Der Beitrag von Bruno S. Frey und Margit Osterloh zur Flüchtlingsdiskussion hat ausführliche Kommentare hervorgerufen. Die beiden Autoren antworten mit diesem Beitrag darauf und führen die angefangene Diskussion weiter. Insbesondere kritisieren sie dabei auch die Hilflosigkeit vieler Ökonomen im Umgang mit der Flüchtlingswelle. Zunächst einmal bedanken wir uns bei Peter Ulrich und Jonas Hoefgen für die hilfreichen und ermutigenden Beiträge und die Aufforderung, unseren Vorschlag weiterzuentwickeln. Uns scheint dies dringend notwendig angesichts der Sackgasse, in welche die Diskussion um das wahrscheinlich scheiternde Abkommen mit der Türkei geraten ist und angesichts des hilflosen Umgangs mit dem Flüchtlingsproblem, wie er sich in den Beiträgen von namhaften Ökonomen (u.a. Jeffrey D. Sachs) in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "American Economic Review: Papers & Proceedings", 2016, 106(5): 441 ff. zeigt. Wenn das Abkommen mit der Türkei scheitern sollte, dann ist das aus unserer Sicht kein Nachteil. Dieses Abkommen ist ebenso inhuman und beschämend wie das bisherige Abstellen auf Schlepper als Flüchtlingsabwehr. Das gilt auch – dies an Fred F. - für den Hinweis auf die nunmehr leeren Erstaufnahmelager. Wenn weniger Flüchtlinge kommen, ist dies in unseren Augen kein Erfolg.
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Bruno S. Frey, Margit Osterloh considers the following as important:
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Der Beitrag von Bruno S. Frey und Margit Osterloh zur Flüchtlingsdiskussion hat ausführliche Kommentare hervorgerufen. Die beiden Autoren antworten mit diesem Beitrag darauf und führen die angefangene Diskussion weiter. Insbesondere kritisieren sie dabei auch die Hilflosigkeit vieler Ökonomen im Umgang mit der Flüchtlingswelle.
Zunächst einmal bedanken wir uns bei Peter Ulrich und Jonas Hoefgen für die hilfreichen und ermutigenden Beiträge und die Aufforderung, unseren Vorschlag weiterzuentwickeln. Uns scheint dies dringend notwendig angesichts der Sackgasse, in welche die Diskussion um das wahrscheinlich scheiternde Abkommen mit der Türkei geraten ist und angesichts des hilflosen Umgangs mit dem Flüchtlingsproblem, wie er sich in den Beiträgen von namhaften Ökonomen (u.a. Jeffrey D. Sachs) in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "American Economic Review: Papers & Proceedings", 2016, 106(5): 441 ff. zeigt.
Wenn das Abkommen mit der Türkei scheitern sollte, dann ist das aus unserer Sicht kein Nachteil. Dieses Abkommen ist ebenso inhuman und beschämend wie das bisherige Abstellen auf Schlepper als Flüchtlingsabwehr. Das gilt auch – dies an Fred F. - für den Hinweis auf die nunmehr leeren Erstaufnahmelager. Wenn weniger Flüchtlinge kommen, ist dies in unseren Augen kein Erfolg. Es zeigt lediglich, dass die humanitäre Katastrophe der Flüchtlinge einerseits und die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Grenzsicherung andererseits verdrängt wurden. Sie sind politisch "aus den Augen, aus dem Sinn" geraten.
- Das Abkommen mit der Türkei bietet für die Syrien-Flüchtlinge keine Lösung, da – wie die Presse berichtet – die Flüchtlinge teilweise mit Waffengewalt gehindert werden, die Türkei zu erreichen. Die Schlepper sind daran, neue Wege herauszufinden und die alten Wege über das Mittelmeer zu aktivieren. Täglich berichten die Zeitungen wieder von geretteten (und gestorbenen) Flüchtlingen, die aus Libyen aufbrechen. Länder wie die Schweiz bereiten sich auf große Flüchtlingswellen vor, sobald sich die Wetterverhältnisse im Mittelmeer bessern.
- Die Verteilung der Syrien-Flüchtlinge auf die EU-Länder, ihre Integration in den Arbeitsmarkt etc. sind nicht geregelt. Bis jetzt sind nur ganz wenige Menschen administrativ umverteilt worden. Stattdessen sind die meisten Flüchtlinge dazu verurteilt, in Lagern unter prekären Verhältnissen ohne Arbeit, ohne Perspektive und ohne Ausbildung für die Kinder herumzusitzen. Integration in den Arbeitsmarkt wäre aber die beste Hilfe für sie.
- Die Kosten der Grenzsicherung zwischen den Schengen-Staaten sowie an den Außengrenzen steigen ins Unermessliche, sowohl direkt für die Staaten wie auch indirekt für die Unternehmen (Wartezeiten an den Grenzen, Behinderung der Personenfreizügigkeit und des Tourismus). Dieses Geld könnte man sehr viel produktiver für die Hilfe an die Flüchtlinge verwenden.
- Für die Armutsflüchtlinge aus Ländern, in denen die Menschen und insbesondere die Jungen ohne Perspektive leben müssen, bietet das Abkommen mit der Türkei nicht den Ansatz einer Lösung.
Die Hilflosigkeit einflussreicher Ökonomen, mit dem Flüchtlingsproblem umzugehen, zeigt sich exemplarisch an den Vorschlägen von Jeffrey D. Sachs (2016):
- Hilfe für die armen Länder (wer hätte das gedacht?)
- Aufteilung der Flüchtlinge auf die aufnehmenden Länder (hat sich innerhalb der EU als undurchführbar erwiesen, davon aber kein Wort)
- Globale Normen für den Zugang der Flüchtlinge zu Sozialleistungen, Arbeitserlaubnis, Familien-Nachzug etc. (wenn Vorschlag 2 schon innerhalb der EU nicht durchführbar ist, ist die Hoffnung auf globale Normen vollends unrealistisch).
Unser gar nicht so unrealistischer Vorschlag will – darauf legen wir großen Wert – neben den Interessen der Aufnahmeländer auch diejenigen der Migranten und die der Herkunftsländer berücksichtigen, versteht sich also auch als ein Beitrag zu einer effektiven Entwicklungshilfe. Deshalb schätzen wir die Frage von Jonas Hoefgen sehr, wie die Kredite für die Migranten funktionieren sollen. Bevor wir auf seine Fragen eingehen, sei noch einmal festgestellt, dass diejenigen Migranten, die als Asylbewerber oder Kriegsflüchtlinge anerkannt werden, das eingezahlte Geld wieder zurückbekommen sollen. Sie sind also gegenüber der derzeitigen Situation deutlich besser gestellt, in der alles Geld an die Schlepper geht. Die Hürden, zu uns zu kommen sind wesentlich geringer. Dennoch muss das Geld erst einmal beschafft werden.
Wer gibt Migranten einen Kredit?
- Heute schon legen Verwandte in den Herkunftsländern wie in den Aufnahmeländern zusammen, um das Geld für die Schlepper zusammen zu bringen.
- Eine weitere Quelle für Kredite können die zahlreichen humanitären Organisationen sein, welche ihren eingespielten Apparat für die Einwerbung von Spendengelder einsetzen könnten.
- Unternehmen, welche Arbeitskräfte suchen, können ebenfalls Kredite geben (das dürfte allerdings nur für wenige gut qualifizierten Einwanderer funktionieren).
- Man könnte Kreditmärkte in Analogie zu Mikrokredit-Märkten mobilisieren.
- Schließlich könnten – diesen Hinweis verdanken wir Clemens Fuest - die Einwanderungsstaaten den Migranten nach bestimmten Kriterien Kredite geben, der analog wie das BaföG oberhalb bestimmter Einkommenshöhen wieder eingezogen werden.
- Dasselbe könnten privat initiierte Vereine in die Wege leiten. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass zugleich individuelle Betreuungsverhältnisse etabliert werden können.
Was passiert, wenn die Migration nicht funktioniert und Zins und Tilgung nicht bezahlt werden können?
Dieses Risiko muss über die Höhe des Zinses abgegolten werden. Wer allerdings den auf gegenseitige Solidarität gerichteten Vertrag absichtlich nicht einlöst, büsst – darauf macht Peter Ulrich aufmerksam – das Bleiberecht ein. Generell sagt aber die Migrationsforschung, dass höhere Anforderungen an die Migranten die Integrations-Anstrengungen erhöhen. Hingegen sind voraussetzungslose soziale Hängematten schädlich für die Integration der Migranten.
Was ist, wenn sich kriminelle Schlepper des Kreditmarktes bemächtigen?
Dagegen ist nur ein Kraut gewachsen: Je besser die legalen Möglichkeiten, desto geringer die Chancen für illegale Aktivitäten. Diesbezüglich sei Jeffrey D. Sachs (2016:454) zugestimmt: "Border controls, like any kind of market barrier, gives rise to smuggling, black markets, organized crime, and denial of migrants´ human rights."
Den größten Vorteil unseres Vorschlages sehen wir darin, dass die Migranten von rumgeschubsten und bürokratisch verwalteten Objekten zu handlungsfähigen Akteuren werden, die über ihr Schicksal bestimmen können. Dies eröffnet ihnen legale Auswege aus der Perspektivlosigkeit, gibt ihnen Würde und mobilisiert ihre Kräfte zur Selbsthilfe.
Jeffrey D. Sachs (2016): Toward an International Migration Regime. American Economic Review. Papers & Proceedings, 106(5): 451-455.
©KOF ETH Zürich, 17. Mai. 2016