in diesem Zusammenhang besitzen.
Damit sowohl Universitätsleitungen und Politiker als auch Nachwuchswissenschaftler informierte Entscheidungen treffen können, sehen wir als ersten Schritt die Notwendigkeit die Verfügbarkeit der Daten zu verbessern und so mehr Transparenz zu schaffen. Die American Economic Association veröffentlicht die Namen von allen promovierten Ökonomen des entsprechenden Jahrgangs US-amerikanischer Universitäten jedes Jahr in der Dezember Ausgabe des Journal of Economic Literature. Es wäre eine gute Idee, eine analoge Dokumentation der promovierten Ökonomen des deutschsprachigen Raumes anzustreben und vollständige Listen mit Namen und Abschlussjahr einzuführen. Durch ein solch einfaches, aber doch grundlegendes Instrument würde in Zukunft keine Universität in Verlegenheit geraten, Informationen über ihre Promotionsabsolventen nicht erteilen zu können.
Literatur
Bachmann, R. 2015. Professor ist Professor. Ökonomenstimme. 6 Juli 2015.
Conley, J.P., Crucini, M.J., Driskill, R.A., Önder, A.S. 2013. Incentives and effects of publication lags on life cycle research productivity in economics. Economic Inquiry. 51(2): 1251-1276.
Frey, B., Eichenberger, R. 1993. American and European economics and economists. Journal of Economic Perspectives. 7(4): 185-193.
Kalaitzidakis, P., Mamuneas, T.P., Stengos, T. 2003. Rankings of academic journals and institutions in economics. Journal of the European Economic Association. 1: 1346-1366.
Önder, A.S., Schweitzer, S. 2016. Catching up or falling behind? Promising changes and persistent patterns across cohorts of economics PhDs in German-speaking countries from 1991 to 2008. mimeo.