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Die EZB ist nicht an allem schuld

Summary:
Kritiker der Geldpolitik fordern Strukturreformen – im Euroraum. Doch die gibt es auch in Deutschland nicht, wie dieser Beitrag zeigt. Die Kritik an der Europäischen Zentralbank hat in den letzten Wochen an Schärfe zugenommen. Nun stellt sich sogar die Politik offen gegen die Maßnahmen der EZB und macht sie zum Sündenbock für diverse Fehlentwicklungen. Dies ist besorgniserregend. Zum einen gefährdet das die Unabhängigkeit der Zentralbank, zum anderen droht das Vertrauen der Deutschen in die EZB endgültig zu schwinden. Eine kritische Diskussion der Zentralbankpolitik ist grundsätzlich wünschenswert. Politische Einmischung ist jedoch so lange inakzeptabel, wie sich die EZB im Rahmen ihres Mandats bewegt. Zudem ist dringend eine Versachlichung der Debatte erforderlich. Denn so mancher der in Deutschland geäußerten Kritikpunkte hält einer sorgfältigen Analyse nicht stand und überdeckt gleichzeitig die berechtigte Kritik. Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass die EZB in der Vergangenheit eine durchaus erfolgreiche Politik betrieben hat. Im Schnitt über die Jahre 1999 bis 2015 lag die Inflation im Euroraum bei 1,8 Prozent und damit „nahe, aber unter zwei Prozent“, also in dem Bereich, den die EZB selbst als „Preisstabilität“ definiert.

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Kritiker der Geldpolitik fordern Strukturreformen – im Euroraum. Doch die gibt es auch in Deutschland nicht, wie dieser Beitrag zeigt.

Die Kritik an der Europäischen Zentralbank hat in den letzten Wochen an Schärfe zugenommen. Nun stellt sich sogar die Politik offen gegen die Maßnahmen der EZB und macht sie zum Sündenbock für diverse Fehlentwicklungen. Dies ist besorgniserregend. Zum einen gefährdet das die Unabhängigkeit der Zentralbank, zum anderen droht das Vertrauen der Deutschen in die EZB endgültig zu schwinden. Eine kritische Diskussion der Zentralbankpolitik ist grundsätzlich wünschenswert. Politische Einmischung ist jedoch so lange inakzeptabel, wie sich die EZB im Rahmen ihres Mandats bewegt.

Zudem ist dringend eine Versachlichung der Debatte erforderlich. Denn so mancher der in Deutschland geäußerten Kritikpunkte hält einer sorgfältigen Analyse nicht stand und überdeckt gleichzeitig die berechtigte Kritik. Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass die EZB in der Vergangenheit eine durchaus erfolgreiche Politik betrieben hat. Im Schnitt über die Jahre 1999 bis 2015 lag die Inflation im Euroraum bei 1,8 Prozent und damit „nahe, aber unter zwei Prozent“, also in dem Bereich, den die EZB selbst als „Preisstabilität“ definiert. Auch zu Beginn der Finanzkrise handelte die EZB vollkommen richtig, als sie dem Zusammenbruch von Banken und Interbankenmärkten mit einer großzügigen Liquiditätsbereitstellung begegnete und somit half, das Finanzsystem zu stabilisieren.

Mit der Krise im Euroraum begann die Zentralbank, sich in einen Graubereich von Geld- und Fiskalpolitik zu bewegen, was ihr heftige Kritik einbrachte. Allerdings wurde die EZB nicht zuletzt durch das Nichthandeln der Politik in diese Rolle gedrängt. Dasselbe Schema zeigte sich später bei der Entscheidung über das Einfrieren der Notkredite an griechische Banken. Bei der Bekämpfung der europäischen Wachstumsschwäche verlässt man sich ebenfalls auf die Geldpolitik. Selbst die deutsche Politik, die lautstark Strukturreformen fordert und die EZB – vermutlich zu Recht – dafür mitverantwortlich macht, dass diese ausbleiben, hat im eigenen Land kaum Strukturreformen angestoßen.

Somit scheint die deutsche Politik genau den Anreizproblemen zu erliegen, die sie selbst anprangert. Sie hat auch nicht ernsthaft versucht, für Europa eine überzeugende Wachstumsstrategie zu entwickeln, beispielsweise durch Vorschläge zu einer Stärkung des digitalen Binnenmarktes, zu einer europäischen Energiepolitik oder einer stärkeren Harmonisierung des Insolvenzrechts. Da die EZB in der Krise eine der wenigen handlungsfähigen Institutionen war, wurde ihr die Aufsicht über die größten Finanzinstitute der Eurozone übertragen. Dies bedeutete einen erheblichen Machtzuwachs. Die bestehenden Interessen- und Zielkonflikte wurden weitgehend ignoriert. Sie bergen jedoch die Gefahr, dass die EZB dem Ziel der Finanzstabilität keine ausreichende Beachtung schenkt. Denn die EZB sieht die Verantwortung für die Finanzstabilität allein bei der Finanzaufsicht. Weil diese teilweise in der EZB angesiedelt ist, könnten notwendige aufsichtsrechtliche Maßnahmen unterbleiben. Daher fordert die Bundesregierung zu Recht die Ausgliederung der Bankenaufsicht in eine eigenständige europäische Institution.

Eine noch stärkere Politisierung der EZB, sei es durch eine Verschiebung der Stimmgewichte im EZB-Rat oder durch eine direktere Einflussnahme durch die Politik, würde die Glaubwürdigkeit der Zentralbank weiter untergraben. Das Gegenteil ist erforderlich. Dies ließe sich am besten dadurch erreichen, dass die Politik das Handeln nicht länger allein der EZB überlässt.

©KOF ETH Zürich, 21. Apr. 2016

Isabel Schnabel
Isabel Schnabel ist seit 2015 Professorin für Finanzmarktökonomie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Zuvor war sie seit 2007 Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Financial Economics an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im Juni 2014 wurde sie zum Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ernannt.

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